13. Willkommen zurück

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Ein wenig schüchtern stand ich nun da. Meinen Koffer neben mir abgestellt, starrte ich auf die Tür, an welche ich eigentlich klingeln wollte, doch ich zögerte.

„Schicksal in die Hand nehmen... von wegen..." ,flüsterte ich mir zu und schluckte schwerfällig, als ich meine Hand langsam hob. Den Finger bereits auf dem Schalter abgelegt, hielt ich inne.

Rannte ich nicht von einer Abhängigkeit in die nächste? Was war ich für eine Frau, wenn ich nun nach Hilfe fragte – nein förmlich bettelte? Was war dann meine eigene Entscheidung noch wert? Ich wusste es nicht, doch meine Hände wurden schwitzig.

„-dN-, ich dachte schon, du bist abgereist" ,erklang es plötzlich.
Ich schrak auf.
Onyancopon kam soeben um die Hausecke flaniert. Einen Gehstock sowie einen Korb mit frischem Obst und Gemüse in den Händen haltend, lächelte er mich an. Wahrscheinlich war er auf den Weg nach Hause, denn vor diesem fand er mich nun errötet vor. Er musterte mich kurz, sah zu meinem Gepäck, nur um daraufhin hinzuzufügen: „Bist du schon auf dem Weg zum Hafen?"

Ich schüttelte den Kopf, während ich an meinem Fingernagel fummelte.

Kann ich reinkommen?" , fragte ich kurz ab. Er nickte.
„Klar."

Zögerlich folgte ich meinem alten Freund in sein Wohnzimmer. Von der Feier am gestrigen Abend war bereits nichts mehr zu erkennen. Die Flaschen waren weggeräumt, die Möbel ein wenig zurechtgerückt und sogar die Tische wirkten abgewischt. Verwundert stellte ich meinen Koffer neben einem Sofa ab und setzte mich. Onyancopon tat es mir gleich. Er beobachtete mich zunächst, schien sogar noch kurz abzuwarten, bevor er mich fragte:

„Was ist los, -dN-?"
Ein Seufzen entglitt mir.
„Ich bin gestrandet... Onyancopon... Eigentlich wollte Werner mit mir heute nach Hause fahren, aber ich bin im letzten Moment nicht mitgegangen" ,stotterte ich heraus.
„Mmh... Werner ist dein Ehemann?"
Ich nickte.

„Und du hast ihn einfach nach Hause geschickt?"
„Nein,... er..."
„Warum hast du ihn dann geheiratet?" ,unterbracht mich Onyancopon, während er ein Kissen packte, um es sich in den Rücken zu legen. Ich beobachtete dieses Verhalten, was mich an meinen Vater erinnerte, und hielt dabei inne.

„Na ja..." ,gab ich zunächst nur von mir. In Gedanken sah ich mich, wie ich mit Werner zusammen vor dem Altar stand. Wie er damals meine Hand gehalten hatte, sodass ich mich eingeengt gefühlt hatte. Und wie ich sie erst loslassen durfte, als ich dieses eine „Ja", was alles verändern sollte, aus mich herausgepresst hatte.
„Mein Vater hatte die Hochzeit organisiert, als ich zurückgekehrt war. Alles war schon geplant gewesen... Werner der perfekte Kandidat für mich... Und ich... Ich war so unglaublich enttäuscht von mir selbst gewesen... Da war mir das alles egal..."
„Dein Vater? War der nicht in der Politik tätig?" , harkte Onyancopon nach.
„Ist er noch immer. Weißt du... Nach der Hochzeit wollte ich einfach nur noch schreien. Meinen Vater, Werner oder einfach die ganze Welt anschreien, wie scheiße das alles ist... Aber ich habe einfach geschwiegen. Die ganze Zeit. Bis jetzt." ,erklärte ich. Mein Herz fühlte sich so schwer an. Bedrückt sah ich auf meine Hände, die einander rieben, so als seien sie kalt.

„Warum jetzt die Einsicht, -dN-? Erst lebst du damit und dann rennst du weg? Du hast dich ganz schön verändert..." ,warf mir mein alter Bekannter vor. Ich zuckte mit den Schultern, doch innerlich dachte ich an den Traum, den ich auf dem Steg gehabt hatte. Diese Eingebung, die in mir einen Schalter umgelegt hatte. Sie hatte mir so viele Dinge gezeigt, die mir ein Kribbeln in der Brust beschert hatten. Dinge, die ich niemals erleben würde und die mir doch Hoffnung gemacht hatten – auf was genau, das konnte ich selbst kaum begreifen.

„Na, ich kann mir schon vorstellen, warum."
Onyancopon grinste.
„Was?" ,rief ich heraus, bevor ich meine Lippen zusammenpresste, sodass mein guter Freund laut auflachte.
„Ich kenne dich gut genug, -dN-. Aber was anderes: Wo willst du jetzt unterkommen?"
„Na ja..."
„Dann bleib erstmal hier! In meinem Büro ist eine Couch, da kannst du gern erstmal schlafen. Die linke Tür dort" ,schlug Onyancopon vor und zeigte in Richtung der zwei Türen, die sich am Ende des Raumes befanden. „Rechts ist das Badezimmer. Richte dich ruhig ein und dann schauen wir weiter. Ich muss jetzt erstmal zur Arbeit."

Mein neuer Mitbewohner stand bereits auf, sodass ich ihn verwundert ansah.
„Danke, Onyancopon. Aber ich zahle dir das auf jeden Fall zurück" ,meinte ich.
„Stress dich nicht."
Onyancopon ging langsam zur Tür, wobei er einen Hut aufsetzte. Ich sah ihm nach, beobachtete ihn schon fast und spürte auf einmal eine Art Erleichterung. Im Gegensatz zu meiner Befürchtung hatte er mich wirklich nicht im Stich gelassen. Im Gegenteil: Ohne Kompromisse hatte er mir seine Hilfe angeboten und dabei weder Kritik noch einen Vorwurf geäußert.
„Ein wahrer Freund..." ,dachte ich, während ich meinen Blick durch die Wohnung schweifen ließ.

"Ach -dN-" , riss man mich aus meinen Gedanken. Erschrocken sah ich zu Onyancopon, der nun in der Tür stand und zu mir lächelnd zurückblickte.

"Willkommen zurück."


Spin Off - Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt