8. Zugehörigkeit

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Es war Abend. Noch immer über Onyancopons Erzählung nachdenkend, saß ich mit Werner gemeinsam am Tisch des Hotelrestaurantes, welches heute die verschiedensten Meeresfrüchte servierte.

„Soweit ich weiß, stammt Levi von einer bestimmten Familie ab, die Stärke und selbst Kampffähigkeiten vererben kann. Er soll wohl einen Titanen nach dem anderen besiegt haben... Ich selbst habe ihn auch noch kennengelernt, bevor er durch eine Explosion schwer verletzt wurde..." ,hatte mir Onyancopon erklärt. „Aber wenn du mehr wissen willst, musst du ihn selbst fragen. Ich kenne die ganzen Geschichten nur von einer früheren Freundin."

Onyancopons Worte hallten in meinem Kopf nach. Ein wenig erstaunt hatte ich ihm gelauscht, hatte ich doch selbst in meiner Zeit als Spionin niemals Informationen über diese kampfbegabte Familie in Erfahrung bringen können. Generell – das musste ich zugeben – konnte auf Paradies fast alles möglich sein. Immerhin stammten von dort die Titanen, die den Völkern der Erde genauso ein Rätzel waren wie die sogenannte Verbundenheit aller Eldia. Nirgendwo sonst auf unserem Planeten gab es etwas Vergleichbares. Das Volk Ymirs schien in vielen Dingen etwas Besonderes oder gar Göttliches an sich zu haben.

In meinen Gedanken vertieft stopfte ich mir ein Stück Fisch in den Mund. Er war glücklicherweise nicht zu aromatisch, sodass er mit dem gereichten Gemüse harmonierte. Ich sah sie in Gedanken vor mir: Die Skizzen der Titanen, welche der Namensliste der Kandidaten für den nächsten Träger beilagen. Wenn ich mich richtig erinnerte, suchte das Militär damals als nächstes einen Soldaten für den Tiertitan. Doch zur Übergabe dieser Kraft war es niemals gekommen.

„Nun... Es scheint, als wärst du zurzeit sehr unkonzentriert, -dN-. Erst deine Verspätung und jetzt muss ich auch noch mit einer stummen Gattin speisen."

Werner sah mich ernst an. Auch er hatte seinen Teller mit einigen Fischhäppchen von der Platte, die in der Mitte des Tisches stand, befüllt, nur um bereits in diesem Moment das Interesse daran zu verlieren.
„Wo warst du den ganzen Mittag, -dN-?" ,fügte er beiläufig klingend hinzu. Seine Lippen waren leicht gespitzt, seine Aufmerksamkeit nun vollkommen auf mir fixiert. Auf mir und dieses Geheimnis, welches er zu lüften hoffte.

„Ich habe zufällig jemanden getroffen" ,meinte ich zunächst.
„Wen?"
Diese Nachfrage kam förmlich aus ihm herausgeplatzt. Ich schluckte schwerfällig. Als wären Werners Fragen Fesseln, hatte ich plötzlich das Gefühl, mich kaum mehr bewegen zu können. Jedes seiner Worte zog dabei die Schlingen enger. Jede seiner Gestiken band mich noch fester auf den Stuhl, der mir in diesem Moment meinen Platz zeigte. Krampfhaft hielt ich mein Besteck fest, während ich überlegte, was genau ich antworten wollte, um ihn endlich zufriedenzustellen und meine Ruhe zu bekommen.

„Sein Name ist Onyancopon. Er hat damals mit mir zusammengearbeitet. Wir waren befreundet. Mehr nicht..."
Werner nickte. Ganz langsam hob er seinen Krug an und nahm einen Schluck Bier, bevor er entspannt seufzte.
„Du solltest mir mehr erzählen! Es ist nicht gut, über Bekanntschaften zu schweigen, -dN-!" ,stöhnte er gleichzeitig heraus. Ich nickte kurz, während mein Blick auf den Resten der Fischplatte verweilte.

Was dieser Mann von mir wollte – das fragte ich mich, obwohl ich doch genau wusste, wonach er sich sehnte. Es war weder das Interesse an meinem Leben noch der Wunsch, von mir geliebt zu werden. Nein, Werner verlangte es nach Kontrolle. Er musste wissen, was ich wann tat, um mir Verbote oder Regeln vorzuschreiben. Er wollte diese Frau, die mein Vater ihm versprochen hatte, beherrschen, so wie er in seinem Unternehmen über das Geld herrschte und er wollte mich ebenso einsetzen, wann immer er es für richtig hielt. Ich biss mir auf die Zunge, als ich wieder daran dachte, warum er mich zur Frau genommen hatte.

„Haben wir morgen etwas vor?" , warf ich nun ein. Werner musterte mich kurz.
„Ich werde morgen einen Termin mit wichtigen Leuten haben. Es geht natürlich um Geschäftliches."
„Natürlich... Und sicher wäre es besser, wenn ich nicht dabei bin, richtig?" ,fragte ich, obwohl es schon eher eine Forderung an ihn war. Immerhin wäre es auch meine Gelegenheit zu Onyancopon zu gehen, ohne Werner davon zu unterrichten oder gar mitzunehmen. Besonders Letzteres würde mir doch nur den Abend vermiesen.

„Es wird eine reine Männerrunde. Dein Beisein wäre da eher unpassend" , erklärte Werner. Er ging anscheint davon aus, sich rechtfertigen zu müssen, dabei hatte ich nur eines im Sinn: Ihn wieder hinter mich lassen zu können.
„Dann warte ich auf deine Rückkehr" ,bestätigte ich ihn. Werners Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen. Leicht vorbeugend hob er sein Bierkrug an, so als würde er mir zuprosten.
„Du scheinst ja langsam doch zu verstehen, wo dein Platz ist" ,verkündeter er dabei. Auch ich lächelte.
„Natürlich, Werner..." ,sagte ich und fügte in Gedanken hinzu: „Jedenfalls nicht an deiner Seite."


Spin Off - Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt