14. Kapitel

692 28 3
                                    

Mein Kopf fühlt sich schwer an, wie in Watte gepackt. Ich liege auf einem Bett. Meinem Bett. Die Sonne blendet mich durch die grauen Gardinen, die bei jedem Luftzug sich bewegen. Ich kann den Garten sehen. Er ist so trostlos. Wieso? Langsam setze ich mich aufrecht hin und schwinge die Füße über die Bettkante. Meine Zehen spüren die alten ausgeblichen Holzdielen, die im ganzen Haus verlegt wurden. Wie spät es wohl ist? Hoffentlich habe ich nicht verschlafen! Nein, sonst hätte mich Mum doch sicherlich geweckt. Das tut sie immer. Und wird sie auch immer tun. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Langsam stehe ich auf. Meine Gelenke knacken und ich lächle. Es hört sich lustig an. Knack. Ich unterdrücke ein Lachen. Ob sie wohl schon wissen, dass ich wach bin? Vielleicht sollte ich es ihnen sagen.

Ich durchquere das Zimmer. Mein Zimmer. Ich mag es. Es ist zwar leer, aber auch schön. Überall stehen so schöne alte Möbel rum. Sie sind aus Holz. Dann öffne ich die Tür und schleiche auf Zehenspitzen raus. Ich will nicht, dass sie mich hören. Ich will sie erschrecken. Leise kichere ich in mich hinein, während ich durch den Flur laufe, vorbei an den vielen hohen Türen. Dann tapse ich langsam die Treppenstufen herunter. Ich darf nicht laut sein, sonst hören sie mich und die Überraschung ist verdorben!

Als ich unten vor der Tür stehe, die in unsere Küche führt, bleibe ich stehen. Ich höre ein lautes Poltern. Was ist das? Dann sind da Stimmen. Sie unterhalten sich. Nein. Sie streiten. Schon wieder. Ich mag es nicht, wenn sie sich streiten.

"Du hast dich zu verhalten, wie ich es dir sage! Ich bin dein Ehemann, Evelyn! Wehe du gehorchst mir nicht..."

Ein Schluchzen. "Nein, Marcus. Ein Ehemann sorgt sich um seine Frau, redet mit ihr. Das machst du nicht. Du bist ein aggressiver Nichtsnutz. Ich würde lieber sterben, als das zu tun, was du von mir verlangst!"

Was passiert da? Wovon sprechen sie?

Wieder ein Poltern, jemand schimpft, ein dumpfer Aufprall. Dann ist alles still. Ob ich nachschauen soll was passiert ist? Lieber nicht.

"Ich würde mich wie ein Ehemann verhalten, wenn du dich wie eine Erwachsene verhalten würdest. Du bist und bleibst ein Kind. Noch dazu verziehst du mir Tobias! Er ist ein guter Junge gewesen, der auf seinen Vater gehört hat. Jetzt ist er so ungezogen und frech! Das gehört sich nicht. Die Leute werden reden. Es ist wahrscheinlich das Beste, wenn du tot wärst. Und so langsam wünsche ich mir das auch!"

"Nein. Du kannst mir vielleicht meine Taten nicht verzeihen, aber lass Tobias da raus. Er verdient ein glückliches Leben, ein Leben, das du ihm niemals bieten kannst. Denn dafür bist du zu bestimmend, zu kontrollierend. Ich hasse dich. Ich hasse dich von ganzem Herzen. Und ich werde gehen. Das verspreche ich. Du wirst mich nie wieder zu Gesicht bekommen. Aber nur unter einer Bedingung: Tobias bleibt bei dir. Dort wo ich hingehe kann er mir nicht folgen. Und du wirst dich wie ein Vater verhalten. Wenn er soweit ist lässt du ihm die Wahl. Dann gehe ich."

Er lacht. Es ist kein freundliches Lachen, es ist ein Ich-bin-es-so-viel-schlauer-als-du-und-du-redest-völligen-Quatsch-merkst-du-das-eigentlich-nicht?-Wie-blöd-bist-du-denn?!-Lachen. Ich habe es schon von vielen Leute gehört, aber noch niemals von Vater. Vielleicht sollte ich doch hineingehen.

"Merkst du eigentlich wie du klingst? Du kannst mir nichts befehlen und das weißt du. Ich habe dich völlig in meiner Gewalt. Und Tobias auch. Und ich sage, dass du so bald wie möglich verschwindest und ich dich nie wieder sehen muss, verstanden? Du hast eine Frist von zwei Wochen. Danach sage ich allen die Wahrheit. Dann musst du dich mit der Empörung der Altruan herumschlagen. Dann ist das alles nicht mehr meine Sache. Du wirst zum Gespött der Leute werden, aber Tobias und ich nicht. Er wird das Leben führen, dass ich für ihn ausgesucht habe. Ein Leben als Altruan. Als gewissenhafter, gehorchender Junge. Nicht als freier und ehrlicher Mensch, der nicht weiß wem er zu gehorchen hat. Er wird nicht so wie du werden! Niemals. Ich werde ihn stärker machen, so wie ich es schon bei dir versucht habe! Und bei ihm wird es funktionieren. Das weiß ich. Denn er ist MEIN Sohn!"

Tobias' GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt