31. Kapitel: Im Tempel des Magie-Drachen

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In meinem Zustand sollte ich keinen Kampf suchen.

Oder mich durch einen Schneesturm im tiefsten Norden des Nordpols kämpfen.

Und doch quälten wir uns seit Stunden durch die dichten Schneemaßen. Der eisige Wind erschwerte das Vorwärtskommen. Trotz der warmen Kleidung drang der Schnee unter den Stoff. Fröstelnd rieb ich meine, in dicken Fäustlingen verhüllten, Hände aneinander. Der Atem verdampfte vor meinem Gesicht. Zum wiederholten Male zog ich den Schal über meine Nase und rückte meine Wollmütze zurecht.

„Kannst du das Siegel spüren?", schrie ich über dem Lärm des Sturms zu.

„Ja. Es ist nahe."

Kaito lief nur wenige Schritte hinter mir. Unsere Fußabdrücke verschwanden beinahe in der Sekunde, wo sie entstanden, so heftig schneite es. Mit dem Arm bedeckte ich mein Gesicht, um einen Blick in die Runde zu werfen.

„Hier ist nichts."

„Ich kann es spüren."

Ich spürte auch etwas: meinen reißenden Geduldsfaden. Meine Laune hatte ein neues Level erreicht. Jeder Schritt brachte mehr näher an den Gefrierpunkt. Die dicken Stiefel sanken bis zu den Knöcheln ein. Fluchend kämpfte ich mich vorwärts. Trotz der eisigen Temperaturen klebte der Schweiß an mir. Mit zunehmender Sekunde wurde ich unruhiger und nervöser. Wut sammelte sich in meinem Bauch. Die Anspannung wuchs und wuchs. Der Druck auf meinen Schultern wurde unerträglich.

Lange hielt ich dem Druck nicht stand. Mein Frust entlud sich in einem lauten Schrei.

Mit einem Satz war Kaito neben mir. Er presste die Hand auf meinen Mund. „Bist du verrückt? Wir sind mitten in den Bergen. Was, wenn -?"

Ein lautes Rumpeln unterbrach ihn. Plötzlich bebte die Erde. Hektisch sah er sich um. Nebel bildete sich, schwoll zu einer dichten Masse an. „Scheiße. Weg hier!" Er riss mich an der Hand mit sich. Neben uns rasten Schneemassen heran.

Kopfschüttelnd blieb ich stehen. Vor einer Lawine wegzulaufen hatte denselben Effekt, als wollte man den Wind mit bloßen Händen stoppen. Das brachte nämlich rein gar nichts, denn die Naturgewalt riss uns eh mit.

Über den Lärm schrie Kaito mir etwas zu. Abermals schüttelte ich den Kopf. In der nächsten Sekunde riss mich die Schneemasse mit. Ich schluckte Schnee, hustete, kämpfte mich an die Oberfläche. Aus dem Augenwinkel blitzte etwas Blaues. Für den Bruchteil einer Sekunde berührten mich Kaitos Fingerspitzen, dann wurden wir getrennt. Mein Schrei ging im Tosen der Lawine unter. Die Welt kippte, ich sank in den weichen Teppich. Die Augen geschlossen, wartete ich auf das Ende.

Doch es kam nicht. Minutenlang trieb ich über die Schneemaßen, halb versunken, halb an der Oberfläche verankert. Schnee rutschte unter meinen Schal, rieb sich an meinem Gesicht, den Hals. Meine Mütze hatte ich längst verloren. Mit letzter Kraft zog ich die Arme heraus. Plötzlich war ich schwerelos. Verdutzt warf ich einen Blick nach unten - und schrie mir die Seele aus dem Leib, als unter mir nichts mehr war. Nur ein leerer, dunkler Abgrund. Der Boden war nicht zu sehen, verschwunden in dem Dunst, den die fallenden Schneemassen verursachten. Sterne umgaben mich, dann blieb ich in der Luft schweben. Hektisch sah ich mich nach Kaito um, schrie wieder und wieder seinen Namen. Mein Herz zog sich zusammen, als ich ihn nirgendwo entdecken konnte.

Erneut traf mich eine Wand aus Schnee. Ich trudelte in der Luft, verlor den Halt und stürzte in die Tiefe. Der Aufprall presste mir die Luft aus den Lungen. Für ein paar Sekunden wurde es schwarz. Die Kämpferin in mir wusste, wenn ich jetzt einschlief, wachte ich nie wieder auf. Deswegen drängte ich die Ohnmacht zurück.

Mühsam, schwer nach Luft ringend, stemmte ich mich auf die Füße. Kälte fraß sich in mir. Meine Zähne klapperten hörbar und meine Zehen waren taub.

Die Drachenstern Saga - Part 2 - Drachenkind und DrachenkriegerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt