Reyu verbot mir tatsächlich am nächsten Tag ins Hospital mitzukommen und ich musste wohl oder übel nachgeben und im Bett bleiben. Ich beschäftigte mich mit einem Spaziergang zum Markt, wo ich Reyu den Wocheneinkauf abnahm, und räumte dann alles in die Schränke, was nicht unbedingt die einfachste Aufgabe war. Oft musste ich auf den Stuhl oder sogar den Tisch steigen, um ansatzweise an die Türen heranzukommen. Und das mit zwei gebrochenen Zehen.
Dämliche Lazaliv.
Danach war mir langweilig und ich begann ein wenig sauber zu machen, staubte alle Ablagen ab und begann dann sogar noch mit dem Fensterputzen, bis die Sonne Athkazr hinter den Häusern verschwand und nur noch der rote Kaluur die Straßen erhellte.
“Da war jemandem langweilig”, war Reyus erster Kommentar, als er nach Athkazrs Untergang irgendwann durch das noch geöffnete Fenster hereinkam und lautlos landete. “Du hast geputzt.”
“Hätte nicht gedacht, dass dir das auffällt”, bemerkte ich und musterte ihn. “Du stinkst.”
“Ich freue mich auch dich zu sehen, Giftzwerg”, murmelte er und schüttelte den Kopf. “Ich musste bei den Kranken aushelfen und scheinbar haben die jetzt angefangen sich zu übergeben.”
“Jetzt plötzlich?”
“Zumindest alle, die sich neu angesteckt haben.” Reyu nahm seine Schwerter vom Rücken und hängte sie neben der Tür auf, striff sich dann die alten, ausgelatschten Stiefel von den Füßen. “Wie geht es der Schulter?”
“Gut.” Er hob eine Augenbraue, aber ich erwiderte den Blick unschuldig. “Wie geht es dem Rücken?”
“Gut.”
Ihn nachahmend hob ich ebenfalls die Braue und er schüttelte den Kopf. “Du bist unmöglich.”
"Und hungrig", erwiderte ich. "Wasch dich und dann koch was, mit dem Arm hier würde ich nur die Küche abfackeln."
"Zu Befehl." Er verdrehte die Augen, kam aber meinen Anweisungen nach und noch bevor es ganz dunkel war, saß ich am Tisch und schob mir das angebratene Gemüse in den Mund.
"Wie geht es Darick?", fragte ich und musterte Reyu.
"Unverändert", antwortete er knapp. "Die anderen Patienten beschweren sich über ihn. Er brüllt nachts alles zusammen. Lang kann es so nicht weitergehen."
"Was wollt ihr machen? Ihr könnt ihn ja schlecht umbringen."
Reyu sah auf und begegnete meinem Blick mit einem Ausdruck, der mir den letzten Bissen im Rachen stecken bleiben ließ. Hustend versuchte ich, meine Luftröhre wieder zu befreien.
"Es haben sich keine Angehörigen gemeldet", begann Reyu es mir zu erklären, sobald ich wieder atmen konnte. "Es gibt praktisch keine Hoffnung auf Besserung, er ist nicht mehr ansprechbar und er stört die anderen Patienten."
Ich schwieg und starrte auf meinen Teller. Der Appetit war mir vergangen. Zwar hatte ich tatsächlich noch kein Wort mit Darick gewechselt, doch er konnte nicht älter als zwanzig sein - er hätte sein ganzes Leben noch vor sich. Seine Verletzungen waren nur so schlimm, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Er konnte nichts für das, was ihm passiert war.
Und nun starb er, weil irgendwelche lazalischen Rebellen beschlossen hatten, dass ihnen der Frieden nicht passte.
-'-
Den nächsten Tag durfte ich zwar mit, doch beorderte Reyu mich zu langweiligen, wenig fordernden Aufgaben und so musste ich den ganzen Vormittag im Medikamentenlager stehen und dokumentieren, wie viel wir von was gebraucht hatten, anschließend die Vorräte aufstocken und dafür endlos viele Pflanzen sortieren und mahlen.
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Burning Jade in a Sea of Amber
Fantasía// Band 2 // Knirschende Knochen, sickerndes Blut und qualvoller Tod - nichts als Alltag im Leben von Reyu, der seit dem Ende des Krieges in der lazalischen Kleinstadt Zintabur als Heiler im Hospital arbeitet. Kaum einer kennt ihn als mehr als einen...