Wie gewissenlos kann das Schicksal spielen, dass vier Menschen sich an Ort und Stelle begegnen, dessen Konstellation so absonderlich ist, dass es beinahe albern wäre, wenn es in dieser Situation nicht um Leben und Tod ginge?
Bis vor wenigen Minuten war ich noch fest davon überzeugt nicht mehr für diese Frau zu empfinden als freundschaftliche Sympathien und sexuelles Wohlwollen.
Jetzt aber knie ich in ihrem Blut und fühle mich, als würde ein Teil von mir zu Staub werden.
Sie ist schwanger und die Antwort auf ihre Gefühlswallungen war so nah, dass es fast schon zu einfach gewesen wäre, diese Scharade zu entschlüsseln.
Wie lange weiß sie von dieser Schwangerschaft und hatte sie je vor, mich darüber in Kenntnis zu setzen?
Besteht ein Hauch von Möglichkeit, dass dieses Baby, von mir sein könnte?
Wahrscheinlich nicht, sonst wäre nicht er derjenige, der dieses Ultraschallbild in seiner Hand hält.
Ist er schuld daran, dass sie blutüberströmt am Boden liegt, als eine Art Reaktion auf ihr Geständnis?
Die Reaktion eines selbstsüchtigen Betrügers, dessen letzte freudige Überraschung ein Kind wäre, dass man ihn wider Willen unterjubelt?
So weit würde er nicht gehen, auch wenn er in meinen Augen nichts weiter als Abschaum ist.
Wäre er schuld daran, würde er nicht hier ab Boden knien und um ihr Leben bangen.
Alles an ihm wirkt wie eine trügerische Fassade, aber seine Tränen, sie sind echt.
Anhand all ihrer Erzählungen hätte ich es nie für möglich gehalten, aber er scheint tatsächlich etwas für sie zu empfinden.
Auch wenn es ihm scheinbar erst klar wird, wenn es vielleicht zu spät dafür ist.
Um nicht länger mit ihm darüber zu diskutieren, wer sie ins Hospital begleitet und da sie nicht in der Lage ist, diese Entscheidung selbst zu fällen, gebe ich nach dem Motto: „Der Klügere gibt nach", auf und gewähre ihm den Vortritt.
„Sie können ihr doch helfen, oder? Sie wird es doch überleben, habe ich recht? Sie ist schwanger, hören sie, sie ist schwanger!", kommt es flehend über seine Lippen, als er sich nur widerwillig von ihr löst, um sie in die Hände des Notarzt zu übergeben.
Er sieht mich an und sein Blick steckt voller Elend.
Er hat nicht bemerkt, dass sie die ganze Zeit unmittelbar in unserer Nähe steht und dieses filmreife Trauerspiel beobachtet.
Ich habe sie bemerkt, doch ich traue mich nicht hinzusehen, denn das würde bedeuten, dass ich ihr eine Rechenschaft schuldig bin.
Für mich ist die Sache weniger schlimm, denn ich wusste von Anfang an, dass sie diesem Beelzebub verfallen ist und sie sich nie zwischen ihm und mir entscheiden wird.
Für sie ist es schlimm, denn die beiden Männer, für die sie je etwas empfunden hat, knien nun beide samt vor dieser Frau, die ihr neu gewonnenes Glück untergraben hat.
Im Grunde genommen, bin ich ihr diese Rechenschaft nicht schuldig, aber ich war lange Zeit ein großer Teil ihres Lebens und habe sie mit der Liebschaft zu Maja hintergangen.
Es hätte jede andere Frau sein können, aber dass sie es ist, wird es für sie ans jenseits ihrer Schmerzgrenze bringen.
„Ich fühle keinen Puls", faselt der Notarzt gedankenlos vor sich hin, während er erst Fidelio und dann mir einen entschuldigenden Blick zuwirft.
„Was soll das heißen, sie fühlen keinen Puls? Verfickte Scheiße, sie sind Arzt, also sehen sie zu, dass sie das wieder in Ordnung bringen", schreit er laut aus, als er den Arzt verzweifelt bei Kopf und Kragen packt.
„Hören sie, ich gebe mein Bestes, aber dazu müssen sie mich meine Arbeit machen lassen. Ich verstehe, dass sie sich um ihre Freundin sorgen, aber wenn sie mir helfen wollen, dann hören sie verdammt noch mal damit auf, mich dabei zu unterbrechen", ermahnt der Arzt ihn, während er Fidelio und mich bittet, von ihr abzulassen.
Nacheinander erheben wir uns aus ihrer Blutlache, während wir hilflos daneben stehen, umringt von unzähligen Schaulustigen.
Der Notarzt beginnt mit den nötigen Maßnahmen, während zwei weitere Sanitäter ihm zu Seite stehen und seinen Anweisungen folgen.
Jedes Mal, wenn er seine Handflächen auf ihren Brustkorb presst, sickert frisches Blut aus ihren Wunden.
Nie zuvor habe ich gesehen, dass ein einziger Mensch, solch eine Menge an Blut verlieren kann.
Mir wird flau und mein Magen dreht sich um, während ich dem Spektakel mitfiebernd und innerlich betend folge.
Die angespannte Stimmung die auf dem Marktplatz herrscht, ist kaum in Worte zu fassen.
Plötzlich ist alles still, bis auf ein paar leise ausgesprochene Gebete, die aus allen Ecken nachhallen.
Hin und wieder hört man jemanden Seufzen und Klagen, dennoch so gedämpft, dass man ausschließlich das leise Surren des Pulsmessers wahrnimmt.
„Wir haben sie", triumphiert einer der Sanitäter, als plötzlich ihre Augenlider beginnen zu zucken.
„Bleiben sie bei uns und versuchen sie ganz ruhig zu atmen, sie haben sehr viel Blut verloren", kommt es über die Lippen des anderen, der ihr sanft über ihr Haar streicht.
Fidelio drängt sich zwischen die Rettungsassistenten, als sie Maja auf eine Bare gebettet haben, um ihre Hand zu halten.
„Ich bin bei dir, Dolce. Hörst du? Ich liebe dich", wiederholt er greinend, während er hilflos über ihre Wange streicht.
Immer wieder kommt mir in den Sinn, dass Zita unmittelbar in unserer Nähe steht und hört, wie er dieser Frau immer wieder seine Liebe gesteht.
Gerade eben noch war da dieser Hoffnungsschimmer, der schnell wieder verfliegt, als sie sich an ihren eigenen Worten zu verschlucken scheint.
Noch immer flackern ihre Augenlider wild auf und ab, während ihr Blick voller Panik steckt.
Sie zittert am gesamten Leib, als würde sie trotz dieser sommerlichen Temperaturen frieren und ringt dabei schwer nach Luft.
Während sie ihren Mund öffnet, um ihre Lippen zu einem Wort zu formen, dringt ein Schwall Blut aus ihrem Mund.
Wieder und wieder übergibt sie sich an ihrem eigenen Lebenssaft, während die Sanitäter ihr Bestes versuchen, um ihr in dieser kritischen Lage zu helfen.
Schlagartig dreht sie ihre Augen nach hinten, sodass man bloß noch das Weiß in ihren Augen sieht und lässt ihren Kopf mit einem Mal entkräftet zur Seite sacken.
Trotz allen Optimismus, hat sie diesen gravierenden Kampf noch lange nicht gewonnen.
Wieder wird mir bewusst, dass das was gerade passiert, über Leben und Tod entscheidet.
„Wir haben sie wieder verloren", schluchzt einer der Sanitäter, der die Sache näher an sich ran lässt, als er sollte.
Die Meute wütet und zetert, was die Gegebenheiten und den Druck der permanent auf die Sanitäter ausgeübt wird, nicht gerade besser macht.
„Sie hat eine innere Blutung, bereitet alles für die Defibrillation vor", entgegnet ihm der Notarzt, der ihr einen Zugang legt, während die Sanitäter sie in Richtung Krankenwagen rücken.
Fidelio steigt unter Tränen zu ihr ins Fahrzeug.
Als sich die großen Metalltüren hinter ihnen schließen, schauen alle bekümmerten Gesichter ihnen nach.
Kaum hat der Krankenwagen unter lauten Sirenenlauten und mit quietschenden Reifen den Platz verlassen, tauchen mehrere Streifenwagen auf, um den Tatbestand abzuklären.
Es sind Schüsse gefallen und jetzt bleibt es nur herauszufinden, ob es sie absichtlich getroffen hat oder ob es durch Zufall erwischt hat.
„Ich habe einen schwarzen Wagen gesehen".
„Jemand hat aus dem geöffneten Fenster auf sie geschossen".
„Das war Mord!".
Aus allen Ecken dringen lautstarke Hypothesen aller Anwesenden, die sich vorbehaltlos auf die Kriminalbeamten stürzen.
Ich schließe mich der restlichen Beobachtern an und verschwinde in der Menge, als sie vor mir steht.
„Zita, mi dispiace. Ich hätte es dir sagen sollen...", kommt es schwerfällig über meine Lippen.
Ich will sie berühren, doch ich tue es nicht, als ich das Blut an meinem Händen entdecke.
„Ich denke nicht, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, darüber zu sprechen. Was wirst du jetzt tun, Paolo?".
„Ich denke, ich werde zu ihr fahren", erwidere ich reserviert, während ich sie schuldbewusst mustere.
„Gut", entgegnet sie mir, mit einem dezenten Nicken.
Als ich gerade dabei bin, mich von ihr abzuwenden, berührt sie zaghaft mein Schulterblatt.
„Paolo?".
„Ja?".
„Ich hoffe, dass sie es schafft".
Ich würde sie gerne in die Arme schließen, ihr sagen, dass es mir leid tut und dass ihre Stärke mich fasziniert, doch ich bejahe ihre Worte bloß mit einem Nicken und mache mich auf den Weg zu meinem Wagen.
Dass unsere Wiedergutmachung, ein unwesentlicher Cafébesuch in solch einer Misere endet, damit hätte ich nie im Leben gerechnet.
Mir fährt augenblicklich ein Gedanke durch den Kopf, den ich kaum zu denken wage.
Wäre es möglich, dass Zita's Vater hinter all dem steckt?
Seit dem Abend, an welchem er mir die Waffe gnadenlos unters Kinn gepresst hat, werde ich meine Bedenken nicht los, dass etwas ziemlich faul an diesem erbarmungslosen Ganoven ist.
Zumindest hätte er einen Beweggrund dazu, Maja zu ermorden, um seine Tochter zu rächen.
Mehrere Passanten sprachen von einem schwarzen Fahrzeug, ein solches, dass ich einige Male in der Nähe ihres Hauses gesichtet habe.
Was ist wenn sie schon eine ganze Zeit lang beschattet wird, ohne es bemerkt zu haben?
Ich könnte mich dafür ohrfeigen, dass es mir im richtigen Moment nicht in den Sinn kam, dass etwas derartig faul an der Sache war.
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Just like the guys in my books
Teen Fiction„Man empfindet es als Segen ihnen zu begegnen. Man fühlt sich entflammt und belebt. Doch am Ende entpuppen sie sich als bitterer Fluch". Devil Dick 😈 [ deh • vl • dik ] „Exceptionally good dick that happens to be attached to a fuckboy, who knows h...