Verflucht - Der Todespakt

Kapitel 12 - Teil 1

-Cassie-

„Und was machen zwei hübsche Frauen wie ihr in der Hauptstadt? Zum Sightseeing seid ihr wohl nicht gekommen?“, fragte Ryan in einem geradezu nervig fröhlichem Tonfall und ich verdrehte reflexartig die Augen. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht“, antwortete ich sofort, da mir die Neugierde unseres neuen Begleiters missfiel. „Außerdem ist die eigentliche Frage, die du stellen willst, doch, was ein Mensch im Dämonenreich will, oder irre ich mich?“

Beinahe verspielt war der Blick, den mir Ryan darauf zuwarf. „Das habe ich mit keinem Wort gesagt! Du wärst überrascht, wie häufig man hier Menschen antrifft!“, entgegnete er abwehrend. „Tatsächlich?“, fragte Bella überrascht, die unserem Schlagabtausch eher still gefolgt war. Verlegen kratzte sich Ryan am Kopf. „Na ja, häufig wäre übertrieben, aber ab und zu kommt schon ein Mensch auf unsere Seite der Mauer. Du bist bestimmt nicht die erste“, gab er dann zu.

Ich unterdrückte ein Seufzen. Bestimmt war es nützlich, einen starken Dämonen als Begleitung zu haben, aber Ryans plötzliches Auftauchen und seine aufdringliche Art kamen mir noch immer komisch vor. Ich hatte nicht vor, ein lockeres Gespräch mit ihm zu führen, und erst recht nicht, ihn in unsere Pläne einzuweihen. Bella schien das jedoch anders zu sehen.

„Cassie hat übernatürliche Fähigkeiten, die sie als Mensch schließlich nicht haben sollte. Sie hat gedacht, dass es sich um einen Fluch handelt, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Darum gehen wir jetzt zu dieser anderen Adresse, um hoffentlich herauszufinden, um was es sich handelt und was wir dagegen tun können“, erklärte sie frei heraus. Wieder einmal ärgerte mich ihre Freimütigkeit. Einem wildfremden unsere Geschichte zu verraten, kam mir unklug vor.

Allerdings musste ich Bella nachsehen, dass sie wenig Erfahrung mit Freundschaften und sozialen Kontakten allgemein hatte. Ich konnte nicht von ihr erwarten, dass sie eine Person wie Ryan mit unklaren Absichten auf Anhieb durchschaute und um ehrlich zu sein, konnte ich selbst seine Beweggründe noch nicht nachvollziehen. „Und woher kennt ihr euch?“, versuchte Ryan offensichtlich, den eher zähen Smalltalk aufrechtzuerhalten. Ich machte mir nicht einmal die Mühe zu antworten, da ich wusste, dass Bella das übernehmen würde. Natürlich sollte ich mich nicht irren.

„Wir sind zusammen auf die Schule gegangen, in dieselbe Klasse, um genau zu sein. Wir haben erst vor kurzem unseren Abschluss gemacht“, erklärte Bella überraschend fröhlich für ein depressives Mädchen, das sterben wollte. Ich wollte ihren Stimmungsumschwung keineswegs kritisieren. Wenn Bella fröhlich war, wenn sie endlich einen Freund fand und vielleicht auch einen Grund, um weiterzuleben, wäre mir das gerade recht, aber ich vertraute Ryan schlichtweg nicht.

Bella ging viel zu naiv an die Sache heran und ich befürchtete, dass es sie umso mehr verletzen könnte, wenn Ryan böse Hintergedanken hegte. War es das? Wollte ich sie beschützen? Oder störte es mich, dass sie Kontakt zu jemand anderen aufbaute, nachdem wir uns bisher nur aufeinander verlassen hatten? Ich schüttelte die seltsamen Gedanken ab und konzentrierte mich stattdessen auf das momentane Gespräch.

„Ihr wart auf derselben Schule? Etwa im...Menschenreich? Tut mir leid, dass ich so blöd frage, aber du bist doch eindeutig eine Dämonin“, hakte Ryan verwirrt nach, was Bella dazu veranlasste, ihre gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Es hätte ohnehin keinen Zweck, sie davon abzuhalten. Was sie auf unserer Seite der Mauer noch wie ein Geheimnis gehütet hatte, erzählte sie nun dem erstbesten Dämonen.

„Wow, ich habe noch nie von einem Dämonenkind gehört, das bei den Menschen aufgewachsen ist, und das mit dem Siegel ist wirklich komisch. Warum haben die Wächter deine Kräfte versiegelt?“, stellte Ryan die Frage, die uns bereits beschäftigte. „Genau das wüsste ich gerne! Vielleicht können wir mehr herausfinden, wenn dein Meister mein Siegel gelöst hat“, entgegnete Bella geradezu enthusiastisch. Ich nahm ihre Worte zum Anlass, den Verhör umzudrehen.