Ich habe es gewagt.
Ich bin tatsächlich aus dem Fenster geklettert.
Wie damals, als ich noch ein vierzehnjähriges Mädchen war.
Habe die Kissen unter meiner Bettdecke so drapiert, dass es aussieht, als würde ich friedlich darunter schlummern.
Warum ist mir die Idee nicht damals schon in den Sinn gekommen?
Vater hat die Angewohnheit, seit dem Vorfall vor drei Jahren, hin und wieder in der Nacht nach zu mir sehen.
Es ist deutlich seltener geworden.
Aber ich will's nicht riskieren.
Dass Damaso ebenfalls aus dem Haus ist, wie fast jeden Abend, beruhigt mich ein wenig.
So ist die Chance erwischt zu werden deutlich geringer.
Vater hat ihn auf mich angesetzt wie einen Spion.
Gedrillt zu einem großen Bruder, der mich vor jedem männlichen Wesen und die Gefahr die von ihnen ausgeht, zu beschützen.
Manchmal habe ich das Gefühl, Damaso wird mal genauso wie er.
Selbst Paolo, der keiner Fliege etwas zuleide kann, traut er nicht über dem Weg.
Ich frage mich wirklich, wo er sich jeden Abend so spät herumtreibt.
Wenn ich Damaso frage, druckst er jedes Mal herum und sagt, es würde mich nichts angehen.
Hauptsache ihn geht es etwas an, was ich tue, wenn ich das Haus verlasse.
An einem Samstag Mittag.
Auf dem Weg zur Bibliothek.
Oder wenn ich fünf Minuten später nach der Schule das Haus betrete.
Okay, er ist fast fünf Jahre älter als ich, dennoch durfte er auch schon mit siebzehn das Haus verlassen, wann immer ihm danach war.
Ich persönlich habe ja die Vermutung, dass er eine Freundin hat.
Viel zu oft hängt er an seinem iPhone, telefoniert andauernd und ist bis spät in die Nacht unterwegs.
Aber das interessiert Vater selbstverständlich nicht.
„Der Junge weiß was er tut.", sagt er dann.Draußen erwartet mich Ambra schon sehnsüchtig hinter der nächsten Ecke.
Bevor wir auch nur ein Sterbenswörtchen von uns geben, warten wir, bis wir auch an Paolos Fenster vorbei geschlichen sind.
Bei ihm brennt noch Licht und er hatte mir gerade eben erst geschrieben.
„Zita, du hast es wirklich getan, du kleine Rebellin!", kommt es beachtlich über die Lippen meiner besten Freundin mit einem beachtlichen Grinsen.
Ja, ich habe es getan und bereue es schon jetzt.
Einen kurzen Augenblick habe ich tatsächlich überlegt, einfach im Bett zu bleiben und ihr am nächsten Morgen zu schreiben, dass ich eingeschlafen bin.
Aber wenn ich ehrlich bin, bin ich selbst neugierig auf das, was mich gleich erwartet.
Ambra tippt die „geheime" Adresse des heutigen Schauplatzes in ihr iPhone und wir machen uns zu Fuß durch die Gassen Florenz' auf den Weg zu unserem heutigen Ziel.
Als das Navi uns nach circa zwanzig Minuten unsere Ankunft mitteilt, ist es kaum zu übersehen, dass wir hier richtig sind.
Schon aus mindestens einem Kilometer Entfernung hat man die lauft aufheulenden Motoren wahrnehmen können.
Von geheim kann hier keine Rede sein.
Die aufgepimpten Wagen bilden in der Mitte des Schauplatzes eine Art Kreis.
Drumherum erleuchten brennende Fackeln die Dunkelheit.
Wer die wohl aufgestellt hat?
Scheinbar haben die Gangmitglieder irgendwelche Untertanen, die hier den roten Teppich ausrollen.
Ein wirrer Mischmasch diverser Songs die aus den verschiedenen Autoradios dröhnen, hallen in meinen Ohren wider.
Ein Song lauter als der andere.
Junge Mädels, nicht viel älter als ich lehnen lässig in knappen Outfits an den Karosserien.
Cagnas würde mein Bruder sie nennen.
Was so viel bedeutet wie Bitch.
Sie rauchen.
Sie feiern.
Sie trinken.
Hier und da wird geknutscht.
Gepöbelt.
Geprügelt.
Das hier ist also der Ort, an dem sich all die Badboys Florenz' versammeln.
„Und was machen wir nun hier?", frage ich Ambra mit einem großen Fragezeichen auf der Stirn.
Mit meinem weißen Kleid und den Sandalen an meinen Füßen fühle ich mich zwischen den anderen tatsächlich ein wenig wie Maria.
Die Unschuld in Person.
Ich rauche nicht.
Ich feiere nicht.
Ich trinke nicht.
Geknutscht habe ich auch noch nicht wirklich.
Die Küsse mit Paolo kann man eher als Gute-Nacht-Kuss von Mami bezeichnen.
Ganz anders als in meinen Büchern.
„Wir feiern, was dachtest du denn? Guck mal der da, der ist sowas von hot.", entgegnet Ambra und deutet dabei mit ihrem Finger auf eine kleine Gruppe von Typen in nächster Nähe.
Der den sie meint, hat mittellanges braunes Haar und um seinen Kopf ein schwarz-weißes Bandana gebunden.
Er erinnert mich ein wenig an Gigi aus unzähligen Trashformaten.
Alle drei tragen Lederjacken mit demselben Symbol auf der Brust.
Wie in einer Gang eben so üblich.
Als ich sie genauer betrachte, sticht mir einer der Typen ganz besonders ins Auge.
Mt einem Mal klopft mein Herz wie wild.
Es ist der komische, ungezogene Typ aus der Bibliothek.
Er hat eines der freizügigen Mädels im Arm, welches sich fest an ihn schmiegt.
Sie teilen sich eine Zigarette und scheinen sowas wie ein Paar zu sein.
Ehe ich schalten kann, hat er mich auch schon entdeckt.
Na klasse.
In meinem Kopf bereite ich mich schon auf die nächste dümmliche Konversation mit ihm vor.
Er löst den Arm, welchen er gerade noch um das Mädchen geschlungen hielt von ihr und steuert geradewegs auf uns zu.
„Na, wenn das nicht Maria ist. Was treibt so ein..., braves Mädchen wie dich hierher?", kommt es spöttisch über seine Lippen, während er mir seinen Zigarettendampf bedächtig entgegen pustet.
Ich kämpfe damit, nicht in einen Hustenanfall zu geraten.
„Kennst du den Typ, Zita?", mischt sich Ambra entsetzt ein.
„Nein, wir kennen uns nicht!", antworte ich trocken und schaue ihm ohne eine Miene zu verziehen, in seine tiefbraunen Augen.
„Das macht mich jetzt aber traurig, dass du nach unserer schicksalshaften Begegnung meine Wenigkeit leugnest.", erwidert er mit einem spöttischen Grinsen auf den Lippen.
Er nimmt den letzten Zug seiner Zigarette, pustet mir den Dampf erneut entgegen und schnipst sie lässig von sich.
Ich hasse Zigaretten.
Ich hasse Zigarettenrauch.
Aber ich finde es gar nicht schlecht, wie großartig er mir den Rauch entgegen haucht.
Habe ich jetzt wirklich großartig gedacht?
Er ist betrunken.
Volltätowiert .
Er raucht.
Trägt Ohrschmuck.
Er ist überhaupt nicht mein Typ.
Hat kugelrunde braune Knopfaugen.
Ist groß.
Muskulös.
Die perfekte Jawline.
Trotzdem ist er nicht mein Typ.
Er ist ein Badboy.
Vielleicht so einer wie in den Erzählungen meiner Bücher?
„Wollt ihr was trinken Mädels, oder hältst du dich etwa von Alkohol fern, Maria?", richtet er eine weitere Frage an mich.
Er ist sowas von nicht mein Typ.
Ich hasse ihn.
Außerdem fährt er Auto, während er Alkohol konsumiert.
Das macht man nicht.
Hat er in der Fahrschule nicht aufgepasst?
Ich schüttele verneinend mit dem Kopf.
„Wir wollten gleich wieder gehen, du A..."
„Liebend gern würden wir etwas trinken, stimmt's Zita?", unterbricht Ambra mich, noch bevor mir das Arschloch über die Lippen gekommen ist.
Dabei stößt sie mir mit dem Ellenbogen leicht in die Seite.
Er nickt gelassen und kehrt nur einen Augenblick später mit zwei Flaschen Bier in der Hand zurück.
„Für die Ladies."
Er reicht uns die Flaschen mit einem Zwinkern.
Ich zögere einen Augenblick, nehme dann aber einen Schluck, um seinem penetranten Blick auszuweichen.
„Willst du nicht wieder zurück zu deiner Freundin?", kommt es über meine Lippen, als mein Blick erneut auf das blonde Mädchen fällt, welches uns die ganze Zeit zu beobachten scheint.
Ohne ihre gebefreudige Fassade könnte man fast meinen, ein liebenswürdiges Wesen dahinter zu erhaschen.
„Sie ist nicht meine Freundin. Naja, vielleicht für heute. Morgen ist es wieder eine andere.", lacht der unheilvolle Typ gehässig und nimmt ebenfalls einen tiefen Schluck aus seiner Flasche.
So ein Arschloch.
Ich hasse ihn gleich noch viel mehr.
Nun blickt auch der Typ zu uns rüber, an dem Ambra scheinbar Gefallen gefunden hat.
Ich spüre förmlich ihr Herz klopfen, als auch er sich gemächlich auf uns zu bewegt.
„Amore.", spricht er sie säuselnd an, dann ist es auch schon um sie geschehen.
Keine zehn Minuten später hat sie sich mit ihm zu den anderen gesellt und lehnt nun ebenfalls gechillt an seinem Wagen.
Nun stehen das Arschloch, dessen Namen ich immer noch nicht weiß und ich, allein an Ort und Stelle.
Wäre ich doch einfach in meinem Bett geblieben.
Ich hätte mir denken können, dass ich es spätestens jetzt bereue.
Hier gibt es rein gar nichts, das ich verpassen könnte.
„Willst du nicht wissen, wie ich heiße, Maria?".
„Nein, weil du mich nicht interessierst.", entgegne ich ihm kess.
Er macht mich ganz schön nervös.
Das merke ich an meinem Atem, der nun viel schneller geht als sonst.
An meinem Herz, das nun viel schneller schlägt als sonst.
Sich beinahe überschlägt.
Daran, dass meine Finger sich angespannt um den Flaschenhals klammern.
„Ich heiße Fidelio. Das bedeutet so viel wie treu. Passt, findest du nicht auch, Zita?", witzelt er und wackelt dabei neckisch mit den Augenbrauen.
Für einen Moment frage ich mich, woher er meinen Namen kennt, dann fällt mir ein, dass Ambra ihn gerade eben noch erwähnt hatte.
Flirtet er etwa mit mir?
Fidelio der Treue.
Dass ich nicht lache.
Fidelio das Arschloch trifft es wohl eher.
Ich nicke bloß und nehme einen weiteren Schluck aus meiner Flasche, um der Konversation mit ihm aus dem Weg zu gehen.
„Felizitas bedeutet Glück. Das weiß ich, weil meine Großmutter so heißt. Vielleicht habe ich ja das große Glück, dir begegnet zu sein"
Er flirtet mit mir.
Bei der schlechten Anmache sollte sich mir direkt der Magen umdrehen.
Aber es passiert nicht.
Es passiert etwas anderes.
Ich lächele und er hat es gesehen.
Jetzt lächelt er.
Große Scheiße.
„Glaub ja nicht, dass deine schlechten Anmachen bei mir ziehen, Fidelio.", kontere ich, versuche mir dabei aber nicht anmerken zu lassen, dass es mir schon ein wenig gefällt, was er tut.
Es ist meine erste richtige Erfahrung mit Flirten.
„Ich habe dir schon einmal gesagt, ich stehe nicht auf so Jungfrauen wie dich. Du bist überhaupt nicht mein Fall, Süße."
Arschloch.
Alles an ihm schreit nach Arschloch.
Mit einem Mal macht er sich wieder unsympathisch.
Ich korrigiere: Er war mir nie sympathisch.
Vielleicht ein bisschen.
„Warum quatschst du mich dann jetzt zum dritten Mal an, hm?", platze ich heraus und ziehe einen Schmollmund.
Wegen ihm fühle ich mich plötzlich winzig.
Fidelio das Arschloch zuckt bloß mit den Schultern.
„Hm, da fragst du mich was.", meint er dann.
Ein kalter Schauer läuft mir in diesem Moment den Rücken herunter.
Trotz dass es Spätsommer ist, ist es am Abend relativ frisch. Das eiskalte Bier macht es nicht besser.
Natürlich habe ich bei meiner kleinen Flucht von Zuhause nicht daran gedacht, mir eine Jacke mitzunehmen. Ich wollte möglichst leise und schnell aus dem Fenster verschwinden.
„Dir ist kalt, du frierst. Nimm meine Jacke, Zita.", kommt es nun fast sorgsam über seine Lippen.
Wie aufmerksam.
Trotz dass er scheinbar ganz schön betrunken ist, ist es ihm gleich aufgefallen.
Er stellt seine leere Bierflasche auf den Boden.
Fidelio zieht seine Jacke aus und kommt ein ganzes Stück näher, um sie mir umzulegen.
Sein Duft strömt in meine Nase.
Der schönste Duft des anderen Geschlechts, den ich je wahrgenommen habe.
Eine Mischung aus Zigarettenrauch, Leder und seinem Eau de Parfum.
Die Jacke ist noch warm von seiner Haut und legt sich wie eine geheizte, schützende Decke um mich.
Schwachsinn, Zita. Es riecht einfach nach ranziger Lederjacke.
Nicht mehr und nicht weniger., versuche ich mich zurück auf den Boden der Tatsachen zu holen.
Ich hätte sein Angebot gar nicht ablehnen können, so schnell hatte er die Jacke auch schon um mich gelegt.
„Ich habe einen Freund. Er heißt Paolo.", höre ich mich mit einem Mal sagen.
Paolo, der Arme, der nichtsahnend in seinem Bett liegt.
Fidelio lacht laut auf.
Das kann er gut. Dämlich lachen.
„Bleib locker, Maria. Ich will dich nicht flachlegen, ich habe dir lediglich meine Jacke gegeben, weil du frierst. Abgesehen davon interessiert mich nicht, wie dein Macker heißt."
Ich spüre förmlich wie mir die Röte ins Gesicht steigt.
„Weiß dein Paolo wo du dich rumtreibst und dass du mit anderen Männern flirtest?"
Jetzt macht er mich wieder wütend.
Arschloch. Arschloch. Arschloch.
Mein Herz klopft schneller, als gerade eben noch.
Bis gerade eben wusste ich nicht, dass ein Herz so schnell schlagen kann.
Ich hätte mich gar nicht erst auf seine schwachsinnige Konversation einlassen dürfen.
Wenn Paolo wüsste, dass ich hier bin, wäre er mehr als enttäuscht von mir.
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Just like the guys in my books
Teen Fiction„Man empfindet es als Segen ihnen zu begegnen. Man fühlt sich entflammt und belebt. Doch am Ende entpuppen sie sich als bitterer Fluch". Devil Dick 😈 [ deh • vl • dik ] „Exceptionally good dick that happens to be attached to a fuckboy, who knows h...