Niemand - das war nicht nur ein Wort. Es beschrieb ein Gefühl, eine Erinnerung, vielleicht sogar ein ganzes Leben. Sein Leben, dieses Dasein, welches er über dreißig Jahre lang ertragen hatte - bis zu diesem Tag, an dem er es mir offenbarte. Ich schluckte schwerfällig, bevor ich ihn dazu drängte: „Wie meinst du das? Hast du dort keine Familie, Bekannte, frühere Kameraden?"
Jeder Vorschlag, der mir in den Kopf kam, betonte ich vollkommen überzogen, um ihm irgendeine Lösung vorzuhalten, doch sein Blick veränderte sich nicht.
„Ich bin in der Unterwelt aufgewachsen, -dN-. An dem Ort, wo Menschen krepieren, ohne das es irgendwen interessiert. Meiner Mutter war es auch so ergangen. In einem kleinen, stinkenden Zimmer..." ,stöhnte Levi, bevor er mich nun ansah. „Ich war noch ein Kind und lebte seitdem allein, bis ich mich mit Freunden durchschlug, nur um später zu sehen, wie sie an der Oberfläche von Titanen gefressen wurden. Erst sie, dann andere, immer und immer wieder..."
Ich hielt die Luft an. Seine Stimme immer leiser werdend, versuchte ich keine einzige Bewegung zu machen, nur um keines seiner Worte zu überhören. Angestrengt blickte ich dabei in seine Augen, die leer und ausdruckslos wirkten, fast so als erzählte er eine Geschichte, die er irgendwo aufgeschnappt hatte. Und doch - es war die seine.
„Aber..." ,meinte ich, während meine Finger in den Stoff meiner Bluse griffen und diese rieben. Meine Stimme stockte.
„Hast du im Krieg gedient?" ,warf Levi plötzlich ein. Er hatte erkannt, dass mir die Gedanken förmlich im Halse feststeckten. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein... Mehr als den Angriff auf Marley habe ich nicht erlebt und das konnte man ja nicht gerade..."
„Dann kannst du es nicht verstehen..." ,unterbrach er mich. „Wie man irgendwann nur noch handelt und trotzdem allen beim Sterben zusieht. Es ist jedes Mal aussichtslos... Bis irgendeine neue Hoffnung dich vorantreibt und du weitermachst...Selbst wenn du deine eigenen Leute abschlachten musst."
Ich presste meine Lippen zusammen, als ich erkannte, wie es in seinen Augen zu glänzen begann - ganz leicht und doch zerriss es mich innerlich: Dieser Anblick, der mir verriet, wie tief diese Erlebnisse in ihm eingebrannt waren. Langsam lösten sich meine Finger von dem Stoff, der wahrscheinlich bereits zerknittert war. Jeder einzelne versuchte die mittlerweile krampfhafte Haltung zu lösen, nur um daraufhin in Levi's Haar einzutauchen. Ich drückte meine Daumen auf seine Stirn, zeichnete dabei seine Narben nach und sah ihm zu, wie er die Augen schloss, so als würde er ein wenig Ruhe finden.
„Es tut mir leid..." ,flüsterte ich, während er zögerlich meinen Arm berührte.
„Vergiss es einfach!" ,meinte er dabei leise. Seine Hand mich zu ihm ziehend, bis ich neben ihm saß, blickte er mich skeptisch an, so als wartete er darauf, dass ich zustimmen würde. Doch ich tat es nicht, denn insgeheim wusste ich doch, dass ich es nicht konnte: Dieses Schicksal, welches ihn einst geprägt hatte - wie einen Schatz verschloss ich es stattdessen tief in mir, nur um daraufhin leicht zu lächeln.
„Als ob..." ,sagte ich trotzig, bevor meine Lippen die seinen fanden.Salzig und bitter - so schmeckte er, als er meine Zunge empfing. Erst zärtlich, dann immer wilder suchten meine Hände seinen Körper, bis ich ihn auf das Sofa drückte, sein Hemd öffnend, um die gesamten Zeichen des Krieges auf ihm vorzufinden, doch ich ignorierte sie. Nein - in diesem Moment wollte ich ihn nicht mehr bemitleiden, denn dieser Augenblick gehörte nur uns. Nichts weiter, als das, wonach ich mich sehnte, sollte er sein. Nichts weiter als ein Objekt meiner Begierde, das Ziel meiner Lust oder einfach nur der Mann, der hoffentlich mein Verlangen zu stillen wusste - so wie ich einen jeden sehen würde, den ich genießen wollte.
Also suchten meine Finger nach den Stellen, die ihn zum Seufzen brachten, nur um mich ihm dabei aufzuzwingen. Ich lauschte ihm, berührte immer wieder seinen festen Oberkörper, bis ich bereits den Knopf seiner Hose öffnete. Doch er stoppte mich.„Kannst du wie immer nicht warten?" ,fragte er dabei vorwurfsvoll, bevor er mich am Hals küsste. Sein Haar kitzelte mich. Sein Atem brannten auf mir. Leise stöhnend, setzte ich mich ruckartig auf seinen Schoß, nur um zu erkennen, dass er es genauso sehr wollte wie ich. Doch er zögerte.
Es war sein Blick - er reichte, um mir zu verraten, dass in ihm eine Unsicherheit tobte, die ich nicht zu erkennen im Stande war. Ich biss mir auf die Lippe, sah ihn fragend an, während er nur meine Hand nahm.
Unsere Finger glitten ineinander. Einer nach dem anderen berührten sie sich, sodass es in ihren Kuppen zu kribbeln begann. Und ich beobachtete dieses Spiel, so wie er es tat - stumm und verträumt.
Eine unglaubliche Ruhe kehrte plötzlich ein. Warum nur wurde mir so schwer ums Herz, als mein Puls sich langsam legte? Warum bereute ich schon fast diesen Versuch, ihn mit mir fortzureißen, obwohl mein Körper immer noch danach rief? Ich knirschte kurz mit den Zähnen, räusperte mich sogar, bevor ich es endlich erkannte:
Da war ein Geheimnis zwischen uns - eine Sache, die er wie ich nicht ausgesprochen hatte und doch begleitete es uns seit einiger Zeit wie ein Schatten, der nur ein Licht benötigte, um sich endlich zu zeigen. Fühlbar. Ganz deutlich. So laut, wie ich es in diesem Moment gestand:„Levi, ich liebe dich..."
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Spin Off - Grenzen vergessen Levi x Reader
RomanceWer sagt, dass das Schicksal immer gleich ablaufen muss? Wer meint zu wissen, wie sich ein Moment auswirken kann, während ein Andere das ganze Leben in sich verschluckt? Wer weiß schon, was das richtige Ende ist und was vielleicht nur ein Traum war...