14 | Geschichtsunterricht

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Vor Wut schäumende Mondsee-Augen trafen auf meine. Seine dichten Augenbrauen waren gesenkt, und die Lippen fest zusammengepresst. Seine Armmuskeln spannten sich unter der Haut an, und ich sah, dass er eine Hand zur Faust ballte.

"Wie kannst du es wagen?", rief er säuerlich in meine Richtung. Er wollte eintreten, doch Hel legte ihm ihre leichenblasse Handfläche an die Schulter, und zwang ihn zum Stehen. Ich fand es ja beeindruckend, dass er auf sie hörte.

"Magni", begann sie erstaunlich ruhig. "Du hast meine Tür ruiniert."

Seine wütend funkelnden Augen lösten sich von mir, um in Hels Gesicht zu blicken. "Hel." Er schluckte sichtbar. "Ich werde sie selbstverständlich sofort reparieren, aber zuerst muss ich diesen Menschen nach Asgard bringen. Wenn du also erlaubst?"

Er bat eintreten zu dürfen. Interessant. Das hätte ich nicht von ihm erwartet. Aber vielleicht hatte Hel doch mehr Einfluss auf die Götter, als ich dachte. Schließlich war sie eine Herrscherin, und Magni ... nun ja, ich wusste eigentlich kaum etwas über ihn.

"In diesem Zustand sicherlich nicht. Zuerst beruhigst du dich."

"Das ist doch ein Scherz!", enfuhr es ihm zornig.

"Nein. Beruhig dich doch. Du kommst in mein Reich, und stiftest Chaos. Wieso bist du überhaupt so sauer?"

"Weil sie weggelaufen ist!"

"Bei deinem Benehmen wundert mich das direkt. So was aber auch." Ich konnte den Schalk aus ihrer Stimme heraushören. "Auf wen bist du denn sauer? Auf sie? Oder dich?"

Seine verengten Augen sahen wieder zu mir. Dann seufzte er ergeben auf. "Auf mich", gab er nach einigen schweigsamen Sekunden zu. Seine Antwort überraschte mich.

"Weißt du überhaupt wie dieser Mensch heißt?", wollte Hel weiters von ihm wissen.

"Was interessieren mich die Menschen?" Magni blickte in Hels fragendes Gesicht. "Nein, ich weiß nicht, wie sie heißt! Ist das denn wichtig?"

"Magnolia und ich erzählten uns soeben lustige Anekdoten aus unserem Leben. Geselle dich doch zu uns. Ganglot, hol unserem Gast doch auch ein Trinkhorn!" Die Magd machte sich auf der Stelle auf den Weg.

"Wieso? Aber nein! Ich habe es eilig. Und sie wird mich begleiten!" Dabei deutete Magni auf mich.

"Du vergisst, bei wem du zu Besuch bist!" Zum ersten Mal erhob Hel die Stimme.

In Magnis Augen flackerte Erstaunen auf. Doch wider meiner Erwartung nickte er, und trat schließlich ein. Er ließ sich auf einen Stuhl mir gegenüber sinken, und betrachtete mich stumm.

"Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen?", wollte Hel belustigt von ihm wissen. Sie nahm ebenfalls Platz.

"Ihr erzählt euch doch Geschichten. Also lasst euch durch mich nicht stören!" Er verschränkte seine muskulösen Arme vor der Brust und begaffte mich ungeniert weiter.

Sein durchdringender Blick war mir unangenehm. Dennoch versuchte ich ihn tapfer zu ignorieren.

"Weißt du was Magni getan hat, als er gerade einmal drei Winter alt war?" Hel guckte mich fragend an, und ich schüttelte den Kopf. Woher sollte ich es denn auch wissen? "Möchtest du die Geschichte erzählen?" Sie warf dem Neuankömmling einen erwartungsvollen Blick zu.

"Du weißt es echt, mich zum Reden zu bringen." Magni wollte anscheinend angepisst klingen, doch es gelang ihm nicht allzu gut.

"Ich kann die Geschichte gerne für dich erzählen, aber bei mir wäre sie lediglich aus zweiter Hand. Die Verstorbenen plaudern gerne."

Verknallt in einen Gott?! | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt