Kapitel 19 { Paolo }

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Ich weiß, ihr wartet alle gespannt darauf, dass Zita und Fidelio endlich allein sind. Ich empfand es aber als passend, noch ein Fidelio Kapitel dazwischen zu schieben🙊
Was sagt ihr zu der Situation mit Zita und Fidelio? Tut er euch leid oder ist es ihm zurecht geschehen?
Wer ist wohl der Unbekannte im Auto? ;-)

In wenigen Stunden ist „Atto Finale" wie wir Italiener sagen würden. Der große Schlussakt, bei dem ich um die Hand meiner Prinzessin anhalte.
Meine Mutter bestand darauf, meinen Anzug des heutigen Abends, maßschneidern zu lassen.
Ein besonderer Abend, ein besonderer Anzug.
Ich hätte mich am liebsten für eine klassische schwarze Variante entschieden, aber sie bestand auf eine taupefarbene Kombination aus Sakko und einer geschmackvollen eleganten Anzughose.
Darunter trage ich ein weißes leger geknöpftes Hemd.
Ich will es nicht übertreiben, deshalb entscheide ich mich sowohl gegen eine Fliege als auch gegen eine Krawatte, die meine Mutter mir am liebsten gleich auch noch um den Hals gehängt hätte.
Auch die flapsigen Business-Slipper, habe ich eingetauscht in weiße Sneakers.
Sie kann es kaum abwarten, dass unsere Familien zu einer einzigen großen Dynastie zusammengeführt werden.
Sie ist keine der Mütter, die sich an ihren Sohn krallen wie ein biestiges Schwiegermonster.
Ganz im Gegenteil, sie vergöttert Zita und kann es kaum abwarten, mich unter der Haube zu haben.
So eine wie sie, findest du nie wieder, betont sie immer wieder.
Sie hat Recht. Ein Punkt, bei dem ich ihr niemals widersprechen könnte.
Zita ist bildschön, hat eine hinreißende Wesensart und eine Menge im Köpfchen.
Einerseits ist sie lammfromm, andererseits lässt sie sich nicht die Butter vom Brot nehmen. 
Um ein Haar hätte alles vorbei sein können, noch bevor es begonnen hat.
Hätte ich gewusst, dass Sara so eine große Nummer aus unserem kleinen amourösen Abenteuer macht, hätte ich's unter Garantie nicht so weit kommen lassen.
Ich hätte wissen müssen, dass mehr dahinter steckt, als sie vorschlug sich für ein Schulprojekt, bei ihr zuhause zu treffen.
Ist es immer so, dass Mädchen sich verlieben, wenn man einmal mit ihnen schläft?
Vielleicht ein Zeichen für mich, dass ich mich fürs erste Mal, ziemlich gut angestellt habe.
Mit ihren guten Argumenten hat sie die Gunst der Stunde genutzt, schließlich bin auch ich nur ein Mann. Ich hab's lediglich als Win Win Situation gesehen. Ich muss nicht ahnungslos mein erstes Mal antreten und sie hatte ihr Vergnügen.
Wenn es nach mir geht, hätten wir nie wieder ein Sterbenswort darüber verlieren müssen.
Jetzt stecke ich in der verzwickten Situation, dass sie Zita meinen Fehltritt steckt oder aber ich derjenige bin, der es ihr kundtut. Beides verdammt scheiße.
Ich werde es ihr sagen, gleich nach dem ich ihr den Antrag gemacht habe. Nur nicht heute.
Der heutige Abend soll nur uns gehören, heute soll kein böses Blut zwischen uns stehen.
Ich umschließe die samtene Schatulle mit meinen Fingern.
Spiele mit dem goldenen Verschluss und öffne das kleine rote Kästchen nonchalant mit meinem Daumen.
18 Karat Gelbgold.
In der Mitte ein eingefasster Cognac Diamant.
Ein Stein, so honigbraun, wie ihre Augen.
Jeder der behauptet lediglich blaue Augen seien besonders, der hat noch nicht in ihre Augen gesehen.
Es reicht ein Blick, ein sanfter Wimpernaufschlag der Einblick in ihre tiefbraunen Augen gewehrt und ich bin verloren.
Bei jenem Blick in diese unvergleichlichen Augen, verfalle ich in einen Rausch, der mich erst wieder zu Besinnung kommen lässt, wenn die Wärme dieser mein Herz erreicht.
Heilige Scheiße, ich liebe sie so sehr.
Als der alte Herr beim Juwelier diverse Ringe auf einem Tablett mit schaumartiger Unterlage vor mir platzierte, fiel mir dieser eine besagte Ring direkt ins Auge.
Der ist es.
Der und kein anderer.
Koste es was es wolle.
Seit diesem Tag, war ein halbes Jahr vergangen.
Etliche Stunden habe ich damit verbracht, in dem kleinen Café unserer Nachbarin zu kellnern, bis zu jenem Tag, als ich das Geld für den Ring zusammen gespart hatte.
Es gab keinen Cent, den ich nicht beiseite gelegt hatte.
Stolz wie Oskar, habe ich das Juweliergeschäft am gestrigen Tag, nach sechs vergangenen Monaten betreten, um den Ring für sie zu kaufen.
Der einzige Ring, der es würdig ist, an ihrem zarten Ringfinger getragen zu werden.
Die Feier findet nicht weit weg von Zuhause statt. Gleich am Arno Fluss grenzt ein prunkvolles Lokal, das sich perfekt eignet, um dort ein Fest mit vielen Menschen zu feiern. Der Innenraum ist in warmes Licht getaucht.
Etliche runde Tische geziert von Blumengestecken, stehen verteilt im Innern des Raums.
Zu meiner Rechten erstreckt sich eine einladende Tanzfläche. Zu meiner Linken das große festliche gedeckte Buffet.
Ich bin kein Mann der großen Worte, schon gar nicht wenn es um die detaillierte Beschreibung einer Räumlichkeit geht.
Aber selbst ich als Mann kann behaupten, dass es der perfekte Ort ist, um ihren Geburtstag gebürtig zu feiern.
Sie ist es, die diese Räumlichkeit gänzlich komplettiert.
Ohne sie wäre es sicher ein Restaurant, wie jedes andere.
Das stelle ich fest, als sie plötzlich vor mir auf der gold verzierten Wendeltreppe erscheint, die den Mittelpunkt des Raums ausfüllt.
Wie in einem schlechten Film, stehe ich sprachlos da, mit den Händen in den Hosentaschen.
Wie ein kleiner unschuldiger Junge, stehe ich vor der Treppe und lege ihr mein Herz zu Füßen.
Wenn man sich aufs Neue in ein und denselben  Menschen verlieben kann, dann ist es gerade eben passiert.
Sie trägt ein dunkelrotes sagenhaftes Kleid, dass wie für sie gemacht ist.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einer anderen Frau, auch nur ansatzweise so gut steht wie ihr. 
Ich bin nicht der einzige der vor der Wendeltreppe steht, dem soeben die Kinnlade runtergefallen ist.
Aus jeder Richtung ertönen theatralische „Oh's" und „Ahh's" als sie die Treppen langsam Schrittes hinunter tritt.
Dass einzige, dass ihr atemberaubendes Antlitz in diesem Moment perfektionieren würde, wäre der Diamantring an ihrem Finger.
Ich könnte in diesem Augenblick nicht stolzer sein, denn die Frau, die geradewegs auf mich zusteuert, ist nicht irgendeine Frau.
Es ist meine.
Du siehst traumhaft aus, Amore", hauche ich ihr anheimelnd ins Ohr, als ich sie in die Arme schließe um sie zu begrüßen.
Ein freudiges Lächeln umspielt ihre Lippen und auch wenn sie gewiss nicht gern im Mittelpunkt steht, spüre ich, dass sie es am heutigen Tag vielleicht sogar etwas genießt.
Mit den Worten „Ich bin gleich wieder zurück, Tesoro", löst sie sich von mir, um die anderen Gäste nach und nach in Empfang zu nehmen.
Stunden vergehen, in denen gemeinsam gegessen, gesungen und getanzt wird, bis es um 20 Uhr soweit ist, dass ich meine große Chance wittere.
Für mein Vorhaben, steht der glanzvolle Außenbereich des Restaurants, im Mittelpunkt.
Am liebsten hätte ich die Abmachung mit ihrer Mutter, gleich wieder über Board geworfen, um sie vor allen Anwesenden zu fragen.
Aber ich halte mich an die Absprache und führe sie Hand in Hand auf die Terrasse.
Der perfekte Moment, denn genau in diesem Augenblick geht die Sonne über Florenz unter. Ihr Lieblingsphänomen jenen einzelnen Tages, dass sie gerne von ihrem Fenster aus betrachtet.
Ich führe sie gleich in das beleuchtete Pavillon, welches sich festlich im warmen Schein, vor uns erstreckt.
Durch die an den Außenwänden befestigen Musikboxen, dringen leise italienische Balladen.
Ich frage mich, ob sie weiß was gleich passiert, aber ihre ungerührte Miene, lässt mich nicht hinter ihre Fassade blicken.
Echt schön hier", kommt es kurzsilbig über ihre Lippen, während sie den Blick im Innern des Pavillons umherschweifen lässt.
Wie für dich gemacht, Amore", erwidere ich warmherzig und lehne mich an die Brüstung mit Blick auf den Fluss.
Ich spüre, dass sich ein seltsames Gefühl zwischen uns breit macht. Ungesagte Dinge, die plötzlich die Luft dicker machen.
Der Moment vor ihr auf die Knie zu gehen, zum greifen nah.
Mein Herz schlägt wild gegen meine Brust und ich spüre wie sich kleine Schweißperlen an meinem Haaransatz bilden.
Willst du mir irgendetwas sagen, Paolo?", kommt es nüchtern über ihre Lippen, als sie mich aus dem Augenwinkel betrachtet.
Wieder blicke ich in ihre unveränderte Miene, die zu starr ist, als dass ich sie zu einem Lächeln animieren könnte.
Jetzt oder nie, denke ich in diesem Augenblick.
Ein letztes Mal atme ich tief ein, gehe langsam vor ihr auf die Knie und werde dabei auf halbem Wege von ihr gestoppt.
So schnell wie sie meinen Arm packt und den romantischen Moment in zeitlicher Übereinstimmung zerstört, kann ich gar nicht schalten.
Hör auf, Paolo. Hast du mir nicht etwas anderes zu sagen?", fügt sie mit energischem Unterton hinzu und zieht mich dabei an meinem Arm, zurück in den Stand.
In keinem einzigen Moment meines Lebens, habe ich mich so entmannt gefühlt.
Vor einer Frau auf die Knie zu gehen, ist beim besten Willen nicht so leicht, wie es in Filmen immer aussieht.
Mit einem Mal, hat sie mein ganzes heutiges Vorhaben zerstört.
Egal, ob ich ein weiteres Mal vor ihr auf die Knie gehe, der magische Moment ist hinüber.
Mein Blick wandert allzugleich in Richtung Fenster des Restaurants, hinter dessen Gardinen, sich schemenhaft Köpfe der Gäste erstrecken.
Vor lauter Scham und Unwohlsein, würde ich am liebsten im Erdboden versinken.
Zita, ich weiß wirklich nicht worüber du sprichst. Ich wollte dir gerade ..".
„.. einen Heiratsantrag machen? Ist dir bewusst, dass man sich bevor man die Ehe eingeht, schwört, immer aufrichtig und ehrlich zueinander zu sein?", unterbricht sie mich reserviert.
Ich verstehe nicht...".
Ich verstehe leider sehr wohl, was hier gerade passiert.
Die Situation gerät völlig aus dem Ruder und läuft in eine ganz falsche Richtung.
Du verstehst nicht, was ich meine? Kein Problem, ich helfe dir gern. Stellen wir deine Ehrlichkeit doch gleich mal auf die Probe. Wirst du dein erstes Mal mit mir haben, Paolo?", unterbricht sie mich erneut.
In meinem Kopf, rattert es, wie ein Uhrwerk. Entweder hat Sara es ihr gesteckt, noch bevor ich die Chance hatte es ihr zu sagen.
Oder sie hat es schon wider Willen in der Schule erfahren. Wie ich schon betont habe, sie ist nicht auf den Kopf gefallen.
Ganz gleich, welche der beiden Varianten zutrifft, fest steht, dass ich die Frau die ich mehr liebe als mein Leben, betrogen habe.
Natürlich ..".
Sie lässt mir wirklich keine Chance, zu Wort zu kommen.
Natürlich was, Paolo? Willst du jetzt ernsthaft weiter lügen? Stimmt es, dass du mit Sara geschlafen hast?".
Ihre Stimme klingt ruhig, fast schon zu ruhig, für den Anlass unseres bitter ernsten Gesprächs.
Sie macht nicht einmal den Anschein, dass sie wütend ist.
Sie ist enttäuscht und das ist bei weitem schlimmer.
Sag es verdammt", fügt sie auffordernd hinzu.
In diesem Augenblick will ich ihr so viel sagen, ihr alles erklären, versuchen mich zu rechtfertigen, aber es passiert nichts.
Ich bringe kein einziges Wort über meine Lippen, da alles was ich in diesem Augenblick sagen würde, falsch wäre.
Ich zucke auf frischer Tat ertappt mit den Schultern und stehe vor ihr wie ein begossener Pudel.
Ich bin selbst überrascht, als ich spüre, dass sich meine Augen mit Tränen füllen.
Ich fasse es nicht, dass du mir das wirklich angetan hast. Ich werde jetzt gehen, lass dir was einfallen, wie du es den anderen Gästen erklärst", kommt es voller Ernüchterung über ihre Lippen.
Dabei deutet sie mit einer Handbewegung in Richtung der Fenster, hinter denen uns immer noch neugierige Gestalten zu beobachten scheinen.
Sie klatscht zum Abschied angriffig in die Hände und verlässt über die kleine Brücke des Außenbereichs ihre eigene Party.
Ich folge ihr mit meinem Blick, halte einen Moment inne und bemerke dann einen schwarzen Wagen, der gleich vor ihr zum stehen kommt.
Der Fahrer lässt das Beifahrerfenster herunter und sie scheinen sich zu unterhalten.
Irgendjemand der sie nach dem Weg fragt? Ein Anhalter? Vielleicht sogar ein Kidnapper?
Ich zögere nicht lange, nehme meine Beine schnellstens in die Hand und überquere ebenfalls die Brücke, um ihr zu folgen.
Amore. Zita. Bitte warte!", rufe ich ihr flehend nach.
Ihr Blick verrät mir, dass sie augenblicklich in Panik gerät.
Ehe ich sie erreiche, ist sie auch schon eingestiegen. Der Fahrer lässt den Motor an und fährt mit quietschenden Reifen gen Stadtende.
Eigentlich wäre sie jetzt in diesem Augenblick meine Verlobte.
Meine Verlobte, die gerade in den Wagen eines Fremden gestiegen ist.
Verdammte Scheiße!", fluche ich laut aus und schlage dabei meine Hände verzweifelt über dem Kopf zusammen.
Ich brauche nicht mal ins Restaurant zurück kehren um von Zitas plötzlichem Verschwinden zu berichten.
Denn als ich meinen Kopf für einen Augenblick erhebe und meinen Blick in Richtung Pavillon schweifen lasse, sehe ich in unzählige entsetzte Gesichter.
Ein Gesicht darunter, dass ich ganz besonders in Augenschein nehme.
Ihr Vater, dessen Gedanken ich in diesem Augenblick lesen kann, wie ein offenes Buch.
Habe ich sie gerade für immer verloren, oder warum fühlt es sich an, als hätte mir jemand das Herz aus der Brust gerissen?

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