Die Initianten erkennt man schon von weitem. Ihre müden Augen und die ungelenken Bewegungen stechen überall heraus. Sie müssen unglaubliche Schmerzen haben. Innerlich verkneife ich mir ein Grinsen. Es ist gut, dass das alles inzwischen hinter mir liegt. Ich erinnere mich eigentlich noch recht gerne an die Zeit meiner Initiation zurück. Wie klein die Welt mir damals vorkam, wie unglaublich schwer die Initiation und wie bedeutend ich mich gefühlt habe als ich sie endlich bestanden hatte. So lange her und trotzdem irgendwie nicht weit weg. Es hat sich alles verändert. Nein. Ich habe mich verändert. Aber das ist gut so. Der kleine Junge von den Altruan wäre hier untergegangen, wäre zerbrochen. Zum Glück gibt es ihn nicht mehr, nur eine mutigere, stärkere Feroxversion.
Ich beobachte manchmal heimlich das Training der Initianten. Es bereit mir großen Spaß, ihr Fortschritte mitzuverfolgen. Nicht, dass mir die Arbeit im Kontrollraum weniger Spaß bereiten würde, nur ist es so, dass ich mich an die Trainingsstunden mit Shauna erinnere. Es gefällt mir, so in Erinnerungen schweben zu können. Das macht die Realität erträglicher. Aber ich muss darauf achten, dass ich im Hier und Jetzt bleibe. Ich will nicht, dass mein Leben nur noch aus Träumereien besteht, dafür ist es zu spät. Aber selbst die kleinsten Träumereien erleichtern einen doch irgendwie. Das kleinste bisschen an Kreativität, Humor und Menschlichkeit ist das, was mich regelmäßig daran erinnert, dass ich noch nicht tot bin. Bei weitem noch nicht. Damals hatte ich den Muskelkater und den Wettbewerb, der mir verdeutlicht hat, dass es weiter geht. Mittlerweile fühle ich mich, als ob ich im Kreis laufen würde. Tag für Tag immer die gleiche Runde, immer dieselbe Strecke. Seitdem David verschwunden ist, dreht sich alles noch stärker im Kreis als sonst schon. Ich versuche, die besonderen Augenblicke, in denen die Welt auf einmal anhält und stehen zu bleiben scheint, zu bewahren, tief in meinem Kopf. Meistens klappt es nicht. Entweder dreht sie sich zu schnell, oder sie erdrückt einen mit ihrem Stillstand. Es ist furchtbar. Ich sehe meine Freunde leiden. Habe ich jemals etwas Schlimmeres gespürt? Ja. Aber nur bei dem Tod von Lukas. Weil er auch ein Freund war. Sonst erinnere ich mich an nichts, was mit diesem Gefühl vergleichbar gewesen wäre. Es fühlt sich so an, als wäre da ein kleiner Splitter in deinem Herzen. Und irgendwer stößt die ganze Zeit daran und drückt ihn nur noch tiefer rein.
Diese Menschen - meine Freunde - sind irgendwie ein kleiner Teil von mir geworden. Wenn sie leiden, dann leidet ein Teil von mir mit ihnen. Es schmerzt vor allem Shauna so am Boden zerstört zu sehen. Zeke versucht für sie stark zu sein, aber innerlich frisst ihn die Ungewissheit genauso auf wie Shauna und mich. Selbst ihre Geschwister, Zekes Bruder Uriah und Shaunas Schwester Lynn und ihr Bruder Hector, scheinen sie aufmuntern zu wollen. Ich kenne sie alle nur flüchtig, aber vor allem die Zeit scheint sie zusammenzuschweißen. Sie können sich glücklich schätzen so Geschwister zu haben. Ansonsten müssten sie alleine durch diese Zeit.
Ich versuche diesen "Familientreffen" immer aus dem Weg zu gehen. Ich bin zwar froh, dass es Uriah, Lynn und Hector gibt, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie dann lieber unter sich sein sollten.
Wir sitzen schweigend im Speisesaal an unserem gewöhnlichen Tisch. Wieder sind es ein paar Personen mehr als vorher. Lynn, ihre Freundin Marlene und Uriah sitzen bei uns. Hector sitzt bei seinen Eltern. Eigentlich ist er auch viel zu klein u das alles zu verstehen, aber trotzdem scheint er zu wissen, dass es seiner Schwester nicht allzu gut zu gehen scheint. Die Stimmung ist bedrückt. Ich weiß nicht mal genau, wie lange David schon vermisst wird. Allerdings traue ich mich nicht Zeke oder Shauna danach zu fragen. Das würde deren Launen nur noch weiter herunterziehen. Und ich will sie auch nicht schon wieder daran erinnern, dass er nicht hier ist.
Zeke verzieht das Gesicht zu einer freudlosen Grimasse.
"Was ist los?", frage ich ihn vorsichtig.
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Tobias' Geschichte
Hayran KurguDiese Story beschreibt Tobias' Leben von dem Test bis zum Treffen mit Tris. Ich habe versucht mich in seine Gefühlswelt einzufinden und seine Beweggründe und Gedanken darzustellen. Aber lest selbst!