34. Der Aufklärungstrupp

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Wärme - das war es, was ich spürte, als ich an seinem Rücken lag. Meine Arme um ihn geschlungen, um meine Stirn nur noch fester an ihn zu pressen.

Ich atmete tief ein. Ich sog diesen Duft von mir und ihm in mir auf. Ich genoss es förmlich, während mein Herz langsam zur Ruhe kam, bis ich vollkommen entspannte. Und bis ich einschlief - dort, an diesem Mann gedrückt, den ich liebte, obwohl ich ihn doch kaum kannte.

Aber dies war nicht von Bedeutung, zählte doch nur das Gefühl zwischen uns. Diese Anziehung, die uns immer wieder zueinander geführt und förmlich einander aufgezwungen hatte, bis wir uns ihr hingegeben hatten. Schicksal - so hätte ich es genannt, doch ich wusste, dass Levi nur wenig davon hielt. Also tat ich es als Zufall ab und verdrängte meine teils zu romantischen Vorstellungen, bevor ich meine Augen endlich an diesem Abend schloss. 

Wie lange hatte ich wohl geschlafen, als ich mitten in der Nacht aufschrak und ihn so neben mir sah? Was hatte ich dabei gefühlt, als ein weiteres Mal die Erkenntnis nach mir griff - mir aufzeigend, dass Levi nicht das war, was ich mir wünschte. Mich daran erinnernd, dass sein Schicksal nicht einfach vergessen werden konnte, sondern das es uns begleiten würde - uns zerreißen würde - wenn es doch nur wollte.

Levi atmete schwer, als ich mich neben ihn auf die Bettkante setzte. Einer dieser elektrischen Laternen schien seitlich in das Zimmer hinein. Sie flackerte ein wenig und doch konnte ich dank ihr wenigstens seinen Schatten ausmachen. Diesen Schatten, der ihn in sich einhüllte. Ihn, diesen gebückten Mann, der seinen Kopf in den Händen hielt, so als könne er sich selbst kaum aufrichten. 

Zusammengekauert. Erschüttert. Zermürbt. 

Ich berührte seinen Rücken mit meinen Fingern, tastete mich an seiner Wirbelsäule hinauf, bis hin zu seinem Nacken, der kalt und feucht war. Mit zusammengepressten Lippen, strich ich durch sein Haar, bevor ich daraufhin seinen Namen flüsterte:

„Levi?" 

Ganz leise, denn er kam mir plötzlich so schwer über die Lippen. 

„Ist alles in Ordnung?" ,fragte ich zudem, sodass er nun endlich aufsah. Das Licht offenbarte mir sein Gesicht und doch hatte ich das Gefühl, in die Dunkelheit blicken zu müssen. Wie in einem endlosen Abgrund, welcher sich plötzlich auftat, schienen sich meine Augen zu verlieren. Orientierungslos in seiner Leere, die er mir entgegenwarf.

„Keine Sorge. Es ist wie immer..." ,antwortete er mir ruhig. Sein Ton ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Energisch schüttelte ich den Kopf.

„Was meinst du mit immer? Komm mir nicht mit..." 

Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Statt Mitleid empfand ich Enttäuschung. Statt Traurigkeit nur noch Wut. Ich kniff meine Augen zusammen, versuchte endlich mehr in diesem Gesicht zu erkennen, bevor er mich unterbrach:

„Beruhig dich...Ich habe nur geträumt..."

„Vom Krieg, oder?", platzte es förmlich aus mir heraus. Er nickte.

„Ich sehe es jede Nacht. Wie sie sterben... Jede Nacht den Tod von denen, für die sich die meisten noch nicht mal interessieren... die sie vergessen wollen " ,seufzte er. Ich atmete tief ein. Meine Finger bohrten sich in seine Schultern, um seinen Blick an mich zu fesseln.

 „Dann lass es nicht zu! Erzähl von ihnen!" ,forderte ich mit bebender Stimme. Doch Levi senkte nur den Blick. 

„Das ist Schwachsinn, -dN-..." ,zischte er. 

„Ach ja? Es zulassen, wäre Schwachsinn... Es einfach nur zulassen..." Ich schluckte schwerfällig, wobei ich ihn losließ. Meine Hände griffen einander, sich ineinander faltend, so als wollte ich mir selbst Halt geben. „Willst du noch nicht mal mir von ihnen erzählen?" ,fügte ich dabei hinzu. Es stach in meiner Brust.

„Ich habe dir schon genug..."

„Hast du nicht! Ich kenne noch nicht mal ihre Namen..." ,unterbrach ich ihn. Levis Augen weiteten sich. „Sag mir wenigstens die Namen derer, die dich begleitet haben... dann werde ich sie nicht vergessen..."

Erwartungsvoll sah ich ihn an. Wartend horchte ich in die Stille, die uns umgab, bis sein angestrengtes Stöhnen sie brach. Ich suchte seine Nähe, als es begann: Der Einblick in das Opfer seines Volkes. 

Und ich lauschte ihnen. 

„Erwin Smith, Hanji Zoe, Isabell Magnolia, Furlan Church,..."

Sie griffen durch das Licht nach mir.

„... Sasha Braun, Petra Ral, Auruo Bossard,..."

In Gedanken sprach ich mit ihnen. Mit jedem Einzelnen, von welchem ich mich verabschiedete, obwohl ich ihn nie gekannt hatte. Und ich dankte ihnen in dem Moment ihres Erklingens. 

„...Gunther Schultze, Eld Jinn, Mike Zakarius,..."

Für ihren Mut. Für ihren Einsatz. Für ihr Opfer, welches ihn zu mir gebracht hatte. Auch wenn ein Teil von ihm mit ihnen hinfortgerissen war - er war hier. Und er sprach ihre Namen voller Ehrfurcht. So lange bis ein Jeder von ihnen genannt war.  Jeder dieser Helden. Jeder seiner Kameraden. 

Jeder des Aufklärungstrupps. 


Spin Off - Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt