23 | Vegetarierin

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"Kann Loki denn sprechen?", fragte ich Magni nach einer kurzen Redepause. Dass Loki der Mund von Zwergen zugenäht wurde, hieß schließlich nicht gleich, dass es für immer so geblieben war.

"Natürlich." Magni wusste anscheinend auf was ich hinauswollte, denn er redete sofort weiter. "Da Loki ein Gestaltwandler ist, verwandelte er sich kurze Zeit später in den alten Loki zurück. Also, ohne die fiesen Narben in seinem Gesicht."

"Loki ist ein Gestaltwandler?", fragte ich verdutzt, und kam nicht darum herum, dabei an Werwölfe zu denken.

Das alles wusste ich nicht. Generell hatte ich zu meinem Bedauern viel zu wenig Wissen über die nordische Mythologie. Hätte ich mich bloß in der Zukunft dafür interessiert! Dann wüsste ich jetzt mehr über Ragnarök, die Zwerge, den Fenriswolf, die Midgardschlange, und auch über Magni!

"Ja, er kann sich in alles verwandeln, was er schon einmal mit eigenen Augen gesehen hat."

"In alles?" Ich warf Magni einen perplexen Blick nach hinten zu.

"Ja. Aber in so kleine Tiere wie Mücken oder Fliegen verwandelt er sich anscheinend nicht gern, weil es schmerzhaft ist, seinen Körper in so ein kleines Wesen zu quetschen. Außerdem will er nicht von Asen erschlagen, oder von einer Kröte verspeist werden. Aber grundsätzlich kann er sich in alles und jeden verwandeln."

"Das bedeutet, wenn er jetzt plötzlich vor uns steht, und sich in dich verzaubert, dann könnte ich euch nicht auseinanderhalten?"

"Nun." Magni überlegte einen Moment. "Es ist nur der Körper, den er ändern kann. Die Kleidung wäre noch die von Loki. Und so viel Zeit wie du mit mir schon verbracht hast, denke ich, kannst du uns vom Geruch unterscheiden."

"Trotzdem gruselig. Loki will ich am liebsten nicht begegnen." Genausowenig wie seinen Kindern dem Fenriswolf, oder der Midgardschlange. Aber das schien momentan unausweichlich.

Wir ritten eine Weile auf Gullfaxi, ehe Magni eine Pause einlegte. Der Hengst graste sofort neben dem Waldrand, an dem wir hielten. Ich schaute mich kurz um, doch außer Wiese und Wald konnte ich nicht viel erkennen.

Der Wind brauste, und wehte einen salzigen Geruch in unsere Richtung. Ich schlussfolgerte, dass das Meer nicht weit von uns entfernt lag, doch ich das Rauschen aufgrund des Windes nicht hörte. Das Gras bog sich in alle Himmelsrichtungen, und auch vereinzelte Haarsträhnen flogen mir immer wieder ins Gesicht, und blieben an meinen Lippen, oder meinen langen Wimpern hängen.

"Ich bin gleich wieder zurück."

Im der ersten Sekunde wollte ich sofort protestieren, und Magni anflehen, dass er mich hier nicht zurücklassen sollte. Doch dann besann ich mich wieder. Ich hatte den Halb-Riesen noch nie beim Toilettengang erwischt, weshalb es für mich nur logisch war, dass er diesen bestimmt auch einmal verrichten wollte. Also ließ ich Magni ohne Widerworte gehen, und wartete neben Gullfaxi ungeduldig auf seine Rückkehr.

Dieses gleich wieder stellte sich als länger heraus, als ich angenommen hatte. Hätte ich eine Uhr bei mir, dann wäre bestimmt schon eine Viertelstunde vergangen. Wo blieb mein Holzkopf bloß?

Immer wieder spähte ich in den Wald hinein, wagte aber nicht, ihn ohne Magni zu betreten. Außerdem hatte er doch gesagt, dass er gleich wieder zurück sein würde.

Weitere Minuten verstrichen, in denen ich mir absolute Horrorszenarien ausmalte. Langsam machte sich Sorge in mir breit, doch gleichzeitig fühlte ich mich auch sehr hilflos.

Sollte ich nach ihm suchen? Aber, was wenn er genau dann zurückkam, wenn ich nicht mehr da war, und dann dachte, dass ich schon wieder geflohen war?

Ich warf dem Cremellohengst einen Blick zu. Er graste genüsslich, und hob nie den Kopf. Gullfaxi wägte sich in Sicherheit. Sollte etwas mit seinem Besitzer sein, dann würde er das doch mitbekommen, oder? Zumindest würde er den Kopf heben, die Ohren spitzen, und lauschen. Pferde waren schließlich Fluchttiere.

Verknallt in einen Gott?! | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt