Jetzt, da Harry hier aufgetaucht war, freute sich Louis fast schon auf die Nachtschicht. Sie würden miteinander reden können und dann ging die Zeit sicherlich schnell vorbei. David, Peter und Juliana verließen die Suchtstelle gegen 20 Uhr. Bis dahin hatten sich schon einige Leute eingefunden, die Hilfe brauchten und sie hatten den Leuten eine Matratze zugeteilt. Louis war nochmal in der kleinen, provisorischen Küche verschwunden, wo sie eine Herdplatte auf dem Boden installiert hatten auf der ein großer Topf Suppe vor sich hin köchelte. Sicherlich hatten die Ersten bald Hunger und da war es sinnvoll schon mal alles vorzubereiten. „Soll ich dir helfen?" fragte Tony, der Louis gefolgt war und deutete auf den großen Sack Brötchen, die alle aufgeschnitten werden mussten. „Oh, ja bitte, dann geht's schneller." freute sich Louis, nahm ein Messer zur Hand und fing an, die Weißbrötchen in zwei Hälften zu schneiden.
Als alles geschnitten war, verteilten sie die Brötchen in kleine Körbe und stellten sie auf einem Tisch ab. Hier würde sich dann einfach jeder etwas nehmen können, wenn er Hunger bekam. „Ich seh' mal nach, ob wir noch genug Plastikgeschirr im Lager haben." sagte Tony nach einem Blick auf den noch ziemlich leeren Tisch und verschwand aus dem Zimmer. Louis blieb vor dem Topf stehen und rührte ab und zu um, damit die Suppe nicht am Topfboden festbrannte, als die Tür wieder aufging.
„Wow, das ging ja schnell." meinte er und drehte sich um. Harry stand in der Tür und wirkte ein wenig verunsichert:
„Hey."
„Hi, brauchst du was?" fragte Louis lächelte ihn an.
„Ähm ja. Ich wollte fragen, wo ich denn eine Flasche Wasser bekommen kann?" erkundigte sich Harry und wirkte ziemlich schüchtern und reserviert. „Ja klar. Wir haben welche im Lagerraum, der ist neben unserer Teeküche. Tony ist gerade dort um Teller zu holen, die Tür müsste also offen sein", sagte Louis und lugte noch einmal in den Topf. „Tony? Der Typ mit dem Make-up und den vielen Tattoos?" fragte Harry und klang dabei etwas misstrauisch. „Ja genau der. Wieso?" Der Sanitäter zuckte mit den Schultern und schob die Hände tief in die Taschen seiner Hose, bevor er ausatmend sagte: „Och ich fand es nur ein wenig seltsam, dass du mit ihm allein hier drin warst, das ist alles." sagte er und versuchte dabei gleichgültig zu klingen, doch Louis verstand sofort. „Du bist eifersüchtig?
Nicht dein ernst Harry." Er konnte nicht anders – er musste grinsen, wobei Harry nur noch einmal mit den Schultern zuckte und seinem Blick auswich. „Naja...ich...du kennst ihn ja jetzt auch schon lange und..." - „Harry. Glaubst du nach vorgestern wirklich, ich würde etwas mit einem Kollegen anfangen, nachdem ich dich endlich wiedergefunden habe?" fragte Louis ganz direkt. Er war mittlerweile alt genug, um nicht mehr ständig um den heißen Brei herumreden zu müssen. Es ärgerte ihn ein wenig, dass Harry ihm gerade, wenn auch nicht direkt, unterstellte, eine Affäre zu haben. Offenbar hatte Harry gerade auch gemerkt, dass es nicht sonderlich nett gewesen war, ihm sowas zu unterstellen, denn er wurde ein wenig rosa um die Ohren und senkte den Blick, um dem von Louis nicht zu begegnen.Einen Moment war es still in dem Raum, dann sagte Harry leise: „Tut mir Leid...ich will dich nur einfach nicht mit Jemandem teilen." - „Aber Tony ist mein Kollege und wir arbeiten jetzt auch schon seit eineinhalb Jahren zusammen. Ich verstehe mich gut mit ihm, aber da ist nicht mehr. Wieso sollte es? Ich liebe dich." sagte Louis, ließ den Kochlöffel los, der blubbernd in der Suppe verschwand und ging auf Harry zu, um ihn in den Arm zu nehmen. „Das hast du noch gar nicht gesagt..." nuschelte Harry und lächelte leicht, als Louis direkt vor ihm stand. „Was hab ich nicht gesagt?" - „Dass du mich liebst...zumindest nicht, als ich es letztes Mal zu dir gesagt habe." - „Oh, tut mir Leid, da war ich gerade damit beschäftigt dich zu reiten...ups." Erschrocken darüber, dass er einen so vulgären Satz ausgesprochen hatte, schlug sich Louis die Hand vor den Mund und kicherte los. „Holla, wenn das deine Mutter hören würde, wie du mit mir redest." meinte Harry und grinste nun ebenfalls. „Oh, sie würde mir das schnell wieder austreiben." Musste Louis zugeben und war froh, dass Harry wieder einen recht entspannten Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte. Vorsichtig trat er ein wenig näher an ihn heran, legte ihm eine Hand an die Wange und sagte leise: „Glaubst du mir, dass ich Niemanden will, außer dir?" Dabei sah er Harry eindringlich in die Augen und bekam ein Nicken als Antwort.
„Gut, dann ist für heute Schluss mit Eifersüchteleien, ja?" fragte er nachdrücklich und Harry nickte artig, beugte sich zu Louis hinunter, gab ihm schnell einen Kuss und sah dann in den Kochtopf hinter Louis. „Hast du dir schon überlegt, wie du die Kelle wieder rausbekommst?" fragte er und hob die Augenbrauen. Louis folgte seinem Blick und stellte fest, dass der Kochlöffel tatsächlich komplett versunken war. „Hm, das lass mal meine Sorge sein. Wolltest du dir nicht Wasser holen?" - „Nein eigentlich nicht. Ich brauchte nur einen Vorwand, um hier reinzukommen, wenn du's genau wissen willst." gestand er und bekam dafür von Louis eine Kopfnuss verpasst. Er rieb sich einen Moment den Hinterkopf und beugte sich dann wieder über den Topf, sodass nur noch seine Augen über den Rand lugten. „Dein Problem wäre aber noch immer nicht gelöst." stellte er trocken fest und musterte Louis von unten, hob die Hand und deutete mit dem Zeigefinger in die Suppe.
„Das haben wir gleich. Ich hole einfach noch einen zweiten Löffel, dann schieben wir den ersten am Rand nach oben. Das wird ganz leicht." schlug Louis vor und kramte in einem Karton nach einem weiteren, langen Holzrührer. Triumphierend hielt er ihn Harry vor die Nase und tauchte in in die Suppe, stocherte eine Weile damit herum, bis er endlich den Stiel des versunkenen Kochlöffels fand und fing an, ihn am Rand des Topfes hochzuschieben. Leider war sein Werkzeug ein wenig kurz und er konnte es nur mit den Fingerspitzen festhalten und als er die heiße Flüssigkeit an die Finger bekam und sich verbrannte, ließ er schnell los, woraufhin auch dieser Löffel in der Suppe verschwand.
„Das hast du ja toll hinbekommen." prustete Harry los und musste sich mit den Händen auf den Knien abstützen, um nicht umzufallen. „Oh man Louis...das war so klar..." kicherte er und hielt sich den Bauch, wischte sich die Lachtränen weg und gluckste: „Ich glaube, ich muss bei Warren gleich um eine Reanimierung bitten. Mein Herz bleibt stehen, das ist so witzig...hihi..." Er kam aus dem Lachen gar nicht mehr heraus. Mit gespielt genervtem Gesichtsausdruck sah Louis Harry an und stemmte die Hände in die Hüfte: „Weißt du, statt dich hier über mich lustig zu machen, könntest du mir ja die Lösung des Problems anbieten." sagte er und obwohl er eigentlich hatte ernst bleiben wollen, zuckte sein Mundwinkel. Harry so herzhaft lachen zu sehen, war einfach erfrischend und tat Louis richtig gut.
„Die Lösung ist einfach: warte bis der Topf leer ist." sagte Harry ein wenig atemlos vom Lachen und nickte schlicht, als sei es das Einfachste auf der Welt.
Da Louis auch keinen anderen Vorschlag aufzubieten hatte, machten sie es so. Gegen 22:30 Uhr waren schon fast 20 Leute in der Suchtstelle aufgetaucht, hatten ein Bett für die Nacht und eine warme Mahlzeit bekommen, wodurch der Pegel der Suppe schon beträchtlich gesunken war. Tony, Katie und Louis gingen immer wieder zwischen den Leuten Streife, sprachen mit ihnen, erkundigten sich danach, wie es ihnen ging und leisteten ihnen Gesellschaft. Harry und sein Kollege hatten fast nichts zu tun, außer einem Mann einen gebrochenen Finger zu schienen, gab es nichts, was die Anwesenheit der beiden Sanitäter gerechtfertigt hätte. Aber Vorschrift war Vorschrift und Louis ganz froh, dass der Lockenkopf da war.
Obwohl Harry Louis versprochen hatte, sich nicht mehr wie ein eifersüchtiges, kleines Kind aufzuführen, bemerkte er, wie Tony immer wieder einen prüfenden Blick abbekam, sobald er sich in Louis Nähe aufhielt.
„Was ist denn mit diesem Sani los? Hab ich dem was getan?" fragte Tony, dem irgendwann die bösen Blicke aufgefallen waren, lehnte sich ein wenig zu Louis hin und musterte Harry skeptisch, der ein wenig entfernt bei Warren saß und ihn mit Blicken attackierte. „Das ist Harry...der Junkie, den ich vor zwei Jahren von der Straße geholt habe." sagte Louis und diese Worte reichten aus, um Tony alles verständlich zu machen, schließlich wusste er ja, wieso Louis damals in die Suchtstelle gewechselt hatte. Seine Augen wurden groß vor Erstaunen und er sah schnell nochmal zu Harry hinüber. Ungläubig wandte er sich dann wieder an Louis: „Das ist Harry? Ich meine....verdammt, DAS ist Harry? Wow. Also kein Wunder, dass du dich in ihn verguckt hast." - „Ja, oder?" - „Und ihr seid jetzt wieder zusammen, oder wie ist das?" Kurz und flüsternd erzählte Louis die ganze Geschichte mit der verletzten jungen Frau und wie Harry zusammen mit einem Kollegen plötzlich in der Suchtstelle aufgetaucht war. „Okay, ihr seid also jetzt wieder zusammen?" hakte Tony nach und nickte zu Harry hinüber, dessen Blick immer finsterer wurde, je länger sich Louis mit dem schwarzhaarigen Kollegen unterhielt. „Ja, aber irgendwie waren wir auch nie getrennt." - „Und jetzt ist er eifersüchtig, weil ich mich mit dir unterhalte...oh man ist das niedlich." Tony kicherte und hielt sich schnell die Hand vor den Mund, damit Harry es nicht sah. „Lass ihn das bloß nicht wissen, dass du ihn gerade als niedlich bezeichnet hast." sagte Louis, als Jemand ganz nah neben ihn herantrat. „Hey, du hast heute noch gar nichts getrunken." sagte Harry ruhig und hielt Louis ein Glas Wasser hin und setzte sich ganz eng neben ihn, als er es annahm.
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Way Out
FanfictionLondon - Touristenmagnet und schillernde Metropole. Aber auch Heimat von Hoffnung und Hilflosigkeit. Louis arbeitet als Streetworker und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen, die auf der Straße leben, eine neue Perspektive zu bieten. Harr...