„Louis!" Erst als er seinen Namen hörte, löste er sich von Harry, sprang auf und ging schnell zur Tür um sie wieder aufzuschließen. Er lugte hinaus auf den Flur und sah Liam auf ihn zukommen. Er machte einen aufgeregten Eindruck und sah gehetzt aus. „Was ist los? Ist was passiert?" fragte Louis seinen Kollegen, der vor ihm stehenblieb und zum Sprechen ansetzte:
„Eleanor hat Zayn gefunden. Im Park. Irgendwo in Ost- London. Er hat sich den goldenen Schuss gegeben." Er schnappte nach Luft, denn offenbar hatte er den ganzen Weg vom Büro bis hierher im Laufschritt zurückgelegt. Louis blieb bei den Worten beinahe das Herz stehen. Der goldene Schuss war eine gezielte Überdosis – die meist tödlich endete. „Ist er...?" Liam schüttelte den Kopf: „Nein, sie hat ihn offenbar noch rechtzeitig gefunden und den Notarzt angerufen..." Hinter Louis tauchte nun Harry auf. Er hatte sich das Shirt wieder angezogen und Louis hätte ihn am liebsten weggeschickt; er sollte nicht hören, was mit seinem Freund passiert war, doch natürlich fragte Harry: „Zayn wurde gefunden? Wie geht es ihm? Ist er hier?" fragte er Liam und sah nervös und unsicher, aber auch erfreut aus. „Er ist im Krankenhaus. Ich hab nur gerade den Anruf bekommen, dass er sich eine Überdosis gespritzt hat. Ob aus Versehen, oder mit Absicht..." Louis hörte ihm nicht weiter zu, denn bei diesen Worten war Harry zusammengesackt. Zwar hatte er sich noch an Louis Schulter festhalten wollen, doch seine Knie hatten einfach nachgegeben.
„Harry!" rief Louis und kniete sich schnell neben ihn auf den Boden. Der Punk war leichenblass, schnappte nach Luft und zitterte am ganzen Körper. „Harry, beruhige dich...bitte....ganz ruhig atmen..." beschwor Louis ihn, legte ihm die Hände auf die Schultern und drückte ihn auf den Boden, bis er auf dem Rücken lag. Liam kniete sich rasch auf die andere Seite und sah ihn eindringlich an: „Harry, es ist alles gut, Zayn ist im Krankenhaus. Das bedeutet, dass er am Leben ist....er lebt, hörst du?" Der Lockenkopf sah Liam an, nickte zwar, doch ihm liefen trotzdem die Tränen übers Gesicht und er zitterte unaufhaltsam. „Soll ich ihm was zur Beruhigung geben?" fragte Liam, doch Louis schüttelte den Kopf: „Nein, ich krieg das schon hin. Lass uns einfach kurz alleine. Vielleicht könntest du herausfinden, ob wir zu ihm gehen können, ich glaube das würde Harry beruhigen. Oder Harry?" Der Punk nickte und wischte sich mit den Händen über die Augen. Als er Anstalten machte, wieder aufzustehen, drückte Louis ihn bestimmt zurück: „Bitte bleib noch einen Moment liegen, ich will nicht, dass du nochmal zusammenklappst." bat er, doch Harry schüttelte den Kopf und rappelte sich auf, wobei er sich an Louis Arm festhielt und ein wenig strauchelnd auf die Beine kam. „Nein, ich muss sehen, wie es ihm geht. Wir sind zwar keine allerbesten Freunde, aber ich kann nicht hier rumsitzen und einfach warten...bitte Louis, lass uns zu ihm gehen." Harrys Stimme zitterte, als er sprach und brach immer wieder.
„Hey, ich bin mir sicher, dass er okay ist. Wenn sie ihn rechtzeitig gefunden haben, dann konnte man ihm sicherlich das Gegenmittel spritzen und es geht ihm bestimmt wieder gut. Du weißt ja selber, wie schnell das Zeug wirkt." sagte Louis beruhigend zu Harry und strich ihm dabei über den Kopf, während immer noch stumme Tränen über die Wangen des Punk liefen. „Komm mal her..." sagte Louis leise, kniete sich neben Harry und zog ihn fest ihn seine Arme. Harry klammerte sich hilfesuchend an seinem Unterarm fest und noch immer liefen ihm Tränen über die Wangen. Er schien nicht in der Lage zu sein, den Fluss einzudämmen. Louis nahm sein Gesicht in beide Hände und zwang ihn dazu, ihn anzusehen. Als die grünen Augen seine gefunden hatten, sagte er: „Wir gehen zu ihm sehen, sobald wir die Erlaubnis dazu haben und du wirst sehen, dass es ihm gut geht." - „Danke Louis...ich wüsste grade nicht, was ich ohne dich machen würde." gestand Harry und der Knoten in seiner Brust zog sich noch fester zu, als er diese Worte hörte, denn er wusste genau, dass er Harry in den nächsten Tagen würde wehtun müssen.
Liam kam erst nach 20 langen Minuten wieder zu ihnen zurück. Er hatte Eleanor erreicht und sie gestattete Harry und Louis im Krankenhaus vorbeikommen zu dürfen, sodass sie sich schnell auf den Weg machten. „Wir nehmen das Auto." bestimmte Louis, als sie sich umgezogen hatten und auf den Hinterhof hinaus traten, wo ein Smart stand, der dem Hilfswerk gehörte. Harry war noch nicht lange clean und Louis hielt es nicht gerade für sonderlich sinnvoll, ihn jetzt schon wieder in die Londoner U-Bahn zu schleppen, die voller negativer Erinnerungen für den Punk war. „Ich hab schon ewig nicht mehr in einem Auto gesessen." stellte Harry fest, als Louis aufgeschlossen hatte und hinterm Steuer saß. „Ich auch nicht, aber das klappt schon. So, wo ist denn hier der Rückwärtsgang?" Er musste einige Versuche starten, bis er den richtigen Gang eingelegt hatte, doch dann rollten sie langsam aus der Parklücke und durch einen schmalen Durchgang hinaus auf die Straße. Harry starrte die ganze Zeit aus dem Fenster und sagte fast gar nichts, vermutlich war er in Gedanken bei Zayn. Louis war das ganz recht, denn es war schon lange her, dass er in London Auto gefahren war und er hasste es immer noch. Alles war so hektisch, man stand an jeder zweiten Ampel und musste auch noch darauf achten, keinen Touristen über den Haufen zu fahren, von denen es in der Stadt ja leider viel zu viele gab. Bis zum Krankenhaus dauerte es etwa 30 Minuten und Louis war sich sicher, dass sie die Strecke mit der Bahn in 20 geschafft hätten. Harry neben ihm schien immer nervöser zu werden, je länger sie unterwegs waren: er schnippte ungeduldig mit den Fingern, seufzte ab und zu und spielte an seinem Lippenring herum. Louis beobachtete ihn im Augenwinkel und streckte irgendwann die Hand aus, legte sie ihm beruhigend auf den Oberschenkel und drückte sein Knie leicht. „Hey, es wird alles gut. Ich wette mit dir, wenn wir im Krankenhaus ankommen, sitzt Zayn schon auf einem Stuhl und du kannst mit ihm reden. Du gehst gerade vom Schlimmsten aus, doch es wird alles gut. Vertrau mir." - „Ich versuch's." murmelte Harry und lehnte die Stirn an die Fensterscheibe.
Nachdem sie noch zwei Kreuzungen hinter sich gebracht hatten, fuhr Louis endlich auf den Parkplatz des Krankenhauses auf. Er war ziemlich belegt, doch da sie einen kleinen Smart fuhren, fanden sie doch noch einen Parkplatz.
„Na dann los." sagte Louis, stieg aus und war ein wenig nervös, weil Harry nun zum ersten Mal seit Tagen wieder draußen war. Am liebsten hätte er ihm eine Leine umgelegt oder ihn wenigstens hinten am T-Shirt festgehalten, um zu verhindern, dass er weglief. Doch momentan sah es nicht danach aus und der Punk ging eng neben Louis her auf den Haupteingang zu.
Die Rezeption war zwar besetzt, doch die Schlange, die sich davor gebildet hatte, war lang und sie reihten sich ganz hinten ein. „Oh maaaan." seufzte Harry und ballte die Hände zu Fäusten, während er auf den Fußballen hin und her wippte. Er war richtig ungeduldig und erinnerte Louis an die Fahrt, die sie gemeinsam in der U-Bahn hatten zurücklegen müssen, als er das erste Mal auf Entzug gewesen war. „Was dauert denn da so lange?" Harry stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte einen Blick über die Köpfe vor ihnen zu erhaschen. „Jetzt beruhige dich. Es geht nicht schneller, wenn du so nervös bist." sagte Louis und legte ihm die Hand auf die Schulter. Rasch senkte Harry den Blick: „Tut mir Leid, aber ich hab einfach so große Angst, dass ihm doch etwas passiert ist..."
„Louis!" rief Jemand und die beiden fuhren herum. Eleanor kam auf sie zu: ihre Jacke hatte sie ausgezogen, offenbar war sie schon eine Weile hier. „Liam hat mir gesagt, dass ihr kommt. Ich bringe euch zu Zayn, kommt mit." sagte sie und ihr Gesichtsausdruck war so neutral, dass Louis nicht daraus lesen konnte, wie es Zayn wohl ging. „Was ist mit Zayn?" fragte Harry und beschleunigte seine Schritte, um mit ihr gleich auf zu sein. „Du wirst ihn gleich sehen. Es geht ihm gut." - „Wieso hat er sich zu viel gespritzt? War es Absicht?" fragte der Punk und wandte den Blick keine Sekunde von Eleanor ab, was zur Folge hatte, dass er beinahe gegen einen Türrahmen lief, als sie in einen weiteren Flur einbogen. „Ich hab Zayn heute morgen gefunden. Ich hab ihn in den letzten Tagen immer öfter getroffen und konnte sogar ab und zu mit ihm sprechen. Er hat sich mir langsam geöffnet und mir gesagt, dass er sich verlassen fühlt, weil wir ihm Niall und Harry weggenommen haben. Wenn du mich fragst, Louis, dann war diese Aktion eine Art Hilfeschrei. Er hat darauf spekuliert, dass ich ihn finde und hier her bringe. Sag ihm das aber bloß nicht, ich glaube nicht, dass er das zugibt." Louis runzelte die Stirn: „Aber wieso sollte er darauf spekuliert haben?" - „Zayn ist mit seinen 22 Jahren fast schon zu alt, um bei uns aufgenommen zu werden. Ich persönlich denke, dass er Angst hatte, dass er durchs Raster fällt. Aber genau weiß ich es nicht. Wer kann schon sagen, was in seinem Kopf vorgeht." Sie seufzte und öffnete eine Tür zu einem Behandlungszimmer.
DU LIEST GERADE
Way Out
FanfictionLondon - Touristenmagnet und schillernde Metropole. Aber auch Heimat von Hoffnung und Hilflosigkeit. Louis arbeitet als Streetworker und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen, die auf der Straße leben, eine neue Perspektive zu bieten. Harr...