Kapitel 12 - Teil 2

10 2 0
                                    

Bella und Ryan konnten in einer Art Wartenische mit Sofas bleiben und sich weiterhin unterhalten, was im Sinne von beiden liegen sollte, während ich der Dämonin ins Nebenzimmer folgte. Dort setzte ich mich auf einen bequemen Sessel und nahm sogar die Tasse Tee an, die sie mir anbot. Noch immer hatte ich keine Ahnung, welche Dienste die Dämonin ausübte und war mir nicht einmal mehr sicher, was auf dem Schild draußen gestanden hatte.

„Dass Sie zu mir geschickt wurden, kann eigentlich nur zwei Gründe haben, aber erzählen Sie doch erst, was für Fähigkeiten Sie haben“, begann die Dämonin unser vertrauliches Gespräch und kurz überkam mich der Gedanke, dass sich so wohl eine Therapiesitzung anfühlen musste. „Na ja, es klingt vielleicht etwas seltsam, wobei ich nicht weiß, wie die Maßstäbe dafür im Dämonenreich aussehen, aber ich sehe Tote. Also ihre Geister und so…Beziehungsweise sehe ich sie nur ein einziges Mal und dann…“, setzte ich unsicher an, da mein Geständnis mehr als verrückt klang.

Natürlich gab es im Dämonenreich viele aus menschlicher Sicht verrückte Dinge, aber ich fühlte mich wie ein Freak, wenn ich meine eigene Abnormität aussprach. Allerdings konnte ich nicht einmal erahnen, was die Dämonin als nächstes sagen sollte. „Und dann sehen Sie, wie die besagte Person gestorben ist, nicht wahr?“, vollendete die Verkäuferin einfach meinen Satz und ließ mich in einem Zustand tiefster Überraschung zurück.

„Was…wie…“, stammelte ich völlig überfordert, da ich mir einfach nicht vorstellen konnte, woher sie das wusste. „Wie ich das wissen kann? Ganz einfach, denn Ihr Fall ist nicht einmal ansatzweise so verrückt, wie Sie denken“, erklärte die Dämonin freundlich. „Leute wie uns gibt es im ganzen Dämonenreich verteilt. Ich habe zwar noch nie von einem Menschen mit diesen Kräften gehört, aber eigentlich ergibt das Sinn.“ Für mich ergab all das überhaupt keinen Sinn. Vor allem eine Aussage machte mich stutzig.

„Leute wie uns?“, echote ich völlig überfordert und war offensichtlich nicht in der Lage, einen vollständigen Satz zu formulieren. „Oh, Entschuldigung. Ich schätze, das ist ganz schön viel für Sie, wenn Sie im Menschenreich fern von allem Übernatürlichem aufgewachsen sind. Lassen Sie es mich im Detail erklären. Sie sind kein Einzelfall. Diese Kräfte, die Sie beschrieben haben, kommen immer wieder einmal bei Dämonen und vermutlich dann auch bei Menschen vor. Überall gibt es Leute wie uns, die Geister sehen und auch die Zeichen des nahenden Todes wahrnehmen können.

Ich habe daraus sogar meine Lebensgrundlage gemacht. Die Dienste, die ich hier anbiete, mögen umstritten sein und finden deshalb auch keinen Platz in der unbeschwerten, fröhlichen Innenstadt. Zu mir kommen Dämonen, um zu fragen, ob ihre Zeit gekommen ist. Kranke und Angehörige, die Gewissheit haben wollen, Selbstmörder, die wissen möchten, ob ihr Plan gelingt. Ich weiß, das klingt unschön, aber die meisten Leute kommen einfach aus Interesse oder Sorge und bekommen von mir die Bestätigung, dass sie nicht in nächster Zeit sterben werden“, erklärte die Dämonin ernst.

„Dennoch ist es ein makabres Geschäft“, entgegnete ich, wobei ich immer noch kaum das Ausmaß ihrer Erklärung begriffen hatte. „Das mag sein, aber ich habe nun einmal das Beste aus der Bürde gemacht, die mir auferlegt wurde. Die meisten von uns belastet es, mit so viel Tod konfrontiert zu sein. Manche ziehen in ländliche Regionen oder wählen sogar ein isoliertes Leben als Einsiedler, um dem Tod zu entkommen, doch ich habe mich damit abgefunden. Ich habe gelernt, damit zu leben, und führe diesen Laden nun schon seit über einem Jahrzehnt. Aber was ist mit dir? Hast du noch Fragen?“

Ich überging, dass die Dämonin mich geduzt hatte, denn momentan gab es weitaus Wichtigeres. „Woher kommen diese Kräfte? Ich habe sie schließlich erst seit zwei Jahren. Wann hat es bei Ihnen begonnen?“, bohrte ich noch immer zutiefst erschüttert nach. „Wir können gerne zum Du wechseln, da wir doch offensichtlich Leidensgenossinnen sind. Ich heiße Cynthia“, schlug die hübsche Dämonin vor. „Cassie“, entgegnete ich knapp, da ich mich vor allem nach Antworten sehnte. Cynthia lächelte freundlich, bevor sie fortfuhr.

Verflucht - Der TodespaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt