Die Ferox sind drauf und dran alles für die kommenden Initianten vorzubereiten. Es herrscht ein geschäftiges Treiben, noch weit ausgeprägter als sonst. Zu der täglichen Ausgelassenheit kommt auch ein kleines bisschen Vorfreude dazu. Zumindest in den betreffenden Familien. Die restlichen Mitglieder scheint das alles mehr oder weniger kalt zu lassen. Dennoch erledigen sie ihre Aufgaben gewissenhafter als sonst. Der Trainingsraum der Initianten wurde neu ausgestattet und gefegt. Okay, neu ist vielleicht das falsche Wort. Die Messer wurden erneuert, die Boxsäcke repartiert und sämtliche Zielscheiben frischer angemalt. Nichtsdestotrotz erkennt man, dass der Raum einige Jahre hinter sich hat.
Auch der Schlafsaal wurde verbessert. Zumindest wurden die Duschen geputzt und die Betten, die ein knappes halbes Jahr unbenutzt eingestaubt sind, neu bezogen. Es ist befremdlich die Bemühungen der Ältesten zu sehen, die für einen selbst ebenfalls getroffen wurden. Damals habe ich dies keiner Beachtung geschenkt und auch letztes Jahr waren meine Probleme mir selbst zu wichtig, als dass ich diese ungewohnte Stimmung unter den Ferox wahrnehmen hätte können.
Uriah, Lynn und Marlene sind auch nervös. Das merkt man ihnen ziemlich stark an, auch wenn sie es vehement abstreiten. Sie kauen an ihren Fingernägeln oder sind kurze Zeit unaufmerksam. Ich kann das gut nachvollziehen, mir ging es damals ja nicht viel anders. Damals hatte ich einen großen Zwiespalt in dem ich steckte: Entweder bei der vertrauten Umgebung bleiben, bei den Altruan leben und ein selbstloses, aber angenehmes Leben führen, oder das Risiko wagen und mich gegen Marcus stellen und meinen eigenen Weg gehen. Damals habe ich genug Mut besessen um mich gegen ihn zu stellen und zu den Ferox zu gehen. War es Mut? Wohl eher Stolz, Sturheit und Wut. Aber es macht keinen Unterschied was es war, Hauptsache ich bin hier.
Morgen heute ist schon der Test und morgen kommen die Initianten. Ich bin ein wenig unsicher. Heute ist die letzte Besprechung zwischen uns Ausbildern und den Anführern. Vor allem Erics Anwesenheit stört mich. Leider bin ich ihm untergeordnet. Das ist das Einzige, was mich an meinem Job nervt.
Wir sitzen alle zusammen um einen recht großen Tisch in der Nähe von Max' Büro. Der Raum ist recht hell und modern eingerichtet, ganz im Gegensatz zu der eher dunklen, gemütlichen Einrichtung des Speisesaals. Der Boden ist mit weißen Fliesen ausgelegt, die Wände hellgrau gestrichen. Es wirkt so steril hier. Auch der weiße Tisch und die dazu passenden Stühle verstärken den Eindruck nur noch.
Max eröffnet die Besprechung mit einer kurzen Begrüßung.
"Schön, dass ihr alle hier seid. Morgen findet die Zeremonie der Bestimmung statt. Wir haben uns überlegt, dass es dieses Jahr nur zwei Ausbilder geben wird. Einer für die gebürtigen Ferox und einer für die Fraktionswechsler. Die gebürtigen Ferox wird Lauren übernehmen." Er pausiert kurz und ich lasse meinen Blick zu ihr rüber schweifen. Sie ist eine gebürtige Ferox. Vermutlich hat sie das schon des Öfteren gemacht. Ich bin mir sicher, dass sie ihre Aufgabe gut meistern wird.
"Die Fraktionswechsler wird Four trainieren", sagt Max. Überrascht blicke ich auf. Ich habe nicht damit gerechnet, schon jetzt alleine eingesetzt zu werden.
"Der Trainingsplan sieht wie folgt aus: Zuerst werden die Grundtechniken beigebracht. Nahkampf steht dieses Jahr an erster Stelle. Anschließend kommt schießen und Messerwerfen. Ihr beiden macht die Initianten so fit wie nur möglich. Es stehen euch genau diese paar Wochen zu Verfügung um die Initianten auf ein und denselben Stand zu bringen..."
"Ich hätte einen Einwand bezüglich des Trainingsplans", rufe ich ungehalten dazwischen. "Meiner Meinung nach ist das Werfen von Messern völlig veraltet. Das braucht man eigentlich nicht mehr und daher sollten wir es aus der Ausbildung rausnehmen. Diese Zeit könnte man wesentlich sinnvoller nutzen!" Eigentlich dient das Werfen nur um den gewöhnlichen Ferox-Stolz zu zeigen und sich gegenseitig herausfordern zu können. Hoffentlich gehen sie auf mein Angebot ein. Aber natürlich hat Eric auch etwas dazu zu sagen: "Deine Meinung wurde hier nicht gefragt, Four. Das Messerwerfen hat eine lange Tradition und gehört seit jeher zu der Ausbildung dazu, es jetzt einfach wegzulassen wäre eine Schande unserer Traditionen und Rituale. Es gehört einfach in die Initiation." Sein gehässiger Gesichtsausdruck scheint nur mir dabei aufzufallen.
"Im Gegenteil", setzt er an. "Wir sollten sogar die Vorschriften noch verschärfen, noch mehr auf die alten Traditionen eingehen! Bei dem Zweikampf sollten wir ein Aufgeben unmöglich machen!" Sollen sich die Initianten etwa zu Tode prügeln?!?
"Das halte ich für keine sonderlich gut Idee!", mische ich mich wieder ein, doch ich werde ignoriert. Alle scheinen quasi an Erics Lippen zu kleben.
"Warum sollten wir sowas machen, Eric?", fragt Max nicht desinteressiert.
"Nur Feiglinge winseln um Gnade. Und wir sind die Fraktion, die gerade für ihren Mut bekannt ist! Da sollten wir auch keinerlei Feiglinge in unseren eigenen Reihen dulden!"
"Es ist auch mutig, sich selbst einzugestehen wenn man einem Gegner unterliegt", werfe ich ein.
"Wir brauchen mehr Willensstärke, mehr Konkurrenz! Lasst uns eine Art Wettbewerb unter den Initianten hervorrufen!"
Begeisterte Blicke von den Anführern.
"Und wie stellst du dir das vor?", fragt Max.
"Wir verstärken die Belastung und den Druck, der durch die Initiation schon herrscht. Die Initianten werden noch härter rangenommen und es wird keinerlei Gnade bei den Kämpfen geben. Wer sich gegen die Regeln stellt, wird hart diszipliniert. Nur die Starken werden unterstützt, die Schwächlinge auf der Strecke zurückgelassen. Außerdem sollte man die Angstlandschaft am Anfang der Initiation weglassen. So erhöht man die Spannung und die Nerven werden durch den zusätzlichen Druck, da sie keinerlei Zeit haben werden, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen, noch mehr gereizt werden. Dadurch kann man schnell erkennen, wer für ein Leben bei den Ferox gemacht ist und wer nicht. Es hätte im Nachhinein nur Vorteile, da durch die härtere Ausbildung auch die zukünftigen Ferox einen Vorteil hätten, wenn sie in Drucksituationen geraten.", schließt er seine Ansprache.
Ich bin am verzweifeln. Wenn ein solches System als Standard für die Initiation gelten würde, dann habe ich mich wirklich in den Ferox getäuscht. Wenn sie einen solchen Vorschlag annehmen, dann sind sie wirklich nur brutale Adrenalinjunkies.
Ich versuche ihnen das auszureden, aber Max hat seinen Entschluss bereits getroffen.
"Das ist ein guter Vorschlag, Eric. Du wirst überwachen, dass diese Vorschriften eingehalten werden und dich selbstständig um die Folgen für ein Missachten der Regeln kümmern", sagt Max und besiegelt damit mein Todesurteil. Ich hatte also jetzt selbst während der Ausbildung einen Beobachter. Als hätte er nicht schon mehr als genug mich im Visier!
Aber jetzt wird es für mich nur noch schwerer Marlene, Lynn und Uriah durch die Initiation zu helfen. Ich kann nur darauf vertrauen, dass sie genügend Kampfgeist besitzen und diese Folter überstehen.
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Tobias' Geschichte
FanfictionDiese Story beschreibt Tobias' Leben von dem Test bis zum Treffen mit Tris. Ich habe versucht mich in seine Gefühlswelt einzufinden und seine Beweggründe und Gedanken darzustellen. Aber lest selbst!