01 • 2 | Valia

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Stechender Schmerz schoss durch meinen Kopf, als ich die Augen öffnete. Stöhnend wollte ich mir an die Schläfe fassen, wodurch ich eine erneute Welle an Qualen durch meinen Arm bis hoch zum Schulterblatt sandte. Kurz versuchte ich mich zu erinnern, was passiert war, doch der Schmerz ließ mich schnell wieder zurück in einen benommenen Zustand gleiten. Nebel erfüllte meinen Kopf und löschte jeden anderen Gedanken.

Als ich das nächste Mal aufwachte, konnte ich klar genug denken, um mich an die Explosion zu erinnern. Ich war gerade auf dem Weg nach Hause gewesen, spürte noch den warmen Wind im Gesicht und dann die Hitze der Detonation, gepaart mit ohrenbetäubendem Lärm. Danach wusste ich nichts mehr.

Es war eine undefinierbare Zeitspanne, in der ich halb wach war, halb wieder einschlief. Vielleicht wurde ich auch wieder bewusstlos. Irgendwann war ich genug bei mir, um die Augen zu öffnen. Die Decke, an die ich starrte, war weiß. Mehr konnte ich nicht erkennen. Vorsichtig versuchte ich den Kopf zu drehen, was diesen wieder zum schmerzhaften Pochen brachte.

Immerhin konnte ich nun feststellen, dass ich nicht wie erwartet im Hospital war. Mein Blickfeld war durch das Kissen unter mir und die Decke, die mir bis zum Kinn gezogen war, eingeschränkt, doch was ich erkennen konnte, deutete auf ein reguläres Schlafzimmer hin. Ein Kleiderschrank aus dunklem Holz stand an der gegenüberliegenden Wand, ein Fenster ließ einige Sonnenstrahlen auf das Bett fallen und eine Kommode war voll von Papieren und Pergamentrollen. Im Augenwinkel konnte ich gerade noch eine geschlossene Tür ausmachen.

Auch der Geruch war nicht der eines Hospitals. Es roch nach gepflegtem Leder und duftendem Harz, nicht nach fauliger Krankheit und stechendem Blut.

Um etwas mehr zu sehen, wollte ich mich aufsetzen, doch sobald ich auch nur einen Finger meiner rechten Hand bewegte, schoss der Schmerz den ganzen Arm hinauf. Als ich mich mit der linken Hand aufstützen wollte, begann der Raum sich um mich zu drehen, meine Sicht verschwamm und beinahe wurde mir schwarz vor Augen.

Genau in diesem Moment öffnete sich die Tür und jemand trat ein. Blinzelnd wartete ich darauf, dass ich wieder klar sehen konnte, um zu erkennen, wer mir einen Besuch abstattete.

"Bleib liegen."

Eine harsche Anweisung, eine raue Stimme und eine neue Wolke des Ledergeruchs. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich denjenigen, in dessen Bett ich hier vermutlich lag. Dunkelbraune Augen und ungeordnete Haare in derselben Farbe, hohe Wangenknochen, gepflegter Dreitagebart und eine kleine Narbe an der linken Wange. Eher dunkle Haut, die für einen Lazaliv sprach, obwohl er in akzentfreiem Milwu gesprochen hatte, meine eigene Muttersprache.

Was zum Henker machte ich im Haus eines Lazaliv?

Der Fremde griff nach meinem linken Handgelenk, legte seinen Zeige- und Mittelfinger auf die Innenseite und maß scheinbar meinen Puls. Seine Hände waren groß, seine Finger rau und wärmer als erwartet.

"Wer bist du?" Meine Stimme war mehr ein Krächzen als alles andere und brachte mich zum Husten. Mein Oberkörper krümmte sich, Schmerz schoss durch meinen Arm und pochte hinter meinen Schläfen.

"Kopfschmerzen?", kam eine Gegenfrage.

"Offensichtlich." Ich kniff die Augenbrauen zusammen und räusperte mich. Der Lazaliv hielt mir ein Glas Wasser entgegen, das ich mit der linken Hand entgegen nahm und versuchte, möglichst unfallfrei im Liegen daraus zu trinken, während ich so tat, als merkte ich nicht, dass er mich unverhohlen musterte.

"Wieso bin ich hier?", versuchte ich es mit einer anderen Frage.

"Wie heißt du?"

Schon wieder eine Gegenfrage. Genervt verdrehte ich die Augen. "Valia. Du?"

"Reyu."

Immerhin etwas.

"Du wurdest bei der Explosion verletzt", begann er knapp zu erklären und begann die linke Seite meines Kopfes zu untersuchen, die bei jeder Berührung anfing schmerzhaft zu pochen. "Leichte Gehirnerschütterung, Platzwunde am Kopf, zwei gebrochene Zehen, schlimme Schulterwunde. Viel Blutverlust. Das Hospital ist überfüllt, deswegen bist du hier."

Sieh an, er konnte also doch mehr als drei Wörter aneinanderreihen. Während er mir half mich aufzusetzen, ließ ich mir meine Erinnerungen nochmal durch den Kopf gehen. Ich wusste nichts mehr von dem, was nach der Explosion geschehen war. Wenn ich bei Bewusstsein gewesen wäre, hätte ich ganz sicher nicht zugestimmt, zu einem Lazaliv zu kommen. "Muss ich hier sein?"

"Hast du mir gerade nicht zugehört?"

Schnell genervt war er also auch noch. Fantastisch.

"Natürlich habe ich dir zugehört. Haben sie niemand anderen gefunden, der hierher kann?"

Reyu begann, den Verband an meiner Schulter langsam abzuwickeln und ich hielt still, um keine weiteren Schmerzen zu verursachen. "Meinst du, das habe ich nicht versucht?", entgegnete er und schnaubte verächtlich.

"Du willst mich also auch nicht hier haben?"

"Sehe ich so aus, als hätte ich besonders viel Lust dazu, eine maulende Caraliv in meinem Bett zu haben, die Aufmerksamkeit braucht?"

"Sehe ich so aus, als hätte ich besonders viel Lust dazu, verletzt im Bett eines Lazaliv zu liegen und mich umsorgen zu lassen?" Ich biss die Zähne zusammen, als er begann die Wunde zu versorgen und dabei vermutlich nicht ganz so sanft war, wie er hätte sein können.

"Wieso bist du dann nicht gleich in deinem eigenen Land geblieben?", fragte er verächtlich. "Keiner braucht euch hier."

"Weil ich hierhin versetzt wurde. Denkst du, ich bin freiwillig in diesem Drecksloch, das ihr Stadt nennt?"

Wir tauschten einen gereizten Blick. Scheinbar hielt er ungefähr so viel von uns Caraliv wie ich von Lazaliv wie ihm. Wenigstens waren wir uns dann einig, dass wir uns nicht leiden konnten.

Ich nutzte die Gelegenheit der Stille, um ebenfalls einen Blick auf meine Schulter zu werfen. Meine Haut war blass, um die Verletzung herum gerötet und feucht. Die Ränder der Wunde waren zerklüftet und uneben, ein unschöner Anblick. Die Wunde selbst war eine blutige Angelegenheit, allerdings nicht eitrig und sie fühlte sich auch nicht heiß an. Ich wusste von meiner Zeit im Krieg genug über Wunden, um beurteilen zu können, dass sie nicht entzündet und die Feuchtigkeit ein gutes Zeichen war.

Reyu sprach kein Wort mehr, bis er einen neuen Verband angelegt hatte. Dann verschwand er aus dem Raum und kam mit etwas Brot und Käse wieder, außerdem einem intensiv nach Kräutern riechenden Gebräu.

"Trink", befahl der Lazaliv und reichte mir den Becher. Kurz zögerte ich und musterte die klare Flüssigkeit darin, dann sah ich zu ihm hoch. Er verdrehte die Augen. "Denkst du, ich würde dich vergiften, wenn ich dich umbringen wollte? Ich könnte dich mit verbundenen Augen und einem Zahnstocher töten."

Missmutig musste ich mir eingestehen, dass er in meinem momentanen Zustand recht hatte. Also trank ich das Kräuterzeug in einem Zug aus und gab ihm den Becher dann wieder, ohne zu erfahren, was das Gebräu bewirken sollte.

Er stellte das leere Gefäß auf der Kommode neben dem Kopfende des Bettes ab und ging nun selbst ans Fußende. Mein rechter Fuß war nicht zugedeckt und teilweise verbunden. Als ich versuchte meine Zehen zu bewegen, musste ich die Zähne zusammenbeißen, um mir den stechenden Schmerz nicht anmerken zu lassen.

Reyu betastete vorsichtig den Verband und beobachtete meine Gesichtszüge dabei. Zwar tat ich mein Bestes, keine Regung durchscheinen zu lassen, doch der Lazaliv wirkte dennoch so, als hätte ich ihm eine Antwort gegeben und er trat wieder einen Schritt zurück.

"Du bleibst im Bett, keine Belastung auf dem Fuß und du bewegst deine Schulter nicht, klar?"

"Wo gehst du hin?"

"Was geht dich das an?"

Genervt warf ich ihm einen Blick zu, der ihm eindeutig sagen sollte, was ich von ihm hielt, und drehte dann demonstrativ den Kopf von ihm weg. Scheinbar schien ihn das allerdings nicht allzu sehr zu stören, denn er verließ den Raum ohne ein weiteres Wort und ließ mich in der Stille zurück.

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt