15 • 1 | Reyu

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Als ich aufwachte, war ich wieder dort. Die Steinwände um mich herum, die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, Blutgeschmack im Mund. Zittrig einatmend schloss ich die Augen, doch die Szene veränderte sich nicht, als ich sie wieder öffnete. Ich war wieder hier.

Ich schluckte einmal, doch der Geschmack nach Blut ließ sich nicht so einfach loswerden. Mit zusammengebissenen Zähnen lehnte ich den Kopf an die Wand, an der ich mit dem Rücken lehnte, und versuchte mich mit einer routinemäßigen Situationsanalyse abzulenken.

Der Raum war kleiner als meine frühere– Nein, ich durfte nicht so denken, ich musste Ruhe bewahren.

Der Raum war nicht groß, aber lang; zwanzig Schritte in die Breite, vier in die Länge. Zu beiden Seiten saßen in regelmäßigen Abständen ein halbes Dutzend andere Gefangene, alle Männer. Die Wand zu unserer Rechten bestand aus einem Gitter, das in einen schmalen Gang führte, auf dessen gegenüberliegender Seite eine Laterne an der Wand hing.

Es war bis auf ein gelegentliches Rascheln von Kleidung, wenn sich jemand regte, vollkommen still. Es roch nach dem Öl der Laterne und nach dem kühlen Stein, der mich hier überall umgab. Die Temperatur war frisch, aber nicht unangenehm kalt.

Ich lehnte aufrecht an der Wand, meine Handgelenke hinter meinem Rücken zusammengebunden, meine Knöchel an einem Eisenring im Boden befestigt. In meinem Unterschenkel erinnerte mich ein dumpfes Pochen an den letzten Kampf, doch ich spürte auch den dicken Verband, der um die Wunde lag und gegen meinen Stiefel drückte. Kopfschmerzen flauten immer wieder ab, nahmen dann wieder zu. Wenn ich meine Gesichtsmuskeln bewegte, konnte ich getrocknetes Blut auf meiner Schläfe spüren.

In Gedanken ging ich den letzten Kampf durch, versuchte zu überprüfen, ob ich mich an alles erinnern konnte. Ich wusste, dass Valia auch gefangen genommen worden war, dass sie soweit nicht schwer verletzt ausgesehen hatte. Dann hatte ich den Schlag auf den Kopf bekommen, aber der hatte, so wie es aussah, keinen schweren Schaden hinterlassen. Eine leichte Gehirnerschütterung vielleicht.

Langsam drehte ich den Kopf nach links zu den anderen Männern. Ich kannte niemanden, doch sie wirkten alle nicht besonders heruntergekommen, was meine eigentlich ohnehin sichere Vermutung bestätigte: In dieser Zelle würde ich nicht viel Zeit verbringen. Es gab nichts zu trinken und keine Möglichkeit, sich zu erleichtern. Das hier war eine Übergangszelle, vermutlich für die, die noch verhört werden würden.

Ich schloss die Augen und blendete meine Umgebung aus, konzentrierte mich auf meine Atmung. Vier Sekunden einatmen, zwei Sekunden halten, vier Sekunden ausatmen. Ich blieb ruhig.

Zumindest, bis ich aus der Richtung des Ganges das unmissverständliche Klimpern eines Schlüsselbunds hörte, das mich mit einem Schlag zurückversetzte. Genau so, mit diesem unverkennbaren Geräusch, wie es in diesem langen Steingang hallte und immer lauter wurde... Genau so hatte auch sie sich immer angekündigt.

Die Gittertür öffnete sich mit einem leisen Quietschen. Meine Atmung beschleunigte sich, ich spürte die Panikattacke kommen wie man ein nahendes Gewitter spüren konnte. Trotzdem öffnete ich die Augen, als die Schritte sich mir näherten.

Grobe Hände befreiten meine Knöchel und zogen mich hoch. Ich versuchte zu stehen, doch mein verletztes Bein gab unter mir nach und ich wäre gefallen, hätten die beiden Soldaten mich nicht gestützt. Auch die Fesseln um meine Handgelenke lösten sie, sodass ich mich auf beiden Seiten auf ihre Schultern stützen konnte, als ich ihnen dann langsam humpelnd folgte. Die Bewegung tat gut, ich konnte mich darauf fokussieren, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dennoch lauerte die Panik in meinem Unterbewusstsein, zu jedem Zeitpunkt bereit auszubrechen.

Selbstverständlich stiegen wir die Treppe aus den Verliesen empor und schlugen dann den Weg zum Thronsaal ein. Auf dem Weg gesellte sich hinter uns ein weiteres Paar Schritte zu uns, unregelmäßig, als würde ein Bein immer etwas nachgezogen werden. Beinahe spürte ich ihren dunkelblauen Blick, wie er sich in meinen Rücken bohrte, in die Narben, die sie darauf hinterlassen hatte.

Es kostete mich so viel Konzentration, meine Atmung ruhig zu halten, dass ich stolperte und beinahe fiel, was eine neue Welle Schmerz durch mein Bein fahren ließ. Ich spürte, wie langsam frisches Blut durch den Verband sickerte.

Vor dem Thronsaal hielten wir an und ich wurde angekündigt, dann trat ich auf die Soldaten gestützt langsam ein. Bis zur Mitte des Saals humpelte ich vor, dann wurde mir grob in die Kniekehlen getreten und ich fiel hart auf den Marmorboden. Während die Schritte der Soldaten sich etwas entfernten und die beiden sich wohl neben die Tür stellten, bezog die Generalin wieder hinter mir Stellung. Langsam richtete ich mich wieder in eine aufrecht kniende Position, den Kopf hielt ich gesenkt.

"Reyu aus Zintabur, Sohn von Erean." Najiks Stimme war kühl, abweisend. Langsam sah ich auf und begegnete seinem kalten Blick. Wieder stand er neben seiner Schwester und seinem Schwager. "Vor nicht einmal einer Woche wart Ihr hier, um einen neuen Auftrag entgegenzunehmen. Heute seid Ihr hier, weil Ihr euch mit Eurem Ziel verbündet habt und wir Euch als Mitglied der Rebellengruppe Rote Schar identifiziert haben. Widersprecht Ihr?"

"Nein."

"Wieso habt Ihr Euren Auftrag nicht ausgeführt?"

"Valia und ich sind ein Paar."

"Wusstet Ihr von ihrer Identität als Rebellenführerin?"

"Nein."

"Wusste sie von Eurer Identität als Rebell?"

"Ja."

Die knappen Fragen pausierten kurz. Ich blieb reglos vor den Königen knien, beobachtete, wie sie einen Blick tauschten.

"Nachdem Ihr zu Beginn des Friedens freigelassen wurdet, habt Ihr Euch der Gruppe angeschlossen? Oder sie gegründet? Wie ist sie aufgebaut?", fragte Najik weiter.

Diesmal hatte ich nicht vor, zu antworten. Knapp schüttelte ich den Kopf. "Verzeiht, Ni Akumdr, aber ich werde meine Gefährten nicht verraten."

"Ihr seid Euch im Klaren darüber, dass Eure Überlebenschancen durch Kooperation um einiges erhöht werden können?"

Ich neigte den Kopf. "Bei allem Respekt, mein König, aber Ihr müsst mich nicht belehren. Schon einmal wurde ich in genau diesem Palast gefoltert und schon einmal habe ich geschwiegen. Ich werde die Rote Schar genauso wenig verraten wie ich Valia töten werde."

"Sie ist eine Verräterin an der Krone", sprach nun Azvar das erste Mal.

"Und das ist für Euch eine Überraschung?" Würde ich nicht spüren, wie das Blut aus der Wunde an meinem Unterschenkel sickerte, hätte ich mich nun erhoben. "Sie war Soldatin auf dem Weg die Ränge nach oben, hätte viel erreichen können, und wurde dann in ein Land versetzt, in dem ihr als Frau keinerlei Möglichkeiten geboten werden. Es ist nur natürlich, dass sie das verbittert und sie etwas dagegen tun will - zumal Valia eine Frau ist, die für ihren Willen und ihre Vorstellungen einsteht."

Stille. Ich sah, wie Kaira ihrem Bruder einen Blick zuwarf. Alle drei waren gut genug darin, ihre Emotionen unter Verschluss zu halten, doch ich glaubte zu erkennen, dass sie über diesen Standpunkt noch nie nachgedacht hatten.

"Also ja, sie ist eine Verräterin an der Krone. Aber sie ist es, weil sie vorher von der Krone verraten wurde."

Wieder herrschte für einige Sekunden Schweigen. Dann machte Najik eine knappe Handbewegung in Richtung Tür. "Bringt ihn weg."

Ich hätte gerne noch mehr gesagt. Ihnen erklärt, wie gerne Valia eine bedeutende Position im Heer gehabt hätte, wie wichtig ihr ihr Volk und ihr Land waren. Doch die Soldaten zogen mich auf die Beine und ich hatte keine andere Wahl, als ihnen humpelnd aus dem Saal zu folgen.

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt