Kapitel 84

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Und das, was sie dann am nächsten Tag von Malena zu sehen und zu hören bekamen, riss ihm den Boden unter den Füßen weg. Regungslos starrte er auf die Bilder der Nachrichten, die Malena auf ihrem Handy hatte. Er bekam einen trockenen Hals und sein Herz pochte bis zum Hals. Er spürte, wie Amelie eine Hand auf seinen Oberschenkel legte. Auch sie war unfähig, zu reagieren. Malena schaute die beiden verzweifelt an. So hatte sie Wincent noch nie gesehen. Ihm war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gelaufen und seine Augen funkelten wütend. Sie war sich unsicher, was gleich passieren würde und hatte Angst, dass er gleich ausrasten würde. Aber das passierte nicht. Stattdessen saß er weiter regungslos vor ihr. Es war totenstill und Malena überlegte krampfhaft, was sie sagen könnte. Gerade, als sie Luft holte, sprang Wincent plötzlich auf. Malena und auch Amelie zuckten zusammen. Ohne etwas zu sagen, rannte Wincent aus dem Raum. Raus aus dem Büro. Er brauchte frische Luft und lief runter, in den Hinterhof des Hauses.

Als er dort ankam, konnte er nicht anders und schrie. Er schrie seine ganze Wut, seinen Ärger und seine Verzweiflung aus sich heraus. So lange, bis seine Stimme versagte. Langsam ging er in die Hocke und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Und dann konnte er sich nicht mehr halten. Seine Verzweiflung kam wie Fontänen aus seinen Augen. Ihm liefen die Tränen hinunter und er ließ sie laufen. Erst so langsam konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen. Er wollte es nicht wahrhaben, was Malena ihm da gezeigt hatte. Zu lesen, wie Finja fertig gemacht wurde und zu hören, dass sie gestalkt wurde und Morddrohungen erhalten hatte, waren zu viel für ihn. Und es war seine Schuld, er hatte sie in diese Lage gebracht. Mal wieder hatte er einen Menschen zutiefst verletzt, fast verstört, weil er ihn in seine Nähe gelassen hatte. Warum? Er konnte es nicht verstehen. Was muss sie durchgemacht haben? Und er? Er war zu der Zeit im Urlaub gewesen, während sie durch die Hölle gehen musste. Warum war er so egoistisch und hatte mal wieder nur daran gedacht, was er gerade brauchte?

"Willst du wieder mit hochkommen? Oder brauchst du noch Zeit?" Hörte er Amelies besorgte Stimme neben ihm. "Ich habe sie im Stich gelassen. Das ist alles meine Schuld." krächzte er und klammerte sich dann an Amelie. "Hey, sowas darfst du nicht denken. Das stimmt nicht. Du konntest nichts machen." "Aber wenn ich mein Handy nicht ausgemacht hätte, hätte ich viel eher davon erfahren." hämmerte er weiter. "Und dann? Hätte Finja bestimmt trotzdem solche Nachrichten bekommen. Es ist furchtbar, aber da draußen gibt es einfach so kranke Menschen. Und wir können das Geschehene nicht mehr rückgängig machen. Wichtig ist jetzt, dass wir nach vorne schauen, dass alles geregelt kriegen und Finja helfen. So wie es von Malena eben klang, ist sie in ein tiefes Loch gefallen." Die Worte  von Amelie taten ihm gut. Aber gleichzeitig tat es ihm auch unglaublich weh zu wissen, wie schlecht es Finja ging. Aber der Gedanke, dass er ihr jetzt irgendwie helfen musste, gab ihm wieder Kraft, mit Amelie zu Malena zurückzukehren. Nach einiger Zeit hatte er sich auch soweit wieder beruhigt, dass er zumindest mit den Mädels überlegen konnte, wie es weitergehen soll.

Wann kommt die Liebe in mein LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt