03 • 1 | Valia

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Einmal mehr war ich froh um meine Augen, die mir als Caraliv auch in tiefster Dunkelheit meine Umgebung erkennbar machten. Lautlos schloss ich den Gürtel um meine Hüfte und richtete die Schwertscheide. Meinen Dolch schob ich mir in das Heft an meinem Ärmel, wo er gut verborgen und dennoch schnell erreichbar war.

Mit leichten Schritten trat ich zur Tür und schob diese so langsam wie möglich auf, sodass sie kein Geräusch machen würde. Mühsam unterdrückte ich ein Gähnen.

Seit drei Tagen kam ich nun mit Reyu ins Hospital und auch wenn er mich vergleichsweise fair behandelte, hielt er mich so auf Trab, dass ich jede Nacht halbtot ins Bett fiel und bis zur Ersten Stunde durchschlief.

Doch nicht heute.

Ich war dankbar für meine Soldatenausbildung, als ich an der Wand entlang zur Tür schlich, ohne einen Laut zu machen. Tiefe Atemzüge erfüllten den Raum und ich lauschte ihnen, achtete auf Unregelmäßigkeiten. Ich wollte nicht, dass der Lazaliv von diesem Ausflug erfuhr. Zu viel hätte er sonst gegen mich in der Hand.

Reyu lag auf dem Diwan auf dem Bauch. Einer seiner Arme hing herunter, die Finger lose über dem Boden. Eine Decke lag über seiner Körpermitte und ich war froh darüber – wer konnte schon wissen, wie viel Kleidung er zum Schlafen trug.

Mein Blick blieb an seinen Füßen hängen, die in meine Richtung vom Diwan hingen und nicht von der Decke verborgen wurden. Einen Moment lang dachte ich, er hätte einfach nur Dreck an der rechten Fußsohle, doch dann wurde mir klar, dass es nicht nur ein formloser Fleck war. Vorsichtig trat ich einen winzigen Schritt näher und kniff die Augen zusammen.

Es war kein Dreck. Aber was dann? Fast sah es aus wie ein Tattoo. Reyu wirkte allerdings nicht wie jemand, der sich Tinte in die Haut stach. Ich konnte auch nicht erkennen, was für ein Zeichen es war, obwohl es mir auf den ersten Blick sofort bekannt vorkam.

Egal. Ich hatte wichtigere Dinge zu tun, ich musste eigentlich schon längst unterwegs sein …

Meine Neugier übernahm die Kontrolle. Was hatte Reyu für ein Zeichen auf der Fußsohle?

Zögernd trat ich noch einen Schritt näher, hätte ihn jetzt berühren können, wenn ich den Arm ausgestreckt hätte.

Doch so weit kam ich gar nicht.

Ein leises, raschelndes Geräusch. Ein harter Stoß nach hinten. Dann stechender Schmerz in meiner verletzten Schulter, die kühle Wand in meinem Rücken, ein Körper nahe an meinem.

Eine Klinge an meiner Kehle.

Keuchend griff ich nach meinem Schwert, bereit mich zu verteidigen, Instinkt und Reflex nun mit der Kontrolle über meine Bewegungen – die Schwertscheide war leer. Meine Muskeln verkrampften sich, wehrten sich gegen den Arm, der mit unglaublicher Kraft meine Bewegungsfreiheit einschränkte.

Bevor ich auch nur die Gelegenheit hatte, nach meinem Dolch zu greifen, hielt ein harter Griff meine Handgelenke fest und drückte mich noch fester gegen die Wand, sodass alle Luft aus meinen Lungen gepresst wurde. Die Klinge legte sich kühl und messerscharf gegen meinen Hals, bereit, mir bei einer falschen Bewegung die Kehle aufzuschlitzen.

Dunkle, ausdruckslose Augen bohrten sich in meine. Hitze stieg von Reyus nacktem Oberkörper auf und sein Duft erfüllte meine Nase, viel zu angenehm für diesen kalten Blick.

Für ein, zwei, endlos lange Sekunden starrten wir uns an. Sein Ausdruck war verschlossen und mörderisch. Er würde nicht zögern, mich in einem Blutbad zu Boden zu bringen.

Dann, endlich, trat Erkennen und Vernunft in Reyus Augen und ruckartig ließ er von mir ab. “Bist du völlig bescheuert?”, fauchte er und die Wut entfachte in seinem Blick ein Feuer, das mich lodernd verschlang. “Ich war kurz davor, dir die Kehle durchzuschneiden! Habe ich dir nicht gesagt, du sollst nachts im Schlafzimmer bleiben?”

Burning Jade in a Sea of AmberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt