02 • 3 | Valia

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Irgendwann würde ich ihn Kopf voran aus dem Fenster werfen. Das schwor ich mir, als ich mich auch die nächsten Tage nicht anders beschäftigen konnte, als im Bett oder auf dem Diwan herumzuliegen und jeden noch so langweiligen Artikel des Tagesblatts zu lesen. Langsam könnten sie auch wieder aufhören, über die Explosion zu berichten. 

Ja, wir wussten jetzt, dass die Rote Schar dahintersteckte. Ja, natürlich freuten wir uns alle, dass die Informationsverbreitung über die Trommeln so gut funktioniert hatte und man dieses System auch in anderen Städten einführen könnte. Es war auch bei jedem angekommen, dass der Stadtrat den Angehörigen der Opfer Beistand aussprach und man natürlich jeden unterstützen würde, der sein Zuhause verloren hatte.

Ich schnaubte leise, als ich eine erneute Rede des Vorsitzenden im Stadtrat las. Eine fantastische Unterstützung durfte ich hier erfahren, verletzt und verlassen im Bett eines unfreundlichen Lazalivs.

Schwungvoll öffnete sich die Tür. Wenn man vom Teufel sprach. Mit dem üblichen verschlossenen, leicht genervten Blick kam Reyu herein und musterte mich mit der gewohnten Abneigung. “Stell die Leiter neben die Tür, wenn du zuhause bist. Wenn du gehst, kannst du sie draußen stehen lassen, bis du wiederkommst”, wies er mich an. “Zath meint, du kannst im Hospital anfangen, sobald du dich fit genug fühlst. Du wirst erstmal eingeführt, wenn deine Schulter dann besser ist, kannst du richtig anfangen.”

“Fantastisch.” Ich lächelte ihn sarkastisch an und erhob mich aus dem Bett. “Dann mal los.”

“Du willst jetzt schon mit? Vergiss es. Du hast zwei gebrochene Zehen.”

“Ich habe zwei gebrochene Zehen, die einwandfrei verheilen und mir keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Deine Besorgnis um meinen Zustand ehrt mich ja”, meinte ich spöttisch, “aber ich kann auch keinen ganzen Mondwechsel nur im Bett herumliegen.”

“Himmel”, murmelte Reyu kopfschüttelnd. “Du hast zwei Minuten, dann gehe ich.”

Ich ließ das sich anbahnende Lächeln auf meinem Gesicht zu und nickte zufrieden, griff dann nach den Schuhen, die der Lazaliv mir mit viel Murren gemeinsam mit anderer Kleidung besorgt hatte. Sie waren etwas zu weit, was mit dem Verband am rechten Fuß aber eher ein Vorteil war.

Keine drei Minuten später hatte ich meine Haare in den üblichen Zopf gebunden und stand an der Tür, froh, endlich wieder etwas zu tun zu haben. Mit dem Arm in der Schlinge würde ich zwar noch nicht wirklich helfen können, allerdings war es ja schon ein Erfolg, nicht mehr hier festzusitzen.

Die Leiter herunterzukommen war erstaunlich kompliziert, doch sobald ich es einhändig geschafft hatte, drehte ich mich zufrieden mit dem Gesicht zur morgendlichen Sonne Athkazr und lauschte den üblichen Geräuschen, die sonst nur durch das Fenster hereindrangen.

Das Klacken der Krallen der Ihashe auf dem Kopfsteinpflaster wurde übertönt von den Trommeln, die gerade die Zweite Stunde verkündeten. Flügelschlagen war immer wieder von oben zu hören und die belebte Straße sorgte für ein stetiges Stimmengewirr.

“Steh nicht so dumm rum, wir sind sowieso schon spät dran.”

Seufzend schlug ich die Augen auf und sah einem missbilligenden Reyu entgegen. Zwar war sein Blick alles andere als freundlich, doch blieb ich trotzdem einen Moment daran hängen. 

Jetzt im Sonnenlicht fiel mir zum ersten Mal auf, dass seine Augen nicht einfach dunkelbraun bis schwarz waren, sondern kleine Sprenkel in Gold und Grün die Iris zierten und seinen Blick irgendwie faszinierend machten. Es war, als hätte man mehrere Ebenen übereinander gelegt, die nun eine Tiefe erzeugten, die mich in ihren Bann zog. Er hatte diesen Blick von jeglichen Emotionen geleert, doch hatte ich den Eindruck, als könnte ich bis in sein Inneres sehen, wenn ich mich nur weit genug hinein stürzte.

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt