Kapitel 23 - Teil 1

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-Cassie-

Einen schier endlosen Moment schwebten diese Worte zwischen uns. Das Gewicht dieser Erkenntnis steigerte die Anspannung, die ohnehin schon auf uns lag, ins Unermessliche. Wollten uns die Wächter tatsächlich sehen? Erwarteten sie uns bereits? „Was ist los? Wollt ihr nur hier rumstehen und warten, dass die Soldaten aufwachen, oder geht ihr jetzt rein?“, riss Ryans ungeduldige Frage mich aus meiner Paralyse.

Unwillkürlich zuckte ich zusammen und hätte mich damit beinahe verraten. Bella war jedoch viel zu abgelenkt, um es zu bemerken. Neugierig spähte sie in den nun freien Höhleneingang. „Wollen wir?“, fragte sie mich, wobei ihr die Unsicherheit deutlich anzuhören war. Ich nahm all meinen Mut zusammen und nickte entschlossen. Deswegen waren wir doch hier! Wir würden den Wächtern einen kleinen Besuch abstatten! „Lass uns gehen! Ich möchte endlich die Wahrheit wissen!“

Auch wenn sie mir nicht gefallen könnte…, dachte ich völlig unpassend an Katos Aussage. Dann verdrängte ich den Gedanken energisch und betrat zusammen mit Bella die Höhle. Zu Beginn unterschied sich das Innere der Höhle nicht von gewöhnlichen Höhlen. Wir folgten einem linearen Pfad ohne Abzweigungen, der leicht abwärts führte. Misstrauisch sahen wir uns um, aber die natürlichen Felswände wirkten in keiner Weise übernatürlich. Hatten wir uns womöglich geirrt? Waren Delias Informationen falsch und das hier nur eine gewöhnliche Höhle, die tatsächlich einsturzgefährdet war?

Als ich diese Zweifel gerade aussprechen wollte, geschah es. Die Felswände um uns herum schienen zu verschwimmen und fast schon…zu leuchten! Unwillkürlich blieb ich stehen und meinte sogleich, die ganze Höhle um mich herum würde sich bewegen. Alles verschwamm, war in ständiger Bewegung. Je länger ich hinsah, desto stärker überkam mich die Übelkeit und ich fürchtete, mich übergeben zu müssen.

„Komm weiter und schau nicht zu genau hin! Einfach nach vorne schauen!“, wies Bella mich an und nahm mich sogar an der Hand. Es war seltsam, dass sie plötzlich die Entschlossene von uns war, aber nach all dem Übernatürlichem der letzten Tage konnte sie wohl nichts mehr schocken. Ich war in diesem Moment unfassbar dankbar für ihre Standhaftigkeit und tat, wie mir geheißen. Bella hatte recht. Wenn ich starr geradeaus sah, war es gar nicht so schlimm, wobei ich im Augenwinkel sah, wie sich unsere Umgebung veränderte.

Die grauen Felswände wichen nach und nach einem hübschen, pastellfarbenen Licht und bald darauf stellte ich fest, dass kein Felsboden mehr unter meinen Füßen war. Erstaunt betrachtete ich das Licht, das aus mehreren angenehmen Farben zusammengesetzt war, die ständig ineinander verliefen. Reines Weiß mischte sich mit einem zarten Rosa und einem freundlichen Gelbton, aber da waren noch viel mehr Farben. Manche konnte ich nicht einmal benennen.

„Cassie!“, rief Bella plötzlich und ich hob schlagartig den Blick. Während ich die Farben bewundert hatte, war mir gar nicht aufgefallen, dass wir uns nicht länger in einem engen Tunnel befanden. Wir waren in einem scheinbar unendlichen Raum, der keine Wände oder Decke zu haben schien. Nur der farbenfrohe Boden war zu sehen, der sich glatt und eben anfühlte, obwohl ich ständig fürchtete, einfach hindurchzugleiten.

Das war also die Dimension der Wächter! Umso drängender stellte sich mir nun die Frage, ob die Menschen wussten, wohin ihre heilige Höhle führte. Ich konnte es mir kaum vorstellen, bei diesem Anblick. Es war so schön hier, so wunderschön, dass jeder Mensch, der davon wusste, doch zwangsläufig hierhin wollte! Das geradezu euphorische Gefühl in meiner Brust, diese Leichtigkeit, hielt noch kurz nach, bevor es von etwas gänzlich anderem abgelöst wurde.

Stechender Schmerz explodierte in meinem Kopf und unwillkürlich presste ich eine Hand gegen meine Stirn. Plötzlich füllten die schrecklichen Kopfschmerzen meine gesamte Welt und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Dann drangen einzelne Bilder durch den Schmerz, Fetzen von Sinneswahrnehmungen, die mir erschreckend vertraut waren.

Verflucht - Der TodespaktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt