"Meinst du nicht, du kannst mich ein bisschen bei ihr schönreden?"
"Nein, Jefor." Ich lachte, als er einen Schmollmund machte und sehnsüchtig zu Anaya linste, die mit einigen anderen irgendein Trinkspiel veranstaltete. "Du wirst sie schon noch rumbekommen."
"Ist sie wenigstens ledig? Oder hast du auch noch Konkurrenz?", fragte Ekran, der mit uns und drei weiteren am Tisch saß.
"Sie findet Reyu attraktiv", stellte ich fest. "Aber sie hat keinen Freund."
"Also keine Konkurrenz", meinte Vicar und grinste. "Bevor der eine Beziehung eingeht, wachsen mir Flügel."
"Wer weiß. Vielleicht hat er ja schon längst mit Valia geschlafen", meinte sein Bruder Neciel und wackelte in meine Richtung mit den Augenbrauen, während er mir ungefragt nachschenkte.
Aus Spaß wartete ich einige Sekunden, bevor ich es abstritt, und beobachtete die Ungläubigkeit in den Gesichtern der anderen. Lachend schüttelte ich dann den Kopf. "Das hättet ihr wohl gern. Hört auf, über ihn zu reden, er müsste gleich kommen."
Gemeinsam mit sechs anderen hatte er die Schicht übernommen, die nun am Abend kurz nach Athkazrs Untergang endete. Die Ablöse war schon aufgebrochen. Damit alle ein wenig Zeit hier verbringen konnten, hatten wir schon früher mit der Feier angefangen.
Als hätte ich ihn damit gerufen, kamen nun die sieben zur Balkontür herein, die bis vorhin noch gearbeitet hatten - darunter Reyu. Sofort sah ich ihm die Spannung in den Schultern an, die zeigte, dass er sich hier wenig wohl fühlte.
Wortlos drückte ich ihm ein Schnapsglas in die Hand und verteilte auch an die anderen welche, die sich zuprosteten und sich dann daran machten, ihren Alkoholpegel zu erhöhen.
"Mich füllst du nicht ab", murmelte Reyu, als ich ihm nachschenkte. "Ihr Caraliv vertragt nichts. Euer Blut ist zu dünn."
"Das werden wir ja sehen", erwiderte ich und irgendwie wurden wir dann beide zum Tisch bugsiert und genötigt, ein Kartenspiel mitzuspielen.
Es lief überraschend gut. Ich hielt mich alkoholtechnisch etwas mehr zurück als andere und bemerkte auch, dass Reyu nicht viel trank, doch ich hatte meinen Spaß und er wurde überraschend wenig schief angeschaut, dafür, dass ihn hier niemand erwartet hatte. Vor allem, als der Alkohol weiter floss und die Stimmung immer besser wurde.
Wie Anaya schon angekündigt hatte, waren die caralischen Brüder Neciel und Vicar die ersten, die etwas zu tief ins Glas schauten. Irgendwann begann Letzterer dann Geschichten zu erzählen von seiner verflossenen Liebe in Samalfar und wie er sie während eines Angriffs heldenhaft gerettet hatte.
Wir alle nickten ernst und tauschten untereinander amüsierte Blicke aus. Gerade, als er natürlich äußerst glaubwürdig und mit viel Gestikulation schilderte, wie er seine Geliebte vor acht Lazaliv auf einmal verteidigt hatte, stand Reyu auf, um sich ein neues Glas Wasser zu holen.
"Hey", beschwerte Vicar sich. "Jetzt kommt doch erst der spannende Teil, du kannst jetzt nicht verschwinden."
Reyu gab ein demonstratives Gähnen von sich. "Lügengeschichten habe ich in meinem Leben schon viele gehört, ich kann mir denken, wie es ausgeht."
"Du glaubst mir nicht?"
"Ach, komm schon." Reyu verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf, während er sich mit dem Glas in der Hand schon wieder abwandte. "Du machst dich nur lächerlich. So gut, wie du das beschreibst, kämpfst du nicht. Nicht für eine Frau, die du einen halben Monat vorher kennengelernt hast und die ziemlich naiv wirkt, und schon gar nicht gegen Lazaliv."
Ein weiteres Mal stellte er seine Reflexe unter Beweis. Dem Angriff Vicars wich er mit einer blitzschnellen Bewegung aus, obwohl er von hinten kam. Seinen Faustschlag blockte er scheinbar mühelos.
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Burning Jade in a Sea of Amber
Fantasía// Band 2 // Knirschende Knochen, sickerndes Blut und qualvoller Tod - nichts als Alltag im Leben von Reyu, der seit dem Ende des Krieges in der lazalischen Kleinstadt Zintabur als Heiler im Hospital arbeitet. Kaum einer kennt ihn als mehr als einen...