13 • 4 | Reyu

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“Es stimmt also”, sagte ich leise und beobachtete Valia, die so aus der Fassung geraten war, dass sie sich momentan nicht so unter Kontrolle hatte wie sonst. “Du führst die Schwarze Krone.”

Sie sagte nichts, doch sie wich meinem Blick aus und starrte zu Boden. “Du musst mich töten.”

“Du bist Rebellin.”

“Weil du Rebellen so unfassbar abstoßend und unmöglich findest.”

“Wenigstens wusstest du es von mir.”

“Durch Zufall!” Ruckartig hob sie den Kopf wieder. “Wir waren zu dem Zeitpunkt noch nicht zusammen, ich hätte dich doch locker verpfiffen, wenn ich nicht für die gleiche Sache einstehen würde!”

Das war ein guter Punkt. Ich hatte mich damals durchaus gefragt, wieso sie das einfach so hinnahm. Zumal sie nicht wie jemand wirkte, der sich von meiner Drohung hätte einschüchtern lassen. “Wieso hast du mir dann nicht erzählt, dass du Rebellin bist?”

“Ich bin nicht aktiv. Ich koordiniere und gebe Anweisungen, sonst mache ich nichts. Man kennt mich nicht. Und das sollte auch so bleiben.”

“Das heißt, du wusstest auch von den verunstalteten Wappen, die ihr uns in die Schuhe geschoben habt?”

“Ja. Es war meine Idee. Noch ein Grund, wieso nicht in Frage gekommen ist, dass ich dir irgendwas erzähle.”

“Und du bist auch die Diebin? Die die ganzen Schwierigkeiten im Hospital verursacht hat?”

Überrascht starrte sie mich an. Vermutlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich davon wusste. “Wie hast du das herausgefunden?”

“König Najik.” Ich schnaubte verächtlich und funkelte sie an. “Ich glaub es nicht, Valia! Monatelang tust du so, als wärst du die verwundbare Neue, die noch so viel lernen muss, während du in Wirklichkeit alle angelogen hast? Vermutlich hast du doch auch das Angebot von Zath, überhaupt im Hospital zu arbeiten, nur angenommen, um besser stehlen zu können, oder?”

Nun besaß sie wenigstens den Anstand, schuldbewusst auszusehen. “Ja. Anfangs. Es hat vorher jemand anderes gemacht, aber so hat sich das natürlich angeboten. Allerdings ist es sehr viel schwerer geworden, als die Sicherheitsmaßnahmen erhöht wurden.”

“Oh, das tut mir jetzt aber leid! Es sind vielleicht Leute gestorben wegen dir, Valia, weil wir nicht mehr genug Vorräte hatten!”

“Wir haben die Medikamente doch auch gebraucht! Wisst ihr eigentlich, wie viele Caraliv die Rote Schar tagtäglich angreift, einfach nur, weil sie es kann? Wir kümmern uns um unser Volk!”, entgegnete sie und stemmte die Hände in die Hüften. “Und mal davon abgesehen, darfst du mir absolut nichts vorwerfen, was Verschwiegenheit angeht! Du hast mir nicht erzählt, dass du ein verdammter Massenmörder bist!”

Ich ließ es mir nicht anmerken, doch diese Worte schmerzten. Hatte sie sich vorhin nur verständnisvoll gezeigt, weil sie mich nicht verletzen wollte? Oder suchte sie gerade nur nach Dingen, die sie mir vorwerfen konnte?

“Ich unterbreche euer Ehe-Gezänk ja nur ungern”, mischte Tyrak sich nun zum ersten Mal wieder ein. “Aber ihr könnt euch das eigentlich auch sparen. Sie stirbt doch sowieso gleich.”

Sowohl Valia als auch ich starrten ihn an, der Streit für den Moment vergessen. Ich hatte nicht bemerkt, dass er sein Schwert gezogen hatte, während Valia und ich uns angefahren hatten. Langsam zog auch sie nun ihre Waffe, die Konzentration nun vollständig auf Tyrak gerichtet. Dieser warf mir einen Blick zu.

“Sie wird sterben. Wenn nicht von deiner Hand, dann von der eines anderen Handlangers des Königs und der wird dich auch gleich mitnehmen, wenn du den Auftrag nicht ausführst. Außerdem ist sie einer der Führer der Schwarzen Krone, ihr Tod bringt also uns allen etwas, und sie wird diesen Ort hier verraten, wenn wir sie laufen lassen”, erklärte er sachlich.

So dargestellt war Valias Tod vielleicht wirklich am besten für alle Beteiligten. Mit Ausnahme von ihr selbst, natürlich.

Wortlos zog ich beide Schwerter von meinem Rücken. Misstrauen blitzte in Valias Augen auf und sie veränderte ihre Position, bereit sich sowohl gegen Tyrak als auch gegen mich zu verteidigen. Sie war zwar ausgebildete Soldatin und zweifellos eine ausgezeichnete Kämpferin - doch gegen Tyrak und mich gleichzeitig hätte sie keine Chance. Das Wissen um diesen Umstand sah ich deutlich in ihrem Blick, der versuchte, den Raum unauffällig auf Fluchtwege zu kontrollieren.

Meine Aufmerksamkeit wanderte wieder zu Tyrak. Ein leichtes Lächeln war auf seinem Gesicht erschienen, das bei meinen nächsten Worten schlagartig wieder verschwand. “Du wirst sie nicht töten.”

Beide starrten mich an.

“Ich schätze, wir haben allerhöchstens fünf Tage, bis das fehlende Lebenszeichen unseres Verfolgers von vorhin auffällt und uns wieder jemand auf den Fersen ist. Vielleicht ist es nur ein Tag, vielleicht sind es auch zehn. Bis dahin müssen wir einen Plan haben. Ich weiß, ihr könnt euch jetzt vermutlich noch weniger ausstehen als vorher schon und ja, Tyrak, es ist unmöglich, dass ich mit einer Caraliv zusammen bin, und das ist verräterisch und schrecklich und was weiß ich noch alles. Den Vortrag kannst du dir sparen. Du warst nämlich der, der mir gesagt hat, dass ich um sie kämpfen soll.”

Er versuchte, mich zu unterbrechen, aber ich ließ ihn mit erhobener Hand schweigen und sprach einfach weiter, ohne ihm Gelegenheit zu geben dazwischenzufahren.

“Und ja, du wusstest nicht, dass sie eine Caraliv ist und schon gar nicht ein hohes Tier in der Schwarzen Krone. Letzteres wusste ich auch nicht. Aber das ist völlig nebensächlich. Wenn man mal so darüber nachdenkt, haben wir eigentlich dasselbe Ziel, wir wollen es nur mit unterschiedlichen Methoden erreichen. Unser Problem ist gerade, dass ich Valia töten muss, es aber nicht tun werde. Dafür brauchen wir Lösungen. Produktive Vorschläge, jetzt.”

Für einige Sekunden war es still und die beiden schienen sich durch den Kopf gehen zu lassen, was ich gerade gesagt hatte.

Irgendwann flüsterte Valia ein leises “Danke”, jedoch ohne mich dabei anzusehen. Ich nickte nur kurz und sah zu Tyrak, der sie nun eher nachdenklich als feindselig musterte.

“Reyu hat recht”, sagte er und überraschte damit sogar mich. “Wir stehen für dieselbe Sache ein. Wir wollen Krieg. Die Rote Schar plant schon länger eine Offensive, aber wir haben noch nicht genug Leute.”

Nun war es an mir, ihn anzustarren. Wollte er gerade wirklich das erreichen, was ich vermutete?

“Es würde noch mindestens ein halbes Jahr dauern, bis wir die zusammenhaben”, fuhr er fort, der Blick nun direkt auf Valia gerichtet. “Wir könnten die Sache beschleunigen und die Könige jetzt angreifen, wenn wir mit den Caraliv der Schwarzen Krone einmalig gemeinsame Sache machen.”

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt