Kapitel 7 - Teil 1

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-Bella-

„Wie lange müssen wir denn noch laufen, bis wir auf die ersten Dämonen treffen? Meine Füße tun schon weh und allmählich zweifle ich an unserem Plan. Ich hätte mir das Dämonenreich nie so…leer vorgestellt“, beklagte ich mich missmutig und verwies mit einer ausladenden Handbewegung auf die unspektakuläre Umgebung. Das Waldgebiet war irgendwann einer weitläufigen Wiesenfläche gewichen, doch von den Dämonen fehlte noch immer jede Spur. Cassie warf mir einen verärgerten Blick zu.

„Du stellst dich aber auch an! Wir konnten davon ausgehen, dass die Reise anstrengend wird! Wie die Menschen haben die Dämonen wohl auch keine Siedlungen in unmittelbarer Nähe zur Grenze errichtet! Von welchem Plan redest du außerdem? Es ist nicht wirklich so, als ob wir einen hätten!“, entgegnete Cassie, um deren Laune es keinesfalls besser bestellt war. „Ich meine diese ganze Aktion generell! Einen konkreten Plan können wir uns überlegen, wenn wir die Lage besser überschauen. Wir haben schließlich keine Ahnung, was uns hier erwartet!“, erklärte ich abwehrend.

Es war nicht unbedingt so, als ob mich auf der anderen Seite der Mauer ein besseres Leben erwartete, aber vielleicht hätte ich mich einfach den Menschen ausliefern sollen, statt in ein Land voller Ungewissheit und Gefahren zu reisen. In der Theorie hatte unser Vorhaben, ins Reich der Dämonen zu reisen und uns über Cassies Fluch und meine Herkunft zu informieren, um einiges machbarer geklungen.

Seit wir aber die fremde, einschüchternde Umgebung betreten hatten, sagte mir mein Pessimismus beständig, dass unser Vorhaben ohnehin zum Scheitern verurteilt war. Wie sollten zwei schwache, unerfahrene Frauen in einem Land voller Bestien überleben?

Cassie schien in Gedanken auch gerade bei den Dämonen zu sein, denn sie musterte mich mit einem nachdenklichen Blick, bevor sie zu bedenken gab: „Wir wissen im Grunde nichts über diesen Ort und seine Bewohner! Keiner, nicht einmal die Soldaten an der Mauer, hat bisher einen Dämon gesehen und konnte im Anschluss noch davon berichten. Wir wissen nicht einmal, wie sie aussehen! Bei dir scheint sich ja die menschliche Seite durchgesetzt zu haben. Eigentlich ist alles, was man uns bisher über die Dämonen erzählt hat, dass sie blutrünstige Monster mit beängstigenden Kräften sind!“

Die Anspannung war Cassie deutlich anzusehen, weswegen ich es umso beeindruckender fand, wie entschlossen sie dieser unbekannten Gefahr entgegenschritt. Cassies Fluch schien eine große Last für sie zu sein, wenn sie dafür bereitwillig ihr Leben aufs Spiel setzte. Ich hegte fast so etwas wie eine widerwillige Bewunderung für ihre Entschlossenheit. Mein Leben war ohnehin verwirkt. Ich fürchtete den Tod nicht, sehnte ihn mir geradezu herbei, aber Cassie hatte so viel zu verlieren.

„Wir werden früh genug herausfinden, wie die Dämonen aussehen. Sobald wir auf die ersten treffen, können wir nur hoffen, dass sie meine Dämonenseite anerkennen und uns nicht direkt umbringen“, setzte ich das begonnene Gespräch fort. „Hast du seit dem Beginn unserer Reise eigentlich schon einmal an deinen Vater gedacht? Meinst du, er hat deinen Brief inzwischen gefunden? Vielleicht haben die Soldaten an der Mauer auch schon unsere unerlaubte Grenzüberschreitung weitergegeben.“

Cassie bedachte mich mit einem finsteren Blick, wobei ein kurzes Zucken ihrer Mundwinkel nahelegte, wie ungern sie meine Frage beantwortete. Doch sie tat es trotzdem. „Wenn du mir Schuldgefühle machen willst, dann spar dir das! Ja, was ich hier mache, ist vielleicht unfair oder geradezu grausam meinem Vater gegenüber. Sollte ich sterben, hat er seine einzige Tochter und den Rest seiner Familie verloren, aber ich kann es mir gerade nicht leisten, mich schuldig zu fühlen! Ich muss diesen verdammten Fluch loswerden und dafür ist mir jedes Mittel recht!“, entgegnete Cassie energisch, konnte mir dabei aber nicht in die Augen sehen.

Ich vermutete, dass sie sehr wohl Schuldgefühle hegte, diese gerade aber akribisch verdrängte. Das war ein Vorteil, den ich ihr gegenüber hatte. Ein einziges Mal hatte es etwas Gutes, von niemandem geliebt zu werden. Ich hatte niemanden, den mein Tod schwer treffen würde. Keine Familie, keine Freunde…Dabei kam mir ein anderer Gedanke, den ich direkt ansprach.

Verflucht - Der TodespaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt