"Entschuldigt."
Mit neutralem Gesichtsausdruck drehte ich mich um und verbarg so meine schlechte Laune. Sobald ich den Mann erblickte, erkannte ich ihn wieder. Valias 'alter Bekannter', von dem ich inzwischen eine eindeutige Vermutung hatte, wer er wirklich sein könnte. "Wie kann ich helfen?"
"Ich bin Ashan." Und so schnell ließ sich diese Vermutung bestätigen. "Ich suche nach Valia, sie arbeitet hier."
"Ja." Ich unterzog ihn einer genaueren Musterung, während ich mich fragte, wieso er inzwischen sogar hier auftauchte, um sie zu sehen. Ich wusste, dass die beiden sich in den letzten Tagen öfter getroffen hatten. Doch ich wusste nicht, wie ihr Verhältnis zueinander war. Ob sie sich nur gegenseitig auf den aktuellen Stand der Dinge brachten - oder ob sie vorhatten, der gegenseitige aktuelle Stand der Dinge zu werden.
"Ist sie hier?", fragte Ashan weiter nach und musterte mich mit erhobener Augenbraue.
Wortlos nickte ich in die grobe Richtung, in der Valia gerade arbeiten müsste, und wandte mich dann von Ashan ab und einem Patienten zu.
Ich mochte den Typen nicht.
Am Rande bekam ich mit, dass er auf der Suche nach ihr noch jemanden fragte und sie schließlich wohl auch fand, denn als ich den nächsten Blick durch die Halle schweifen ließ, verschwanden sie gerade im Aufenthaltsraum. Verächtlich schnaubte ich. Jetzt lenkte er sie auch noch von der Arbeit ab.
Kopfschüttelnd schob ich ihn aus meinen Gedanken und konzentrierte mich wieder darauf, das Handgelenk vor mir zu schienen und so den Heilungsprozess zu beschleunigen. Doch nachdem ich diesen Patienten abgeschlossen hatte, hörte ich erneut die Stimme hinter mir.
"Hast du ein paar Minuten?"
"Ich arbeite", erwiderte ich, ohne Ashan anzusehen, und begann, die Überreste der Behandlung eben aufzusammeln. "Die Schicht endet in einer halben Stunde."
Ashan ignorierte den Einwand und beschloss anscheinend direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. "Was läuft zwischen dir und Valia?"
Mit grimmigem Blick wandte ich mich zu ihm um. "Ich arbeite", wiederholte ich kühl. "Du wirst dich wohl gedulden müssen, bis ich damit fertig bin." Ohne auf eine Antwort zu warten, entfaltete ich meine Flügel und ließ den Caraliv am Boden stehen. Genugtuung erfüllte mich, als ich von oben seinen frustrierten Blick sah, wovon ich mich jedoch nicht beirren ließ. Ungestört beendete ich meine Schicht. Danach lauerte er mir jedoch sofort auf und fing mich ab, noch während ich mir das Blut meines letzten Patienten von den Fingern wusch.
"Also, was läuft zwischen dir und Valia?"
Mit dem Rücken zu ihm verdrehte ich die Augen und nahm mir gleichzeitig vor, Valia zu fragen, ob sie niemand besseren gefunden hatte. Langsam drehte ich mich um. "Wie kommst du darauf, dass etwas zwischen uns läuft?"
"Ihr wohnt zusammen." Ashans misstrauischer Blick bohrte sich in meinen. "Du hast sie behandelt. Ihr seid euch bestimmt näher gekommen."
"Du weißt, dass sie eine Caraliv ist? Und ich ein Lazaliv?", fragte ich und lächelte ihn - natürlich ganz ehrlich - freundlich an.
"Ob ich- Natürlich weiß ich das! Verkaufst du mich hier für blöd?", fauchte Ashan und trat einen drohenden Schritt auf mich zu. Eine einzelne Strähne löste sich aus seinen viel zu ordentlichen, vermutlich mit drei Litern Öl gekämmten Haaren und hing in seine glänzende Stirn.
"Das würde ich nie wagen." Seelenruhig trocknete ich meine nun sauberen Hände ab. "Wieso fragst du sie nicht selbst, ob etwas zwischen uns läuft?"
Ich konnte Ashan förmlich dabei zusehen, wie er die schäumende Wut in seinem Inneren im Zaum halten musste. "Denkst du, sie würde mir die Wahrheit sagen, wenn da etwas ist?"
"Wieso denn nicht?", fragte ich gespielt ratlos. "Du wirkst doch wie jemand, der auf eine solche Neuigkeit völlig normal und vernünftig reagieren würde."
Ashan veränderte seine Körperhaltung minimal, stellte sich etwas breitbeiniger hin und ließ eine Spannung in seine Schultern treten, die seinen Angriff schon weit im Voraus ankündigte. Doch sein Blick flackerte zu den beiden Schwertern auf meinem Rücken und ich konnte die Frage mit Großbuchstaben in seinem Gesicht stehen sehen: Wer von uns war der bessere Kämpfer?
"Ich kann dir die Frage beantworten. Dann musst du es gar nicht ausprobieren", meinte ich und legte den Kopf schief. "Du hättest keine Chance gegen mich."
Der kurz verwirrte Blick Ashans wandelte sich nun wieder in lodernde Wut. Wie leicht er doch zu provozieren war. Allerdings beschloss er wohl, dass er es mit seinem einzelnen Schwert nicht gegen meine beiden Klingen aufnehmen wollte. Er trat einen Schritt auf mich zu und funkelte mich an. Als Caraliv war er mehrere Zentimeter größer als ich, doch ich blickte ihm unbeeindruckt entgegen."Valia gehört mir", zischte er. "Sie hat schon immer mir gehört. Ich werde nicht irgendeinen dahergelaufenen Lazaliv das zerstören lassen, was sie und ich haben. Denn diese Bindung ist einmalig. Also halt dich fern von ihr."
"Sonst was?", fragte ich leise und verhinderte nicht, dass das Eis in meine Stimme trat. "Sonst was, hm? Starrst du mich so lange böse an, bis ich dir dein Eigentum zurückgebe? Pass lieber auf, dass es dir nicht wegläuft. Es hat nämlich auch einen eigenen Willen, weißt du? Es kann sich auch ganz leicht gegen dich entscheiden und dann hilft dir auch eure ach so einmalige Bindung nicht mehr."
"Drohst du mir gerade?"
"Oh, nein, ganz und gar nicht." Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. "Ich rate dir nur aufzupassen. Ein Seitensprung ist schnell geschehen."
Ashan ballte die Hand zur Faust. Automatisch hielt ich mich bereit einen Angriff abzuwehren. Jederzeit konnte ich den Dolch aus der Scheide an meinem Unterarm an seine Kehle bringen. Seine Unterlippe zitterte ganz leicht vor unterdrückter Wut, das Glänzen auf seiner Stirn wurde noch stärker. Ein paar Sekunden noch, dann würde er mich angreifen, Schwerter hin oder her.
Doch bevor er sich endgültig entscheiden konnte, öffnete sich die Tür und Valia trat ein. "Hier bist du, Ashan ... Oh." Mit erhobenen Augenbrauen musterte sie das Bild, das sich ihr bot. Hastig brachte der Caraliv einen Schritt Abstand zwischen uns beide und räusperte sich. Ein kaum merkliches Grinsen umspielte meine Lippen.
"Streitet ihr?", fragte Valia.
"Würden wir nie. Wir geben uns gutgemeinten Rat", erwiderte ich und begegnete kurz ihrem Blick. Natürlich war ihr klar, dass das nicht stimmte, doch sie hakte nicht weiter nach.
"Gehen wir, Ashan? Wir wollten doch essen gehen", meinte sie, nahm Ashan an der Hand und zog ihn aus dem Raum, bevor er mich doch noch angreifen konnte.
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Burning Jade in a Sea of Amber
خيال (فانتازيا)// Band 2 // Knirschende Knochen, sickerndes Blut und qualvoller Tod - nichts als Alltag im Leben von Reyu, der seit dem Ende des Krieges in der lazalischen Kleinstadt Zintabur als Heiler im Hospital arbeitet. Kaum einer kennt ihn als mehr als einen...