“Du hast gesagt, wenn all das hier vorbei ist”, murmelte ich einige Minuten später, in denen ich in Gedanken an Tray versunken war. “Wann ist das hier alles vorbei?”
“Wenn die Rebellen uns befreit haben und wir uns aus dem Staub machen.” Valias Stimme klang nicht so, als wüsste sie nicht genau, auf was ich hinaus wollte.
“Was dann? Werden wir zulassen, dass sie den Krieg wieder aufleben lassen? Wollen wir den Krieg noch? Valia, wir waren schon immer gegen den Frieden, aber ich bin lieber für den Frieden und dafür mit dir zusammen als andersherum.”
Sie schwieg einige Sekunden, dann spürte ich das Nicken an meiner Schuler. “Ich auch.”
“Dann müssen wir die Könige warnen”, stellte ich leise fest. “Wenn wir ihnen sagen, dass die Rebellen angreifen werden, dann sind sie vorbereitet. Najik muss nicht sterben.”
Valia zögerte kurz, dann nickte sie langsam. “Ja. Vielleicht werden sie es auch wertschätzen, dass wir ihnen helfen.”
“Und vielleicht lassen sie uns frei, wenn wir sie vor einer Gefahr warnen.” Ein leises Seufzen entwich mir. Ich würde meinen besten Freund verraten. Was, wenn er dabei starb? Ich konnte nicht noch einmal für den Tod eines mir Nahestehenden verantwortlich sein. Aber war es besser, den Krieg wieder anzufangen und unzählige Tode zu verursachen? Nein. Ich musste stark sein. Und Tyrak war gerissen, er konnte sich aus allem wieder herausmogeln. Er würde nicht sterben.
Es war die richtige Entscheidung, die Könige vor dem geplanten Angriff zu warnen. Da war ich mir sicher.
Oder so redete ich es mir zumindest ein, als ich aufstand und den Soldaten vor der Zelle auf mich aufmerksam machte.
Einige Minuten brauchte es, bis ich ihn überzeugt hatte, eine Audienz bei den Königen zu erbeten und danach vergingen abermals mehrere Minuten, bis drei Soldaten auftauchten, die uns in den Thronsaal brachten und uns vor die Könige geleiteten. Diesmal war ich geistesgegenwärtig genug, mich schon auf die Knie sinken zu lassen, bevor sie mich treten konnten. Valia war nicht schnell genug und wurde neben mir grob zu Boden gestoßen.
"Ni Akumdr", murmelte ich, während sie die caralischen Begrüßungsfloskel verwendete, um Azvar anzusprechen. Kaira war nicht anwesend.
"Ihr habt Euch doch dazu entschieden zu reden", kam Najik ohne Umschweife zur Sache.
"Ja. Wir möchten Euch warnen", sagte ich und sah zu den beiden auf.
"Vor?", fragte Azvar, hob eine Augenbraue. Seine Skepsis war nicht unbegründet - er war der König, wovor sollten wir ihn warnen?
Plötzlich war mein Mund wie ausgetrocknet. Ich konnte doch nicht einfach Tyrak verraten. Er war mein bester Freund. Mein längster Freund. Mein einziger Freund.
Aber er war auch bereit, für etwas zu sterben, was ich so nicht mehr wollte. Und das hieß ja nicht, dass ich ihn tötete. Es hieß nur, dass ich den Mord am König verhinderte.
Valia bemerkte mein Zögern und ergriff selbst das Wort. "Die Schwarze Krone und die Rote Schar haben das Ziel, sich zu vereinigen, um den Frieden ein für allemal zu beenden. Sie werden den Palast angreifen und König Najik töten."
Stille folgte auf diese Worte, dann ein verächtliches Schnauben von einem der Könige. "Und das sollen wir glauben?", fragte Najik. "Die beiden Rebellengruppen standen schon immer in Konkurrenz miteinander. Niemals würden sie sich vereinigen."
Valia und ich tauschten einen Blick. Wenn wir schon ehrlich waren, dann auch richtig.
"Wir beide waren es, die dieses Treffen arrangiert haben", begann ich. "Die Führung der Roten Schar hat sich mit der Führung der Schwarzen Krone getroffen und einen Plan ausgearbeitet. Valia und ich wurden allerdings gefangen genommen, bevor er ganz ausgearbeitet werden konnte."
Ich beobachtete, wie Najik vom erhobenen Teil des Saals herunterkam und sich uns einige Schritte näherte. "Nun, das ist natürlich bequem für Euch. Zuerst verweigert Ihr jegliche Antworten, dann habt Ihr Zeit Euch in der Zelle abzusprechen und auf einmal kommt ein Plan heraus, wie Ihr Euch bei uns beliebt machen könnt. Sogar mein Leben retten wollt Ihr."
Der Spott in seiner Stimme ließ meine Hoffnung rapide sinken. Doch ich wollte seine Antwort nicht einfach auf mir sitzen lassen.
“Bitte glaubt uns. Ja, wir haben den Plan anfangs mit entwickelt, aber erst vorhin in der Zelle ist uns bewusst geworden, dass wir ihn nicht mehr ausführen wollen”, versuchte ich ihn zu überzeugen.
“Der Frieden hat uns beiden die Möglichkeit gegeben, uns zu finden”, sagte Valia leise. “Im Krieg wären wir niemals zusammengekommen. Ich liebe Reyu. Ich möchte nicht gegen ihn kämpfen müssen. Deswegen verraten wir hier gerade unsere Gefährten.”
Er glaubte uns nicht. Azvar auch nicht. Die beiden machten sich nicht einmal die Mühe, das in ihren Gesichtsausdrücken zu verbergen.
“Trotzdem würden die Rote Schar und die Schwarze Krone niemals zusammenarbeiten. Schon seit ihrer Gründung sind sie verfeindet. Und sie kämpfen für genau das Gegenteil - sie wollen ja eben nicht, dass Caraliv und Lazaliv zusammenarbeiten.” Najik war ein Stück vor uns auf und ab gelaufen. “Reyu, ich weiß, wie gerissen Ihr seid. Ich hätte mehr von Euch erwartet.”
“Es ist die Wahrheit, Ni Akumdr”, versprach ich, ließ die leise Verzweiflung sich in meine Stimme schleichen.
Valia hob den Kopf, sah ihn bittend an. “Veranlasst zusätzliche Wachen im Palast, nehmt Sicherheitsmaßnahmen vor. Die Rebellen werden bald zuschlagen und sie werden auf Euer Blut aus sein. Stellt vor allem Soldaten vor Eure Gemächer und auch vor die Eurer Schwester, falls sie sie als Druckmittel verwenden wollen.”
Wut flammte in Najiks Augen auf und er wandte sich ihr zu. “Ihr wagt es, mir Anweisungen geben zu wollen?”, zischte er. “Wenn Ihr nichts weiter seid als eine verlogene Gefangene, die nur in unsere Gunst kommen will?” Er machte eine abwertende Handbewegung, der die Soldaten sofort gehorchten und uns auf die Beine zogen. “Bringt sie zurück in die Verliese. Getrennte Zellen diesmal.”
DU LIEST GERADE
Burning Jade in a Sea of Amber
Fantasy// Band 2 // Knirschende Knochen, sickerndes Blut und qualvoller Tod - nichts als Alltag im Leben von Reyu, der seit dem Ende des Krieges in der lazalischen Kleinstadt Zintabur als Heiler im Hospital arbeitet. Kaum einer kennt ihn als mehr als einen...