Fünf Stunden. Fünf Stunden auf den Punkt genau. Länger habe ich es nicht ausgehalten ihm meine Antwort vorzuenthalten.
Vielleicht hat er es sich in der Zeit anders überlegt?
Oder vielleicht hat er sich in der Zwischenzeit anderweitig verabredet?
Er lässt mich keine weiteren fünf Stunden warten. Es sind nicht mal fünf Minuten, bis das ich seine Antwort erhalte.
Er hält nichts von diesen „Ich lass dich Zappeln"- Spielchen.
Er tippt auf den Chat. Die Haken färben sich blau und im selben Atemzug tippt er seine Antwort.„Morgen um 11 in der Bibliothek!"
Derselbe Satz den ich ihm geschrieben habe. Nur das hinzugefügte Ausrufezeichen dahinter, unterstreicht unsere morgige Verabredung.
Ein aufgeregtes Lächeln umspielt meine Lippen und ich erwische mich dabei, wie ich wieder nervös darauf herum kaue.
Ich sperre den Display meines Handys und lasse es sanft auf meine Brust sinken.
Dann gleite ich gemächlich in den Schlaf mit dem Gedanken daran, ihn morgen wieder zu sehen.
Fidelio, was stellst du bloß an mit mir?Um kurz vor zehn werde ich von meinem nervtötenden Wecker geweckt. Den hatte ich heute Nacht sicherheitshalber gestellt, nachdem ich für kleine Mädchen war.
Eigentlich brauche ich keinen Wecker, kein Wecker ist so gut, wie meine innerliche Uhr.
Dennoch wollte ich es nicht riskieren, dass genau meine innere Uhr heute nicht funktioniert und ich das Treffen verpasse.
Ich hab's ja gesagt, er wirft all meine Prinzipien über Board.
Das gute an dem Treffen in der Bibliothek ist, dass niemand zuhause doofe Fragen stellt. Sie wissen, dass ich jeden Samstag in die Bibliothek gehe, seitdem ich ein kleines Mädchen war.
Nie würden sie auf die Idee kommen, dass ich dort jemanden treffe.
Sollte mich dort jemand sehen, muss ich halt so tun, als hätte ich Fidelio das erste Mal getroffen.
So sieht's aus.
Eigentlich frage ich mich immer noch, worauf diese Treffen hinauslaufen.
Sollen wir uns jetzt auf ewig jeden Samstag in der Bibliothek treffen um dieses blöde Frage und - Antwortspiel zu spielen, bis es jemandem zu bunt wird und einer abhaut?
Ich bin mit Paolo zusammen und ich würde es womöglich niemals übers Herz bringen mich von ihm zu trennen. Er ist immerhin eine meiner vertrautesten Personen und ich kenne ihn seitdem er mir im Sandkasten mit der Schippe auf den Kopf gehauen hat. Seit diesem Zeitpunkt waren wir mehr oder weniger Freunde. Bis wir in die Pubertät kamen und wir nach einer kindischen Runde Flaschendrehen sowas wie zusammen waren, nachdem wir uns küssten.
Wir waren nie von einander getrennt.
Gingen in denselben Kindergarten. Die Ameisengruppe.
Wurden gemeinsam eingeschult.
Kamen gemeinsam auf die weiterführende Schule und beenden gerade gemeinsam unser Abitur.
Alles gemeinsam.
Würden wir dieses „gemeinsam" fortführen, dann würden wir zusammen an die Universität gehen um zu studieren.
Aber diese Sache, die macht er im Alleingang. Ohne mich.
Er hat sich für etwas eigenes entschieden, ohne mich mit einzubeziehen.
Jetzt tue ich etwas im Alleingang. Ich treffe mich wieder mit Fidelio in der Bibliothek.Ich war nie ein Mädchen, dass lange vor ihrem Kleiderschrank steht um das Outfit des Tages auszuwählen. Normalerweise öffne ich den Schrank, greife hinein und ziehe mich an.
Jetzt stehe ich seit einer Viertelstunde vor dem geöffneten Schrank und kriege eine Krise.
Hinter mir auf dem Bett stapelt sich ein chaotischer Haufen diverser Kleider, die ich alle als nicht gut genug empfinde. Wäre ich eines dieser Mädchen die viel wert auf ihre Outfits legen, würde ich jetzt sagen, dass ich nichts zum anziehen habe.
Ich entscheide mich gegen mein Lieblingskleid mit dem Blumenmuster und gegen das weiße schulterfreie Kleid, da ich sie beide in seiner Anwesenheit schon getragen habe. Er soll nicht denken, dass ich nur zwei Kleider besitze. Dennoch soll es ein Look sein, bei dem er nicht denkt, dass ich ihn extra sorgfältig für unser Treffen ausgewählt habe.
Nach weiteren zehn Minuten und einem Blick auf die Uhr, entscheide ich mich für einen luftigen knielangen Rock, ein dezent gecropptes Top und eine lockere Bluse die ich darüber ziehe.
Ich schließe die Bluse, bevor ich das Esszimmer betrete um meine Eltern und Damaso zu begrüßen.
Sie sitzen wie jeden Samstagmorgen gemeinsam am Frühstückstisch und genießen ihren frisch aufgebrühten Espresso.
„Guten Morgen, ich mache mich direkt auf den Weg in die Bibliothek", werfe ich in die Runde dessen Blick auf mir liegt.
Sehe ich Skepsis in Damasos Blick oder warum ist da diese misstrauische Falte zwischen seinen Augenbrauen, während er mich betrachtet?
„Willst du nicht mit uns frühstücken, Dolce?", kommt es über Moms Lippen, die auf den freien Platz neben sich deutet.
Vater wirft einen kritischen Blick über seine Zeitung, ehe er wieder hinter dieser versinkt.
„Ich bin spät dran, Mom. Ich muss unbedingt lernen. Zu Mittag bin ich wieder zurück", erwidere ich reserviert.
„Bist du verabredet oder warum hast du keine Zeit am Samstagmorgen mit deiner Familie zu frühstücken?", zieht Damaso mich auf und wackelt dabei neckisch mit den Augenbrauen.
Hat er mich etwa durchschaut?
Weiß er, dass ich mich mit Fidelio treffe?
Beruhig dich, Zita. Woher sollte er's wissen?
„Ja, ich treffe mich dort mit Ambra. Wir müssen eine Gruppenarbeit vorbereiten", lüge ich und werfe mir meine Tasche über die Schulter.
„Eine Gruppenarbeit, soso. Zu welchem Thema denn?, stichelt er weiter nach, während ein süffisantes Lächeln über seine Lippen kommt.
„Eine Gruppenarbeit, über große nervige Brüder", erwidere ich provokant und mache dabei auf meinen weißen Sneakern kehrt in den Flur.
Ich stöpsele meine Airpods ein und verlasse mit flattrigem Magen das Haus.
Vielleicht hätte ich doch eine Kleinigkeit essen sollen, bei meinem nervösen Stressmagen.
Wann war ich das letzte Mal bei einem Date mit Paolo so aufgeregt, wie ich es jetzt bin?
Selbst als er es geschafft hatte meinen Vater von unserem Kinobesuch zu überzeugen, was sehr viel Überredungskunst mit sich brachte, war ich nicht ansatzweise aufgeregt.
Vielleicht weil sich schon da Fidelio in meinen Kopf geschlichen hatte.
Ich bemerke wieder, dass ich schneller gehe als ich muss.
Mein Blick der sonst gebannt an den Fensterscheiben der einzelnen Shops klebt, huscht heute nur flüchtig über diese.
Lediglich einen Coffee to go hole ich mir, um meinen Kreislauf ein wenig in Schwung zu bringen.
Als ich das große alte Gebäude erreiche, werde ich gleich freundlich von der alten Bibliothekarin begrüßt.
Sie kennt mich seit ich ein kleines Mädchen war und auch sie ist ihrem grauen Haar nach zu urteilen in die Jahre gekommen. Dennoch hat sie immer noch diese strahlend schönen blauen Augen.
Ich habe schon immer Menschen mit blauen Augen beneidet.
Was gibt es schöneres als blaue Augen?
Vielleicht Hazeleyes, die je nach Blickwinkel in allen prächtigen Farben funkeln?
Entweder spielen mir meine Sinne einen verrückten Streich, oder ich habe wieder seinen Duft in der Nase, der sich mit dem urigen Bukett der Bücherei verquirlt.
Dieser Hauch von Minze, Patchouli und Zigaretten.
Vielleicht bilde ich es mir auch einfach nur ein, weil die Uhr gerade elf schlägt, als ich mir den Weg durch die Reihen von Büchern bahne.
In meine Lieblingsecke.
Ich betrete die schmale Schneise und wieder sitzt er dort wie beim letzten Mal, mit seinem charmanten Lächeln auf den Lippen, welches seine Grübchen hervortreten lässt.
Kann man einen Lieblings Lieblingsplatz haben?
Ehe ich etwas sagen kann, fällt mein Blick auf den kleinen eckigen Tisch zwischen den zwei braunen Ledersesseln.
Er hat ihn gedeckt, wie bei einem kleinen Picknick.
Auf dem Tisch befinden sich verschiedenes Kleingebäck, zwei kleine Flaschen frisch gepresster Orangensaft und eine runde Platte mit verschiedenen Früchten.
Dann wandert mein Blick von dem gedeckten Tisch zurück auf seine einnehmende Erscheinung.
Diesmal trägt er seine Lederjacke etwas hoch gerafft, sodass seine zahlreichen Tattoos zum Vorschein kommen.
Erst jetzt fallen mir die Siegelringe auf, die er an seinen gepflegten Händen trägt.
Seine Unterarme sind von sehnigen Muskeln überzogen und sein betörender Duft legt sich um mich wie ein Schleier.
„Wenn jemand sieht, dass wir hier essen, dann schmeißen sie uns raus", kommt es über meine Lippen als unsere Blicke sich treffen.
Er schnalzt amüsiert mit der Zunge und schüttelt dabei mit dem Kopf.
„Mehr hast du nicht zu sagen, Herzchen? Keine Sorge, dass mit dem Essen habe ich schon geklärt. Ich wäre nicht Fidelio, wenn ich nicht auch die alte Dame am Eingang mit meinem Charme umschmeicheln kann", erwidert er und wackelt dabei neckisch mit den Augenbrauen.
„Dafür, dass du dir so viel Mühe gegeben hast, verzeihe ich dir deinen plötzlichen Abgang letzten Samstag", erwidere ich witzelnd und lasse mich neben ihm auf den Sessel sinken.
„Hast du Hunger?", fragt er mit einem hinreißenden Lächeln auf den Lippen.
Im selben Moment nimmt er eine Erdbeere vom Tablet und führt sie mir sanft zwischen die Lippen.
So schnell kann ich gar nicht reagieren, deshalb nicke ich bloß verlegen und beiße zaghaft zu.
Die übriggebliebene Erdbeerhälfte verschwindet zwischen seinen wohlgeformten Lippen.
Wieder lächelt er dieses Lächeln, bei dem seine süßen Grübchen hervortreten.
Bei diesem Lächeln könnte man meinen, dass er viel mehr ist, als dieses Arschloch, dass er vorgibt zu sein.
In diesem Moment scheint es so, als hätte jemand die Temperatur um mindestens zehn Grad höher geschraubt.
Mein Herz flattert wie wild und ich kann kaum einen klaren Gedanken fassen.
Entweder ist es wirklich so sexy wie er die Erdbeere isst, oder aber ich bilde es mir einfach nur ein, weil er mich völlig um den Verstand damit bringt.
„Was ist, Zita? Noch nie eine Erdbeere gesehen?", spottet er, ehe er einen Schluck vom Orangensaft nimmt.
Er spielt mit mir und ich falle sowas von drauf rein und starre ihn an wie ET, während er genüsslich die Erdbeere verspeist.
Er weiß ganz genau was er anstellt und wie weibliche Wesen auf ihn reagieren, wenn er dieses und jenes tut.
Ich bin gefundenes Fressen und habe gerade womöglich wie alle Frauen reagiert, die er versucht rumzukriegen.
Mich mein lieber Fidelio, wirst du nicht rumkriegen.
Du kannst das prächtigste Frühstück auftischen, aber du bleibst ein Arschloch.
Mit viel Disziplin schaffe ich es nun, wieder einen klaren Gedanken zu fassen und mich aus seinem Mantel aus Charme zu befreien.
„Ist das deine Masche, die Mädels die du sonst triffst, um den Finger zu wickeln?", erwidere ich, während auch ich an meinem Orangensaft nippe.
Ich habe mich immer lustig gemacht über Frauen, die in der Gegenwart eines Mannes nicht vernünftig essen, aus Angst sich zu blamieren.
Jetzt sitze ich hier und zögere mir eines der ansprechenden appetitlichen Gebäcke zu nehmen, weil ich vor Nervosität wahrscheinlich daran ersticken würde.
Das wäre doch romantisch, wie er mich auf den Kopf stellt und schüttelt um eines der Gebäcke aus meiner Luftröhre zu befreien.
„Du meinst mich Samstag Morgen mit ihnen in der Bibliothek zu treffen und gentlemanlike ein Frühstück aufzutischen? Nein, eigentlich tue ich andere Dinge, um sie um den Finger zu wickeln", erwidert er kess und greift sich eines der Cantuccini mit denen ich die ganze Zeit schon liebäugle.
Der Gedanke, dass er all diese Dinge extra für mich gekauft hat, erwärmt mein Herz.
Bei all der Anziehungskraft, die er auf mich ausübt, darf ich nicht vergessen, dass er immer noch ein Arschloch ist.
„Soll ich das als Kompliment nehmen?".
Er schmunzelt und fährt sich lässig mit der Hand durchs Haar, um sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht zu streichen.
„Ein Kompliment ist es, wenn ich dir sage, dass mir dein Outfit gefällt. Gar nicht typisch für dich, Maria", kontert er zwinkernd und lässt dabei seinen Blick unerforschlich an mir herab wandern.
Jetzt schmunzle ich und spüre förmlich wie mir die Röte in die Wangen steigt.
Paolo macht mir ständig Komplimente, doch darüber habe ich mich noch nie so gefreut, wie jetzt in diesem Moment.
Mein Kleiderschrankgewusel heute Morgen, hat sich scheinbar gelohnt.
Noch eine ganze Weile sitzen wir so da, während ich die Zeit völlig aus den Augen verliere.
Irgendwann ist die Hemmschwelle gebrochen und ich habe mir das ein oder andere Gebäck auf der Zunge zergehen lassen. Es hat köstlich geschmeckt und war genau das, was ich brauchte.
Mit gefüllten Mägen sitzen wir uns gegenüber und unterhalten uns ausgiebig über Gott und die Welt.
Er wirkt plötzlich viel freundlicher und offener als sonst. Verkneift sich sogar seine blöden Sprüche und gewährt mir mit seinen Worten einen kleinen Einblick in sein Leben.
Er versucht sogar vages Interesse gegenüber meinem Hobby dem Lesen zu zeigen, weshalb ich mich dazu entscheide, ihm meine liebsten zu zeigen.
Und dann kurz bevor unser gemeinsamer Morgen endet, ist da dieser magische Moment.
Ich stehe vor einem der hochgewachsene Regale um die Bücher zurück zu legen, als er sich dicht hinter mich stellt.
Ich drehe mich bedächtig um und lehne automatisch mit dem Rücken am Bücherregal.
Es ist lediglich eine Handbreite, die uns voneinander trennt.
Wieder steigt mir sein umgarnender Duft in die Nase und lässt abrupt meinen Atem stocken.
Er streckt sanft seine Hand nach mir aus und umwickelt lasziv eine meiner Haarsträhnen um seinen beringten Finger.
Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als er sich mir ein weiteres Stück nähert.
Wie fremdgesteuert, schließe ich meine Augen und erinnere mich wieder an die nie zu Ende gebrachte Stelle meines Traums.
Der Kuss.
Dieser Moment könnte alles sein.
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Just like the guys in my books
Teen Fiction„Man empfindet es als Segen ihnen zu begegnen. Man fühlt sich entflammt und belebt. Doch am Ende entpuppen sie sich als bitterer Fluch". Devil Dick 😈 [ deh • vl • dik ] „Exceptionally good dick that happens to be attached to a fuckboy, who knows h...