06 • 5 | Valia

66 9 5
                                    

Mit einer hauchzarten Berührung streiften seine Lippen über meine und schienen ein Kribbeln zu starten, das sich von dort ausbreitete und Hitze in meinem ganzen Körper entfachte. Unsere Blicke trafen sich und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen. In seinen dunklen Augen lag nichts mehr von der abweisenden Kälte, die er so oft an den Tag legte.

Ich wollte mehr.

Das nächste Mal, als unsere Lippen aufeinandertrafen, hielt der Kuss länger an und aus dem zögerlichen Testen entwickelte sich eine Leidenschaft, die mein Herz zum Rasen brachte und eine Gänsehaut auf meinen Armen erzeugte. Seine Hände legten sich auf meine Hüfte und mein logisches Denken setzte aus.

Der Kuss war rau und verlangend und leidenschaftlich und alles, was ich wollte, alles, was ich spürte, alles, wonach ich mich sehnte. Jede Faser meines Körpers forderte ihn, forderte Reyu, forderte diesen störrischen, unaushaltbaren Lazaliv.

Tausend Höllen, wie konnte er nur so gut küssen?

Als wir uns voneinander lösten, fand ich meine Hand an seinem Hinterkopf wieder und ein Grinsen auf meinem Gesicht, das ich trotz ernsthaftem Bemühen nicht verschwinden lassen konnte. Milde Belustigung funkelte in seinem Blick, als er mich beobachtete und einen kleinen Schritt zurücktrat, was dazu führte, dass ich mich jetzt schon wieder nach seiner Berührung sehnte, nach diesem Sanftmut, den ich soeben in ihm entdeckt hatte.

“Du grinst, als hättest du gerade erfahren, dass du zur nächsten Königin gekrönt werden sollst.”

War seine Stimme schon immer so rau gewesen, dass sie mir kleine Blitze über den Rücken schoss und die Härchen in meinem Nacken dazu brachte, sich aufzustellen?

Gleichgültig zuckte ich mit der unverletzten Schulter. “Ich will gar nicht Königin sein. Viel zu viel Arbeit. Außerdem wärst du dann König und dann würde das Land den Bach runter gehen.”

“So weit sind wir also schon?”, fragte er und lachte.

Meine Wangen heizten sich auf und hastig verbarg ich mein Gesicht mit meinen caralischen Fähigkeiten unter einer Maske meiner normalen Hautfarbe. “Klar. Ich erwarte deinen Antrag morgen”, behauptete ich.

“Außerdem wäre ich doch ein fantastischer König. Ich habe das Talent, dass Leute mich mögen, sobald sie mich kennenlernen.”

“Sowas von.” Ich nickte übertrieben. “Als wir uns kennengelernt haben, war ich völlig hin und weg von dir. Ich konnte es kaum erwarten, bis du wieder auf meiner Schulter herumgedrückt hast.”

“So muss das”, entgegnete er. “Wenn wir schonmal dabei sind: Ich denke, ab morgen kannst du dann anfangen die Schlinge abzunehmen. Den Arm natürlich nicht zu sehr belasten und langsam anfangen mit den Bewegungen.”

“Alles klar, Boss.” Ich lächelte. Es würde sich seltsam anfühlen, den Arm wieder benutzen zu können, allerdings konnte ich es auch kaum erwarten, nicht mehr die ganze Zeit einhändig agieren zu müssen. “Apropos, haben wir nicht beide morgen Frühschicht?”

Reyu räusperte sich, nickte und warf einen Blick aus dem Fenster. “Kaluur ist schon untergegangen. Mehr als vier Stunden wird es nicht mehr dauern, bis Athkazr aufgeht.”

“Fantastisch.”

“Ich hätte heute Nacht sowieso nicht mehr geschlafen.” Er nickte zum Schlafzimmer. “Aber du solltest dich noch etwas ausruhen.”

Ich kniff die Augenbrauen zusammen und musterte ihn. Wieso schlief er nicht mehr? Wegen der Panikattacke? Vermutlich. Und so wie ich ihn kannte, würde er sich gleich, wenn ich weg war, hinsetzen und in unschönen Erinnerungen versinken. Ich unterdrückte das Gähnen, das beim Gedanken an ein Bett in mir aufstieg. “Dann bleiben wir wohl gemeinsam wach.”

“Das kommt überhaupt nicht in Frage.”

“Und wie das in Frage kommt. Ich lasse dich hier jetzt nicht noch stundenlang allein sitzen und in Selbstmitleid schwelgen. Fehlt noch, dass du noch eine Panikattacke bekommst.”

Sein Blick wanderte einmal von meinem Gesicht meinen Körper entlang und wieder zurück. Bevor ich ihn fragen konnte, was das sollte, trat er einen Schritt auf mich zu und ehe ich Gelegenheit zum Protest bekam, hatte er mich über die Schulter geworfen und trug mich ins Schlafzimmer.

“Ey”, fauchte ich und hatte das Bedürfnis, mit den Fäusten auf seinen Rücken zu trommeln, ließ das dann allerdings doch bleiben. "Ich glaub, es hackt! Lässt du mich wohl auf der Stelle wieder runter!”

Schwungvoll beförderte er mich auf das Bett und ich sank seufzend in die Kissen ein.

“Du bist unmöglich”, murmelte ich und musterte ihn kopfschüttelnd. “Das war bestimmt nicht gut für meine Schulter.” Ich richtete mich halb nochmal auf, griff nach Reyus Hemd und zog ihn daran zu mir nach unten. Vorsichtig verschloss ich meine Lippen mit seinen und freute mich, als er alles andere als abgeneigt davon schien.

“Komm”, sagte ich leise und sah ihn direkt an. “Ich lasse dich jetzt nicht allein. Komm zu mir, bitte.”

Ich sah das Zögern in seinem Blick und erwartete schon beinahe die Ablehnung. Sicher würde er sein störrisches Alleinsein nicht einfach aufgeben. Dafür war er ein zu sturer Einzelgänger.

Doch er war mal wieder für eine Überraschung gut.

Die Wärme, die sein Körper so nahe an meinem auszustrahlen schien, fühlte sich an, als würde sie bis in mein Innerstes vordringen und dort mein Herz wärmen, wie es schon lange nicht mehr geschehen war. Vorsichtig rutschte ich noch ein wenig näher zu ihm.

Das Gefühl der Geborgenheit überkam mich. Es war lange her, dass ich mich so gefühlt hatte. Genau genommen nicht mehr, seit ich Ashan verlassen hatte und erst recht nicht mehr, seit ich hier in Thazanur lebte. Und nun ausgerechnet, als ich in den Armen eines Lazaliv lag, verspürte ich diese Sicherheit. Diese Obhut. Das Gefühl, nicht allein zu sein.

Und mit diesem Gedanken glitt ich in den Schlaf.

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt