Kapitel 8 - Teil 1

9 1 0
                                    

-Cassie-

Ein Mensch! Die unheilvollen Worte hallten in meinem Kopf nach, während die Welt um mich zum Stillstand kam. Noch nie hatte ich das Wort „Mensch“ in solch einem anklagenden Tonfall gehört und – es hatte keinen Sinn, es zu leugnen – es machte mir Angst. Wie diese Dämonen auf mich zeigten, wie sie auf mich zukamen, das konnte nichts Gutes bedeuten. Ich war wie betäubt und nahm nur am Rande wahr, wie sich Bella schützend vor mich stellte.

Die Geste war vielleicht ganz nett, brachte aber vergleichsweise wenig. Nicht nur, dass Bella ein Stück kleiner war als ich und so alles andere als bedrohlich wirkte, wir beide wussten es besser. Sie war zwar eine Dämonin, aber eine ohne Kräfte. Im Grunde konnte Bella genauso wenig gegen die offensichtlich feindseligen Dämonen ausrichten wie ich selbst. Dennoch streckte Bella den Rücken durch, um möglichst groß zu wirken, als uns die Dämonen schließlich erreichten.

„Was hast du dir dabei gedacht, einen Menschen über die Grenze zu bringen?!“, herrschte ein männlicher Dämon Bella unfreundlich an. Ich fand es immer noch absurd, dass die Dämonen optisch nicht von Menschen zu unterscheiden waren. Der mittelalte Mann vor uns, der etwas stämmig wirkte und dessen Haupthaar sich allmählich zu einer Glatze zurückzog, hätte genauso gut in meiner Nachbarschaft leben können. Ein bisschen erinnerte er mich sogar an meinen Vater, wobei wohl vor allem das Alter und das leichte Übergewicht dafür ausschlaggebend waren.

Es war völlig absurd, dass es sich bei diesem gewöhnlich aussehenden Mann um eine Bestie handeln sollte. Bella schien zunächst überfordert von seinen anklagenden Worten zu sein, aber dieses Mal konnte ich nicht das Reden für sie übernehmen. Sie als Dämonin musste mit diesen Dämonen sprechen, auch wenn das bedeutete, ihre soziale Inkompetenz zu überwinden. „Woher wollt ihr überhaupt wissen, dass sie ein Mensch ist? Sie sieht schließlich auch nicht anders aus als ihr“, entgegnete Bella wenig überzeugend und schien beschlossen zu haben, die Dämonen nicht zu siezen, die sie schließlich geduzt hatten.

Der männliche Dämon stieß ein genervtes Schnauben aus und verdrehte die Augen. „Verkauf uns nicht für blöd! Man riecht doch deutlich, dass dieses Mädchen ein Mensch ist! Das müsstest du doch wissen!“, antwortete er gereizt. Bella und ich tauschten einen überraschten Blick. Dann war es also der Geruch, an dem sie mich erkannt hatten. Wir hatten keine Ahnung gehabt, dass Dämonen einen besonders ausgeprägten Geruchssinn hatten, da das offenbar nicht auf Bella zutraf, aber irgendwie ergab es auch Sinn.

Wenngleich die Dämonen wie Menschen aussahen, hatten sie wohl doch etwas Animalisches an sich, wenn es auch nur ein tierischer Geruchssinn war. Vielleicht gab es noch mehr nicht sofort ersichtliche Eigenschaften, die Dämonen von Menschen unterschieden, aber darauf konnten wir uns momentan nicht konzentrieren. Der männliche Dämon wartete immer noch auf eine Antwort seitens Bella.

„Also…das…Das ist…“, stammelte diese nicht zusammenhängende Satzfragmente, doch selbst wenn ich ihr helfen wollen würde, könnte ich es nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie wir uns aus dieser Situation herausreden sollten. Offensichtlich war es unter den Dämonen nicht erlaubt, Menschen über die Grenze zu bringen, wobei diese Dämonen nicht einmal wussten, dass wir beide von der anderen Seite der Grenze kamen. Welche Strafe uns dafür erwartete, war noch unklar. Würde man mich zurück zur Grenze schicken oder direkt töten?

Und Bella…Was erwartete sie für diese Straftat? Eigentlich sollte es mir egal sein, was mit Bella geschah, da sie ohnehin sterben wollte, aber eine längere Gefängnisstrafe oder eine bestialischere Art der Bestrafung wünschte ich ihr auch nicht. Allerdings sollte sich gleich darauf zeigen, wie wenig ich doch über die Dämonen wusste. Eine ebenfalls ältere, aber dennoch hübsche Frau trat zum männlichen Dämon und legte ihm beruhigend eine Hand auf den Oberarm.

Verflucht - Der TodespaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt