45 | Abrakadabra

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Seit geschlagenen fünf Minuten war Magni nun fort. Modi und ich hatten die beiden bis zum Waldrand begleitet, wo Gullfaxi schon auf sie gewartet hatte. Wir hatten Sheela und ihrem Retter nachgesehen, bis sie nicht mehr zu sehen gewesen waren.

Ich stand noch immer am selben Fleck, und wurde das Gefühl nicht los, dass ich einen Fehler begangen hatte.

Was, wenn ich soeben die Geschichte änderte? Durfte ich überhaupt Menschenleben retten? Oder war dies alles schon vorherbestimmt? Wäre die Bauernfamilie auch ohne meiner Anwesenheit gestorben? Hätte Sheela so oder so fliehen können? Was, wenn Magni etwas zustieß? Wäre dann die Geschichte der Götter in Gefahr? War sie das nicht ohnehin schon?

Meine Gedanken überschlugen sich, als Modi plötzlich neben mich trat. Ich bekam seine Anwesenheit erst gar nicht mit, bis seine tiefe Stimme in meinen Verstand drang.

"Es tut schon fast weh, dir beim Denken zuzusehen. Magni kommt wieder, falls du dir darüber Sorgen machst. Und ich lasse dich nicht nochmal beinahe sterben. Also komm, wir haben einen Hund zum zurückgeben."

"Hm?" Ich schaute zu Magnis Bruder, welcher schon fast mit der Dunkelheit eins wurde. Die Sonne ging viel schneller unter, als ich es in Erinnerung hatte. Oder stand ich hier etwa schon länger, als nur fünf Minuten?

"Du kannst auch gerne hier warten, wenn du zum Fraß der Wildtiere werden willst, nur würde Magni mich dafür häuten. Deshalb, kommst du nun?"

"Du willst Ingrid jetzt ihren Hund bringen? Weißt du denn, wo ihre Tante lebt?"

"Ja, und ja."

"In Ordnung." Ich ächzte auf, als ich mich in Bewegung setzte, und folgte Modi und dem schwarzen Riesenhund zurück in das Dorf. "Was heißt überhaupt, du lässt mich nicht nochmal beinahe sterben? Was soll das beinahe in dem Satz bedeuten?"

"Ihr Frauen zerlegt auch alles, was ein Mann jemals gesagt hat, oder?" Modi seufzte theatralisch auf. "Eigentlich wollte ich damit nur sagen, dass ich dich beschützen werde."

"Dann sag' das doch gleich", nuschelte ich. Der Satz hätte meiner Auffassung nach nämlich ebenso bedeuten können, dass er mich nicht beinahe, aber dafür ganz sterben lassen würde. Zuzutrauen wäre es ihm. Obwohl ich auch ein bisschen auf Magnis Gefühl vertrauen wollte, dass seinem Bruder zu trauen war.

"Hier ist es einfach dreckig, und die Menschen sind so armselig", grummelte Modi vor sich hin, als wir uns durch die Schlammpfützen, die sich während des Regens gebildet hatten, stapften. Dieser Mann nörgelte ehrlich zu viel herum!

"Reich zu sein, und nur eine glanzvolle Umgebung zu kennen, ist nicht alles. Ich will gar nicht wissen, durch welch schmutzige Taten ihr Asen so vermögend geworden seid. Aber weißt du, wenn ihr euch immer so viel beschwert, dann helft den Menschen doch. So viel Gold wie in Asgard zu sehen ist, tut eurem Verstand nicht gut."

Modi schüttelte genervt den Kopf. "Du hast den Verstand verloren, unserem geht es prächtig. Wir sollen den Menschen helfen? Was nützt es uns?"

Ich schnaubte aus. "Was es euch nützt? Gibt es bei euch nur ein Nehmen, statt Geben? Macht es euch nicht glücklich, das Glänzen in den Kinderaugen zu sehen, wenn ihr ihnen eine Freude bereitet? Einfach so, ohne Hintergedanken. Fühlt ihr euch nicht großartig, wenn ihr einem Menschen geholfen habt, der offensichtlich Hilfe brauchte, niemals aber gefragt hätte? Denkst du wirklich, wir Menschen unterscheiden uns so viel von euch Asen? Ich habe Haare am Kopf, das ist meine Haut, und was hast du?" Ich tippte ihm auf die freigelegte Stelle seines Unterarms. Modi blieb stehen und beäugte mich kritisch.

"Vergleiche uns bloß nicht."

"Nicht? Weil wir nur mickrige Menschen sind, und ihr hochgelobte, fantastische Asen, denen wir, dreckige Menschen, den goldenen Asenpopo abwischen sollen? Verstehe ich das richtig?"

Verknallt in einen Gott?! | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt