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Der Regen setzte wieder ein, als er in die Straße „Strand" einbog, wo sich die Station befand und es war bereits deutlich mehr auf der Straße los, da die Ersten schon Feierabend hatten. Wo sich früher der Eingang befunden hatte, gab es jetzt einen Kiosk und lediglich eine rote, leicht angerostete Blechtür wies darauf hin, dass es dort noch etwas anderes als den kleinen Kiosk geben musste. Niemand beachtete ihn, als er sich an die Tür anlehnte, sich eine Zigarette anzündete und dann mit dem ganzen Körpergewicht dagegen drückte; vielleicht war die Tür ja offen. Doch sie gab nicht nach, war also entweder verschlossen, oder klemmte – oder Jemand hatte sie von Innen blockiert. Fakt war, dass Louis sie nicht auf bekam.

Mittlerweile hatte ihn der Kioskbesitzer bemerkt und sprach ihn an: „Sind Sie der Location Scout für die Filmproduktion? Am Telefon sagte man mir, es käme Jemand vorbei, um nach einem passenden Drehort zu suchen." fragte er und Louis nickte sofort, denn der Mann schien ganz offenbar auf Jemanden gewartet zu haben und freute sich. „Ah, sehr gut. Hier haben Sie die Schlüssel. Sie können sich die ganze Station und beide Bahnsteige ansehen." Wieder nickte Louis, der noch gar nicht glauben konnte, dass das Glück ihm heute so hold war und schon kam der Mann aus seinem Kiosk gewackelt und drückte ihm einen Schlüssel, sowie eine Taschenlampe in die Hand. „Bringen Sie es einfach zurück, wenn Sie fertig sind. Oder wollen Sie, dass ich mitkomme" - „Nein nein, das geht schon, ich komme alleine zurecht. Besten Dank." DAS war jetzt wirklich einfach gewesen, dachte Louis und schloss die Tür auf. Er schaltete die Taschenlampe an und betrat mit klopfendem Herzen die verlassene Station.

Die Geräusche der Straße wurden ausgeblendet kaum, dass er die Tür hinter sich zugezogen hatte. Es roch nach kühlem Beton und feuchtem Stein. Der Lichtkegel der Taschenlampe fiel auf staubige Fliesen an der Wand, auf kleine Steinchen und Müll in den Ecken und als er um eine Kurve gebogen war, eröffnete sich vor ihm die Eingangshalle der Station. Sie war nicht riesig, aber groß genug, dass er nicht sofort alle Ecken einsehen konnte, was ziemlich gruselig war, denn es gab ihm das Gefühl, beobachtet zu werden. Ein Metallgitter trennte den Bereich vor einem Schalter ab, hinter dessen Glasfenster jetzt nur noch ein angestaubter, leerer Stuhl stand. Hie war es ganz still und außer seinem eigenen Atem und den Schritten konnte Louis nichts hören. Von der Eingangshalle ging es eine lange Treppe hinunter, die in einen Tunnel mündete, der Louis schwarz und tief angähnte und ihn in weiten Windungen immer tiefer unter die Erde brachte. Es war ziemlich beklemmend, denn in manchen Windungen des Tunnels konnte er das Ende nicht mehr sehen und fühlte sich eingesperrt und verloren.

Wenn Harry und Zayn wirklich hier Unten Zuflucht suchten, dann waren sie wirklich mutig. Der Tunnel teilte sich und ein Schild wies darauf hin, dass nur Bahnsteig A benutzbar war. Louis bog links ab und betrat einen langen Bahnsteig, der im Dunkeln lag. Auch hier gab es grüne Fliesen an den Wänden und es hingen Plakate von veralteter Werbung an den gebogenen Wänden. Louis leuchtete ein Plakat nach dem anderen ab und ging immer tiefer in den Tunnel hinein. Auch hier lagen einige zersprungene Fliesen auf dem Boden, doch nichts deutete darauf hin, dass hier zwei Jungen ein illegales Lager aufgeschlagen hatten.

Zurück im Tunnel blieb Louis einen Moment vor dem Schild, das darauf hinwies, dass Bahnsteig B nicht benutzbar war. Vielleicht wurde dieser Bahnsteig weniger kontrolliert und Harry und Zayn hausten dort. Nachsehen kostete nichts, also nahm Louis den Tunnel zu Bahnsteig B. Der verlassene Bahnsteig war nicht vergleichbar mit dem Ersten: hier gab es keine Fliesen an der Wand, die aus grauem, rauem Beton bestand und den Eindruck einer Baustelle machte. Auch hier waren Schienen verlegt worden, doch sie führten direkt auf eine Backsteinmauer zu, mit der der Tunnel verschlossen worden war. Louis Schuhsohlen knirschten auf dem Boden, der mit kleinen Steinchen, Fliesenscherben und Papierschnipseln bedeckt war. Er leuchtete den Bahnsteig ab und ganz hinten in einer Ecke fiel ihm etwas auf. Er ging darauf zu und erkannte, dass es sich um einen Blechlöffel handelte, der zusammen mit einer Spritze neben einem Kerzenstummel lag, der komplett heruntergebrannt war und um den sich Ascheflöckchen verteilt hatten. Hier hatte eindeutig Jemand Heroin konsumiert. Vielleicht Harry und Zayn? Er kam sich vor wie ein Detektiv, als er sich hinkniete, um die Aschereste genauer zu betrachten. Es war recht dickes Papier, das hier verbrannt worden war und Louis erkannte Schriftreste auf der grauen Asche. „Tomlins" war zu lesen und es war klar, dass er die Reste seiner Visitenkarte vor sich hatte.

Er hoffte, dass es sich dabei nicht um die Reste der Karte handelte, die er Harry beim Teetrinken zugesteckt hatte und stand wieder auf. Sie waren also definitiv hier gewesen, was allerdings trotzdem nicht die Frage beantwortete, ob die Punks diese Station, als Lager nutzten oder nicht. Weil er nicht zu lange hier unten sein wollte, um dem Kioskbesitzer keinen Grund zu geben misstrauisch zu werden, ging er durch den langen Tunnel wieder zurück in Richtung Eingangshalle und dann durch die Blechtür wieder hinaus ins Freie.

„Hat es Ihnen gefallen? Kommt diese Station als Drehort in Frage?" fragte der Mann, als Louis ihm den Schlüssel zurückgab. „Ja, es sah ziemlich cool aus muss ich sagen, aber ich glaube, meine Kollegen müssen sich das auch noch ansehen. Vielen Dank für Ihre Zeit, Sir." er lächelte ihn an und machte sich dann davon, bevor ihm noch weitere Fragen gestellt wurden, die er nicht beantworten konnte. Man hatte also seine Karte verbrannt, das machte den Standpunkt der Beiden ziemlich klar. Oder zumindest, den von Zayn, denn Louis war sich ziemlich sicher, dass es nicht Harry gewesen war, der die Karte in die Flamme gehalten hatte. Zayn war wütend auf Liam, weil er Niall von der Straße geholt hatte und wollte deshalb vermutlich mit der ganzen Institution nichts zu tun haben.

Louis beschloss für heute Feierabend zu machen, denn es war schon 20 Uhr und er war von den langen Wegen ziemlich erschöpft.

Die Tube war gerammelt voll und er musste zwei Züge abwarten, bis er überhaupt in einen Wagen hineinkam. Drinnen war es still, wie immer und das Ruckeln der Bahn lullte ihn ein, sodass er fast ein nickte und erst von der Lautsprecherstimme aufgeschreckt wurde, die seine Haltestation ansagte.


Way OutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt