25. Kapitel

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 Die Angst lässt einen nicht los. Man hat keine ruhige Minute mehr. Sie sitzt die ganze Zeit hinter einen, verhöhnt uns. Jeden einzelnen. Sie reißt an unseren Nerven. Man versucht sich damit zu beruhigen, dass alles nur eine Simulation war. Nicht real. Aber es hilft nichts. Zumindest nicht lange. Jeder hat seine Probleme damit. Alle sind nur noch nervös und gereizt. Reine Nervenbündel. Mir geht es da nicht anders. Ich kämpfe mit der ständigen Angst, dass die Wände sich verschieben würden. Deswegen achte ich auch alle zwei Minuten darauf, dass es ja nicht passiert.

 Die Simulation ist jetzt ein paar Tage her. Doch es wird nicht besser, im Gegenteil. Ich schlafe nicht mehr richtig. Ich habe keinen Hunger mehr. Wann habe ich zum letzten Mal wirklich gelacht? Wann hatte ich Spaß? Ich weiß es nicht. Die Tage vergehen, ziehen einfach an mir vorbei. Ich vergesse es fast schon, dass das hier ein Wettbewerb ist. Dass es hier um mein Leben geht. Um meine Zukunft.

 Die Menschen verändern sich hier. Ich kann es immer wieder sehen. Zeke, beispielsweise, hat schon lange mehr keinen Witz gerissen. Shauna, die ja sonst immer wie ein Wasserfall reden konnte, macht inzwischen kaum noch den Mund auf. Und David ist noch verschlossener, als er es vorher schon war.

 Ist es das, worauf die Anführer hinaus wollen? Und fertig machen? Uns brechen? Damit wir uns ihnen nicht widersetzen?

 Das glaube ich nicht. Das kann - und darf - nicht ihre Absicht sein. Wenn sie uns brechen wollen würden, dann doch sicherlich auf einem schnelleren Weg.

 Ich weiß nicht, was sie mit uns vorhaben. Vielleicht dient es ja auch zu ihrer Belustigung. Als Unterhaltung. Aber wie grausam können Menschen sein, jemandem so etwas anzutun?

 Das Leben hier ist hart. Zu hart. Die Anführer machen einem das Leben schwer. So etwas wie Hilfsbereitschaft, Güte oder Gnade, gibt es hier nicht. Es geht nur um das eine: Stolz und Stärke.

 Ich habe mich verändert. Am Tag, an dem ich mich gegen ein Leben bei den Altruan entschieden habe. Ich habe zum ersten Mal etwas wirklich gewollt. Zum ersten Mal nur an mich gedacht und nicht an die Anderen. Nur an mich. Sollte diese Entscheidung sich als falsch erweisen, dann bin ich am Ende. Ich muss mich zusammenreißen. Darf keine Schwäche zeigen.

 Jeden Tag müssen wir an unseren Ängsten arbeiten. Jeden einzelnen verdammten Tag. Zum Glück habe ich ja nicht sonderlich viele. Aber dennoch. Je öfter ich sie durchlebe, umso schlimmer werden sie. Ich habe seit Tagen Albträume. Kann vor Angst kaum noch einschlafen. Wenn ich dann doch mal weg döse, dann wache ich bereits nach kurzer Zeit wieder schweißgebadet auf. Ich sehe aus wie eine wandelnde Mumie. Dunkle Schatten liegen unter meinen Augen und ich bin ziemlich weiß im Gesicht. Aber es ist mir egal. Ich will das hier nur überstehen.

 Wieder einmal sitze ich hier mit den anderen Initianten und warte darauf, dass man mich aufruft. Das Ticken der Uhr macht mich mittlerweile rasend. Es ist immer im gleichen Takt. Reine Folter.

 Die Tür öffnet sich. Amar kommt herein und ruft meinen Namen. Na toll. Ich atme noch einmal kurz durch und stehe auf. Ein letzter Blick zu Zeke. Er nickt mir aufmunternd zu. Dann mal los. Je eher ich da bin umso schneller bin ich auch wieder draußen.

 Ich betrete den Raum und setze mich auf den Stuhl. Amar beugt sich über mich und sticht mir die lange Nadel des Serums in den Hals. Mittlerweile ist mir der Schmerz egal. Ich kann nicht klar denken. Nur das mein Kopf schwer wird und mir die Augen zufallen.

 Ich stehe an einem Strand. Die Stadt liegt grau und recht verlassen hinter mir. Wieso bin ich hier? Ich atme tief durch. Die Wellen rauschen leicht und der Wind streicht durch meine Haare. Der Sand unter meinen Füßen ist kalt. Meine nackten Zehen vergraben sich darin. Eine Möwe fliegt kreischend über mich hinweg. Ansonsten ist alles still. Nur das Meer und die Möwen geben Geräusche von sich, doch sie verschwimmen langsam zu einem sanften Rauschen.

Tobias' GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt