28. Kapitel

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 Ich fühle mich schwerelos. Leicht. Hier ist alles so ruhig und friedlich. Überall um mich herum ist Wasser. Den Grund kann ich nur verschwommen erkennen. Ich fühle mich frei. An mir schwimmt ein Schwarm voll Fische vorbei. Ihr Schuppen schimmern in allen Farben wenn das Licht auf sie fällt. Doch langsam bemerke ich, dass ich keine Luft mehr bekomme. So schnell wie möglich schwimme ich zu der Wasseroberfläche. Keuchend atme ich die frische Luft ein und sehe mich um. Ich bin mitten auf dem Meer. Weit und breit kein Land zu sehen. Das Wasser verfärbt sich. Vorher war es von einem türkisen Blaugrün, doch jetzt nimmt es eine schwarzblaue Färbung an. Was ist da los? Ich tauche erneut unter, doch ich kann mittlerweile nicht mal mehr meine Hand vor Augen erkennen. Es ist stockfinster. Eigentlich unmöglich, da die Sonne eben noch hoch am Himmel stand. Wieder schwimme ich nach oben um Luft zu holen. Ich durchbreche die Oberfläche. Die Luft ist kälter geworden, die Sonne ist untergegangen - wie kann das so schnell gehen? - und das Wasser hat sich ebenfalls merklich abgekühlt. Ich fange an zu zittern. Plötzlich spüre ich etwas an meinem Fuß. Ist da etwas? Ich tauche erneut unter und wieder kann ich nichts erkennen. Doch erneut streift etwas meinen Fuß. Wahrscheinlich ein Fisch. Ob die auch so wenig sehen können wie ich? Gerade will ich wieder Luft holen, als etwas meinen Fuß packt. Ein wilder Schmerz schießt mein Bein hoch. Vor Schreck schlucke ich Wasser. Was zum Teufel ist das? Dann fällt es mir wieder ein. Haie. Amar fürchtet sich vor Haien. Scheiße.

 An meinem Fuß hängt irgendetwas und es zieht mich in die Tiefe. Meine Luft ist so gut wie komplett verbraucht und ich fange an panisch um mich herum zu treten, aber meine Schläge werden vom Wasser verlangsamt. Wie komme ich hier bloß wieder raus?

 Ich greife nach dem Tier. Es ist direkt vor mir. Meine Hand streift eine nasse, glitschige Schnauze. Seine Augen starren mich wild an. Sie wirken klein im Gegensatz zu seinem restlichen Körper. Ich brauche Luft! Wieder schlucke ich Wasser. Langsam spüre ich wie jeder Muskel schwere zu bewegen wird. Mein Kopf ist vernebelt, meine Gedanken werden träger. Mit einem letzten verzweifelten Ruck schaffe ich es meinen Fuß aus dem Maul des Hais zu befreien. Ich schwimme nach oben. Hustend atme ich ein. Es fühlt sich gut an. Meine Gedanken sind mit einem Mal wieder klar. Ich muss hier rauskommen. Irgendwie. Vorsichtig befühle ich meinen Fuß. Er ist noch dran, aber wie lange noch? Irgendwie muss man doch dem Tier gegenübertreten können. Panik hat mich befallen. Panik, die eigentlich nicht einmal mir gehört. Es ist Amars Panik. Aber ich schaffe es nicht, mich Unterwasser zu beruhigen, also muss ich wohl über übel kämpfen. Aber mit was? Hier gibt es keine Messer oder generell irgendeine Waffe.

 Wieder packt mich dieses Vieh und zieht mich unter Wasser. Blut rinnt aus meinem Knöchel. Es verteilt sich im Wasser und scheint den Hai nur noch rasender zu machen. Ich schlage und trete auf ihn ein. Plötzlich lässt er mich wieder los. Aber obwohl meine Luft wieder knapp ist, tauche ich nicht auf, sondern schwimme mit ihm in die Tiefe. Seine große Schwanzflosse schlägt langsam hin und her. Ich folge ihm. So langsam bekomme ich Druck auf den Ohren. Bald müsste ich auf dem Grund sein. Schon berühre ich ihn mit meinen Fingern. Und ertaste nicht den schlammigen Boden, den ich am Anfang der Simulation gesehen habe, sondern etwas hölzernes. Holz im Meer? Ich dachte immer es würde schwimmen. Vorsichtig greife ich danach, halte es fest in meiner Hand. Dann stoße ich mich vom Boden ab und schieße nach oben. Als ich auftauche betrachte ich den Gegenstand in meiner Hand. Es ist ein Griff. Ein Griff von einem langen, scharfen Messer. Jetzt wird dieser Kampf doch schon interessanter! Zufrieden tauche ich wieder unter. Komm schon Hai! Machen wir Sushi aus dir!

 Ich sehe das große, weit aufgerissene Maul erst, als es direkt vor mir ist. So schnell ich kann schwimme ich zurück und bringe etwas Abstand zwischen uns. Dann benutze ich das Messer. Leider scheint er es schon kommen gesehen zu haben, denn ich kann ihm nur eine leichte Schnittwunde zufügen. Dann greift er wieder an. Er beißt mir in die Hand. Erst den Fuß, jetzt die Hand. Ich habe das Gefühl als würde er mir beides abreißen wollen. Der Schmerz ist nahezu unerträglich. Fast schon bitte ich ihn, dass er mich endlich tötet. Dann wäre dieser ganze Schwachsinn endlich vorbei. Aber ich will noch nicht sterben. Nicht jetzt. Und vor allem nicht so. Nicht von einer Angst, die nicht einmal mir selbst gehört. Ich schließe die Augen und verlasse mich vollkommen auf die Bewegungen, die das Wasser macht. Ich bin bereit. Er kommt wieder auf mich zu. Diesmal habe ich allerding keine Angst mehr. Ich will gerade das Messer in sein Auge rammen, als plötzlich das Licht angeht. Meine Faust ist immer noch geschlossen, als würde ich ein Messer halten. Langsam öffne ich sie. Sie ist schon ganz verkrampft. Ich stehe wieder in dem Raum für die Angstlandschaften. Die Initianten starren mich an. Ich fühle mich beobachtet. Langsam stelle ich mich zu Zeke.

Tobias' GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt