Noch immer füllte die Stille den Raum. Ich hörte meinen Atem, vernahm sogar den Schlag meines Herzens, der sich plötzlich viel zu laut bemerkbar machte, und blickte dabei in dieses Gesicht, welches mir voller Skepsis entgegensah.
Zunächst von dem Gefühl eingenommen, er hätte mich nicht verstanden, nur um im nächsten Moment zu erkennen, dass dieser Gedanke eher eine Hoffnung war, musste ich innerlich zugeben, dass sein Verhalten ganz anders als die Reaktion war, die ich mir zu meinem Geständnis gewünscht hatte. Denn Levi hatte nur die Augen ein wenig zusammengekniffen. Er starrte mich förmlich an und sagte vorerst nichts, bis er sich zurücklehnte, um sich dabei mit einer Hand durchs Haar zu fahren."Willst du Tee?" ,fragte er auf einmal, sodass ich zusammenzuckte.
"Na ja, ich..."
Levi unterbrach mich mit einem Handzeichen, woraufhin er mich ein wenig wegschob, um aufzustehen. Sich an einer Kommode anlehnend, knöpfte er sein Hemd zu. Die Augen nur auf seine Finger fixiert, so als wäre alles andere unwichtig - auch ich, die wie festgebunden noch immer auf dem Sofa saß und ihn anblickte, als hätte ich noch nie ein solches Prozedere gesehen.
Es war ein leichtes Zittern, welches mich überkam, als er sich nun endlich wieder an mich wandte:
"Ich habe Melisse da. Das beruhigt die Gemüter" ,bot er an und lächelte leicht. Meine Augen weiteten sich.
"Ähm, dann gern..." ,meinte ich nur. Ich knibbelte dabei an meinen Fingernagel, während er langsam den Raum verließ, sodass ich tief Luft holen konnte.
Irgendwie froh, kurz für mich zu sein, sah ich mich um. Obwohl meine Gedanken wie von selbst zu kreisen schienen, suchte ich förmlich die Umgebung nach Dingen, die von Interesse waren, ab. Einige Bücher - ich fragte mich, ob ich die falschen Wort gewählt hatte. Ein Gemälde von den Bergen - vielleicht war dies weder der richtige Ort noch der geeignete Zeitpunkt gewesen. Eine Art Schwerter? Ohne weiter nachzudenken, sprang ich nun auf und ging auf sie zu.Es waren sonderbare Waffen. Klingen, welche mit einem Harken sowie Abzug versehen und durch Kabel mit Kästen verbunden waren. Die gesamte Konstruktion lag auf einer Kommode, gebettet in einem weißen Tuch und strahlte mir vor Sauberkeit entgegen, so als wäre sie niemals zum Einsatz gekommen.
Aber ich wusste es besser, kannte ich doch die Geschichten, die wahrscheinlich auch diese Klingen erlebt hatten. Jene, welche von den Kämpfen gegen die Titanen handelten, aber auch solche, die den Angriff auf Marley beschrieben. Damals hatten die Teufel der Insel mit ihrem Handeln unzählige unschuldige Opfer gefordert. Ich selbst hatte es einen Tag später durch Überlebende erfahren und war genauso überrascht wie die meisten in Marley gewesen. Doch im Gegensatz zu früher kannte ich heute den Grund, warum so viele Soldaten und sogar die Trägerin des Kriegshammer-Titans bei diesem Angriff gefallen waren. Denn Willen, Können und vielleicht auch irgendein Fluch oder Segen hatte die Eldia vorangetrieben, um die Welt zu überrollen. Der Junge, der die Walze ausgelöst hatte, war dabei wahrscheinlich nur das letzte Puzzleteil eines grauenhaften Schicksals gewesen. Eines Schicksals, welches diese Menschen einfach nur hinter sich lassen wollten, aber niemals konnten.
Auch jetzt nicht.
Auch Levi nicht.
Ich seufzte schwerfällig, bevor ich vorsichtig mit meinem Zeigefinger an einer der Klingen entlang glitt. Sie wirkte mittlerweile leicht stumpf. Mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht: Wann auch immer diese Waffe ihren letzten Einsatz gehabt hatte, Levi hatte mit diesen Schwertern das durchbohrt, was sich ihm in den Weg gestellt hatte. Ob Freund oder Feind - was wusste ich schon, von den Leiden, die er am heutigen Tag nur angedeutet hatte.
Das Klirren von Geschirr - es kündigte meinen Tee und damit die Möglichkeit an, ihn danach zu fragen. Leise setzte ich mich in Bewegung, ging ihm entgegen, um ihm noch in der Küche meine Tasse abzunehmen. Er nickte kurz. Sich an eine Wand lehnend, nahm er selbst einen Schluck des noch dampfenden Getränks, bevor er tief durchatmete, so als würde er den Duft und das Aroma förmlich in sich aufsaugen.
"Du guckst so, als würdest du wieder irgendetwas im Kopf haben..." ,seufzte er, nachdem er kurz zu mir herübergeschaut hatte.
"Na ja, ... ich habe deine Waffen gesehen. Sie stammen aus Paradies, oder?" Levis Blick verfinsterte sich kurz. Einen weiteren Schluck Tee nehmend, schien er zu überlegen, bevor er dann zugab:
"Richtig. Sie sind das Letzte, was mir aus meiner Zeit dort geblieben ist. Sie und das Abzeichen des Aufklärungstrupps, was du ja schon gefunden hattest."
Ich schluckte schwerfällig.
"Mach dir nichts draus. Es ist mir scheißegal, ob du herumschnüffelst oder nicht... Du scheinst es eh nicht lassen zu können" ,fügte er nun hinzu, sodass ich meine Lippen zusammenpresste, doch er? Er lächelte.„Musst du morgen arbeiten?" ,fragte er nun, so als sei seine vorherige Bemerkung bedeutungslos gewesen, wobei er zum Fenster sah. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein, morgen ist weder Markt noch eine Anlieferung. Zum Glück...." ,erklärte ich.
Hastig nahm ich daraufhin einen Schluck Tee und klammerte mich ein wenig an meine Tasse. Mir waren seine Worte immer noch unangenehm, auch wenn er mit ihnen Recht gehabt hatte, war ich doch nichts weiter als eine kleine Schnüfflerin. Diese Erkenntnis - sie brachte mich fast zum Beben und wog gleichzeitig schwer auf meinen Schultern.
"Dann bleib doch..." ,meinte er plötzlich. Aus meinen Gedanken herausgerissen, starrte ich ihn an.
"Was?"
"Bleib, wenn du willst und wenn du..." Er hielt kurz inne, suchte wahrscheinlich nach den richtigen Worten, nur um dann in seine Tasse blickend zu murmeln: "Und wenn du mich nicht wie eben gleich wieder überfällst!"
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Spin Off - Grenzen vergessen Levi x Reader
Storie d'amoreWer sagt, dass das Schicksal immer gleich ablaufen muss? Wer meint zu wissen, wie sich ein Moment auswirken kann, während ein Andere das ganze Leben in sich verschluckt? Wer weiß schon, was das richtige Ende ist und was vielleicht nur ein Traum war...