10. Kapitel

764 33 6
                                    

Dann beginnt das Training. Jeder bekommt eine geladene Waffe in die Hand gedrückt. Wir gehen an die gegenüberliegende Wand. Davor hängen jede Menge Zielscheiben mit jeweils drei roten Ringen. Amar geht auf sie zu, stellt sich breitbeinig hin und feuert. Es gibt einen lauten Knall. Er hat direkt in die Mitte getroffen.

"Jetzt seid ihr dran", sagt er. Es gibt keine weiteren Erklärungen. Ist ja auch nicht so als hätten wir noch nie eine Waffe in der Hand gehabt geschweige denn auf eine Zielscheibe gefeuert.

Nun nehme auch ich meine Waffe und stelle mich so hin, wie es uns Amar eben gezeigt hat. Ich ziele. Versuche es zumindest. Doch meine Waffe will nicht ruhig bleiben. Sie wackelt hin und her. Schon bald verliere ich die Geduld zu warten bis sie still in meinen Händen liegt. ich ziele kurz und schieße, ohne lange zu überlegen.

Der Knall ist ohrenbetäubend laut. Es schmerzt fast. Aber nur fast. Vielleicht sind alle Ferox ein bisschen schwerhörig. Nach diesem Krach kann ich mir das sogar ganz gut vorstellen. Bei dem Schuss bin ich jedoch nicht auf den Rückschlag gefasst und so donnert meine Hand nach hinten. Ich kann sie gerade noch rechtzeitig von meiner Nase fernhalten.

Als ich schaue, wo meine Kugel gelandet ist, merke ich, dass meine Scheibe unversehrt ist. Ich habe also danebengeschossen.

Also versuche ich es nochmal. Wieder ein lauter Knall, der Rückstoß. Diesmal jedoch nicht ganz unerwartet. Trotzdem werden meine Hände zurückgeschleudert. Nicht ganz so stark wie beim ersten Mal, immerhin etwas. Außerdem verliere ich das Gleichgewicht und muss die Waffe sinken lassen und einen Schritt zurücktreten. Auch diesmal ist die Scheibe ohne ein Einschussloch. Daneben. Schon wieder.

Also versuche ich es erneut. Und nochmal. und nochmal. Und nochmal.

Die Scheibe ist immer noch heil. Und ich bin ziemlich frustriert.

"Du lässt dich viel zu leicht ablenken."

Amar steht hinter mir.

Was meint er damit? Er scheint zu wissen was ich denke, denn er sagt zu mir: "Los, schieß noch ein Mal. Ich zeige dir was ich meine."

Wieder lege ich die Waffe an und ziele. In dem Moment, kurz bevor ich schießen will, klatscht Amar kurz und laut in die Hände. Ich zucke zusammen und schaue ihn irritiert an. Was sollte das?

"Siehst du? Du bist nicht konzentriert genug. Du denkst an zu viele Sachen auf einmal. Lass dich nicht so von deiner Umgebung ablenken."

"Aber wie soll ich das machen?", frage ich.

Er seufzt und schüttelt nur den Kopf. Bin ich zu doof dafür?

"Versuch mal deine Bewegungen mit deinen Atemzügen in Einklang zu bringen."

Er nickt mir auffordernd zu.

Also lege ich die Waffe an. Einatmen. Zielen. Ausatmen. Schießen. Die Waffe liegt ruhig in meiner Hand. Die Zielscheibe weißt ein Loch auf. Endlich.

Amar nickt, dann wendet er sich wieder den anderen zu.

Ich versuche nochmal zu schießen. Und siehe da: Erneut ein Treffer. Diesmal nicht nur ganz knapp am Rand, sondern mittiger. Nicht perfekt, aber für den Anfang nicht schlecht.

Ich brauche noch zwei weitere Versuche bis ich den innersten Kreis treffe. Dann durchströmt mich ein Gefühl der Zufriedenheit. Und auch der Macht. Ich fühle mich stark. Und das zum ersten Mal in meinen Leben.

Endlich haben wir Mittagspause. Ich gehe zum Speisesaal und setze mich zu den anderen Initianten. Eric scheint glücklicherweise an einem anderen Tisch zu sitzen. Neben mir sitzt der Junge, der Amar nach dem Ranking gefragt hat.

Tobias' GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt