10 • 3 | Reyu

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Ein kleines Lächeln stahl sich auf mein Gesicht und ich sah es in Valias Ausdruck widergespiegelt, als wir unseren Kuss unterbrachen und uns für einen Moment ansahen. Ich wusste, dass es ein Fehler war, sie zu küssen, während sie noch mit Ashan zusammen war - doch erstens hatte sie mich geküsst, zweitens war Ashan sowieso ein Idiot und drittens würde ich diesen Kuss für nichts und niemanden wieder hergeben.

“Du lächelst”, stellte Valia leise fest, unsere Gesichter so nahe beieinander, dass ich die Worte an meiner Wange spüren konnte. “Was für eine Ehre.”

“So selten lächle ich gar nicht, ihr behauptet das nur immer alle”, murmelte ich und meine Lippen strichen sachte über ihre Wange, über ihren Mundwinkel.

“Lüge. Sogar Ashan hat festgestellt, dass du immer grimmig aussiehst, und der bekommt dich einmal am Tag zu Gesicht”, erwiderte Valia und brachte damit unser beider Gedanken auf das Thema, das ich doch eigentlich so gerne aus dem Kopf haben würde.

Zögerlich löste sie ihre Hand aus meiner, trat einen kleinen Schritt zurück und sah zu Boden. “Reyu-”

“Schon gut”, unterbrach ich sie und brachte etwas mehr Abstand zwischen uns, ignorierte das schmerzhafte Ziehen in meinem Herzen. “Ich weiß.”

“Nein. Ich muss … Ashan ist … Aber du …” Sie stoppte ihr Gestammel und schwieg kurz. Die Verwirrung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Nervös fuhr sie sich mit einer Hand durch die Haare. “Ich weiß nicht, was ich will”, sagte sie schließlich und klang so verzweifelt, dass ich sie gerne in den Arm genommen hätte.

“Ich werde dich zu keiner Entscheidung drängen”, erwiderte ich leise, meine schäumenden Emotionen unter Kontrolle und gut verschlossen.

“Danke”, flüsterte sie. “Ich muss darüber nachdenken. Und mit Ashan sprechen.”

“Natürlich.” Ich neigte leicht den Kopf, während jede Faser meines Körpers sich danach sehnte, sie an mich zu ziehen und den Kuss von gerade eben zu wiederholen. Doch ich sah ihr an, dass das Gefühlschaos in ihr gerade zu groß war, als dass sie davon begeistert wäre. Und ich wollte sie nicht abschrecken.

“Gute Nacht”, erwiderte sie leise und wandte sich ab, um wieder ins Schlafzimmer zu gehen.

“Warte.” Als sie sich nochmal umdrehte, hielt ich ihr die Decke entgegen, die neben dem Kamin auf dem Boden gelegen hatte. Sie nahm sie entgegen, lächelte mich zaghaft an und schloss dann die Tür hinter sich.

Ich lag noch lange wach, auch nachdem die letzte Glut im Kamin erloschen war und der Sturm draußen langsam in einen gleichmäßigen Schneeregen überging. Meine Gedanken waren - wie könnte es auch anders sein - bei Valia, und ich war scheinbar nicht in der Lage, meinen Kopf von ihr abzubringen. Ihr grüner Blick hatte sich auf die Innenseite meiner Augenlider eingebrannt, ihr Kuss war verankert in meinem Herzen. An Schlaf war nicht zu denken.

Doch dabei war ich scheinbar nicht der Einzige, denn am nächsten Tag war Valia die Müdigkeit so deutlich anzusehen wie nur äußerst selten. Noch bevor unsere Schicht begann, hatte ich sie sicherlich ein halbes Dutzend Mal gähnen sehen.

Unser Umgang zeugte von vorsichtiger Vertrautheit. Wir arbeiteten wieder miteinander, brauchten aber eine Weile, bis wir uns wieder ordentlich aufeinander abgestimmt hatten und die Abläufe so reibungslos funktionierten wie vorher. Mir entging nicht, dass auch den anderen im Hospital auffiel, dass Valia und ich scheinbar wieder miteinander redeten. Zumindest bemerkte ich so einige Blicke auf uns ruhen und nicht selten wurde hinter vorgehaltener Hand geredet.

Mich kümmerte das nicht. Über mich tuschelte man sowieso immer, mir war es ziemlich egal, was andere von mir dachten.

Es freute mich, dass Valia wieder an meiner Seite arbeitete, doch als der Tag sich langsam dem Abend neigte, wurden wir beide immer stiller, denn wir beide wussten, was kam. Ashan würde sie abholen und sie müsste irgendeine Entscheidung treffen - in welche Richtung auch immer.

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt