17 • 2 | Reyu

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Ruckartig fuhr ich aus dem Schlaf und kam auf die Beine, eine Hand um meinen Dolch geschlossen. Fahrig flirrten meine Augen durch den Raum, doch das Einzige, an dem sie hängen blieben, war Valia. Sie blickte mich so ruhig wie immer an und wartete darauf, dass meine Panik verflog.

“Alles ist gut, Reyu”, sagte sie leise. “Wir sind in Rokthan. Niemand tut dir etwas.”

Ich stieß hart den angehaltenen Atem aus und ließ mich zurück auf das Bett fallen, das wir uns in diesem kleinen Zimmer der Gaststube teilten. Wie immer rutschte sie zu mir und ich legte einen Arm um ihre Schultern, sodass sie sich an mich lehnen konnte und mir allein mit ihrer Nähe half.

Keiner von uns sagte mehr etwas. Sie wusste, dass ich einen Albtraum gehabt hatte und sie wusste, dass ich nicht darüber reden würde, egal ob sie nachfragte oder nicht. Nach einer kleinen Weile legte ich den Dolch weg und nahm stattdessen mein Schnitzmesser zur Hand. Im warmen Licht der Laternen von draußen begann ich an meinem Projekt weiterzuarbeiten. Valia blieb an mich gelehnt sitzen, schlief aber irgendwann wieder ein.

Ich konnte es ihr nicht verdenken. Wir waren den ganzen Tag geflogen und davor auch noch einen halben, es hatte viel geregnet und wir waren erst spät am Abend in diesem Gasthaus in Rokthan angekommen. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, vor Nervosität gar nicht schlafen zu können, doch die Müdigkeit hatte mich ziemlich schnell übermannt.

Bis ich wieder geträumt hatte. Den gleichen Traum, den ich seit Tyraks Tod immer wieder hatte und der mich jedes Mal schweißgebadet aufwachen ließ.

Mit einem leisen Seufzen strich ich über die grobe Form des Holzes, die sich mit jedem abgeschabten Holzstreifen verfeinerte, dem Gesicht, das ich so gut kannte, immer weiter annäherte.

Ich wollte ihn wenigstens als den Mann in Erinnerung behalten, der er früher gewesen war. Mein bester Freund.

Irgendwann musste ich doch wieder eingedöst sein, denn ich wachte auf, als Athkazr aufging. Mein Kopf lag auf Valias, der wiederum auf meiner Schulter lag. Als ich den Kopf hob, regte auch sie sich und richtete sich auf. Mit einem Gähnen streckte sie ihre Arme und gab mir dann einen Kuss, bevor sie aufstand und sich umzog.

Ich ließ mich nochmal zurück aufs Bett fallen und sah ihr dabei zu, was sie dazu verleitete, ihre Kleidung langsamer anzuziehen als nötig wäre. “Willst du mich herausfordern?”, brummte ich, doch sie lächelte nur unschuldig und drehte sich um.

“Schnürst du mir das Korsett?”

Seufzend stand ich auf und machte mich daran die Verschnürung um ihre Taille festzuziehen. “Seit wann trägst du ein Korsett?”

“Wir sind in Rokthan. Ich verursache vermutlich schon einen Skandal, indem ich kein Kleid trage, ich will keinen nationalen Notstand ausrufen lassen.”

“Könntest du öfter tragen. Sieht heiß aus”, stellte ich fest, als ich den Knoten festgezogen hatte und sie sich zu mir umdrehte. Unwillkürlich wanderte mein Blick zu ihrem Dekolleté.

“Ist aber furchtbar unbequem und absolut unpraktisch. Außerdem würden dann die ganzen Leute auf der Arbeit genauso schauen wie du gerade. Willst du das?”

Ich grummelte nur leise und sagte nichts mehr, hatte mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass sie nach nur einem Monat zurück im Dienst als caralische Soldatin befördert worden war und seit ein paar Tagen wieder einen Trupp von zwölf Soldaten unter sich hatte. Während ich als Heiler in Samalfar arbeitete und keine Ambitionen hatte, etwas anderes zu tun, hatte sie ihren Weg auf der Karriereleiter wieder aufgenommen. Und dafür blieb ich sogar in Samalfar wohnen, eine Entscheidung, die ich schon mehr als einmal in Frage gestellt hatte und doch immer zu dem Schluss gekommen war, dass es mir wichtiger war, ihr die Möglichkeiten zu geben und dafür selbst etwas zurückzutreten.

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt