Es war keine Überraschung für Louis, das zu hören und er fühlte sich in seinem Verdacht nur bestätigt. Natürlich war nicht jeder, der Heroin injizierte automatisch HIV-positiv, doch das Risiko einer Ansteckung durch verschmutztes Spritzbesteck war natürlich immer da. Häufig hatten es die Junkies viel zu eilig, sich ihre Droge zuzuführen, dass sie unachtsam wurden, was die Sauberkeit ihrer Gerätschaften anbelangte. „Nimmt er Medikamente?" fragte Louis und Harry zuckte mit den Schultern: „Ich hab ihn noch nie dabei gesehen...keine Ahnung." Seufzend lehnte sich Louis zurück und starrte in seinen Tee, der noch immer viel zu heiß war, um ihn trinken zu können. Durch diese neue Information über Zayn wurde der Druck, nun auch den widerspenstigen Punk so schnell wie möglich ins Hilfswerk zu bringen, deutlich größer. Solange die Krankheit noch nicht ausgebrochen war, konnte man ihm mit medizinischer Unterstützung gut helfen, doch dazu musste sich der Kerl erst einmal helfen lassen.
Völlig in Gedanken darüber, wie er jetzt weitermachen sollte, hatte Louis gar nicht bemerkt, dass Harry neben ihm eingeschlafen war. Sein Kopf war ihm auf die Brust gesackt und die Teetasse stand bedrohlich schief in seinem Schoß.
Louis beugte sich vor, nahm die Tasse aus Harrys schlaffen Händen und stellte sie auf dem Fußboden ab, dann musterte er seinen Gast; wenn er schlief, sah er noch viel jünger aus,, und Louis Herz wurde ganz weich, als er das tiefe, gleichmäßige Atmen hören konnte und ihm bewusst wurde, dass Harry heute vermutlich zum ersten Mal seit langer Zeit in einer sicheren und geschützten Umgebung schlief. Leise, damit er ihn nicht weckte, stand Louis auf, griff Harrys Schultern und legte ihn behutsam auf die gesamte Länge der Couch. Der Punk murmelte etwas Unverständliches im Schlaf, als Louis ihn zudeckte, doch er wachte nicht auf. Er warf ihm noch einen Blick zu, dann tappte der Streetworker zu seinem Bett und knipste das Licht aus.
Wenn Liam wüsste, dass er einen mittellosen 19-jährigen bei sich auf dem Sofa schlafen ließ, würde er sich bestimmt einen Vortrag anhören müssten. Klar, er durfte nicht vergessen, dass Harry ein drogenabhängiger Kleinkrimineller war doch irgendwie hatte Louis das Gefühl, dass Harry ihn nicht ausrauben würde. Schließlich war er ja freiwillig auf ihn zugekommen und dass er Hilfe brauchte, war nach der Geschichte, die er Louis erzählt hatte, mehr als deutlich.
Obwohl er hundemüde war, konnte Louis nicht einschlafen. Sein Kopf ließ ihn einfach nicht zur Ruhe kommen. Er dachte an Zayn, überlegte, wie man an ihn herankommen könnte und wälzte sich im Bett hin und her. Irgendwann gab er auf, schaltete das kleine Lämpchen auf seinem Nachttisch an und zog das Buch heran, in dem er zuletzt gelesen hatte. Beim Lesen schlief er normalerweise immer ein und hoffentlich klappte das auch heute. Louis hatte kaum zwei Seiten gelesen, als ein Wimmern von der Couch zu hören war und er das Buch sinken ließ, um hinüber zu schauen. Harry lag auf dem Rücken und die Decke war ihm bis zur Hüfte heruntergerutscht. Das Shirt, das Louis ihm gegeben hatte, lag zusammengeknüllt auf dem Boden – offenbar hatte er es im Schlaf ausgezogen. Seine Augen waren fest geschlossen, doch sein Kopf zuckte hin und her und auf seinem Gesicht war ein ängstlicher Ausdruck zu sehen. Wieder wimmerte er und Louis schlug die Bettdecke zurück. Barfuß tappte er zu Harry hinüber und kniete sich vor ihn auf den Teppich, um ihn genauer beobachten zu können. Er hatte die Lippen zusammengekniffen und seine Locken waren schweißnass. Sein Atem ging flach und Louis konnte nicht genau sagen, ob Harry einen Albtraum hatte, oder unter Entzugserscheinungen litt. Am Besten wäre es, wenn er ihn weckte, dachte Louis, streckte den Arm aus und stupste ihn vorsichtig an der Schulter an. Harry war sofort hellwach und saß mit einem erstickten Keuchen und schwer atmend mit einem Schlag aufrecht auf der Couch. Er sah völlig verwirrt aus und schien für einen kurzen Moment nicht genau zu wissen, wo er sich befand, während er sich umsah. Er wirkte völlig gehetzt und erst, als er Louis erkannte, der ihn besorgt ansah, schien er wieder in die Wirklichkeit zu finden und sah ihn an, während sich seine Atmung langsam wieder beruhigte.
„Hast du Schmerzen?" fragte Louis besorgt, als Harry sich die Faust gegen die Brust presste und kurz das Gesicht verzog.
„Nein...ich hab nur manchmal unangenehmes Herzrasen..." -
„Hattest du einen Albtraum?" der Lockenkopf nickte und saß apathisch auf dem Bett, war in sich gekehrt, als müsste er sich selbst davon überzeugen, dass er in Sicherheit war. „Es ist alles gut, hier kann dir nichts passieren..." sagte Louis leise und beruhigend, strich Harry über den Arm und setzte sich neben ihn. „Kannst du wieder schlafen?" fragte er nach einer Weile des Schweigens woraufhin Harry zwar nickte, doch als Louis aufstehen wollte, hielt er ihn fest und sah ihn bittend an: „Kann ich...also...könnte ich bei dir schlafen? Von hier aus kann ich die Zimmertür sehen und das beunruhigt mich irgendwie..." Eigentlich war Louis nicht sonderlich scharf darauf, Harry in seinem Bett schlafen zu lassen, auf der anderen Seite war es aber breit genug für sie Beide und so willigte er ein. Harry lächelte dankbar, stand auf und folgte Louis durch das Zimmer zum Bett, das hinter einem Regal stand, das als Sichtschutz diente. Sie legten sich hin und Harry rollte sich fast sofort ein. Louis beugte sich über ihn und knipste die Lampe aus, dann machte er es sich bequem und schloss die Augen. „Louis?" fragte Harry leise und er brummte nur. „Glaubst du, dass Zayn Hilfe annimmt?" - „Ich weiß es nicht Harry. Du kennst ihn besser als ich. Was denkst du denn?" - „Ich glaube nicht, dass er freiwillig kommt...manchmal denke ich, er hat sich selbst aufgegeben..." Harrys Stimme versagte und er atmete zitternd ein. Weinte er? Louis konnte nicht anders und zog Harry in eine feste Umarmung, die der Punk zu seiner Überraschung sogar zuließ, wenngleich er sie auch nicht erwiderte. „Wir werden da schon einen Weg finden, aber jetzt ist es erst einmal wichtig, dass wir einen Weg finden, dich clean zu bekommen..." murmelte er gegen Harrys Locken und ließ ihn dann langsam wieder los. Er wusste nicht wieso, aber das Schicksal des Jungen ging ihm nahe. Viel näher, als es eigentlich der Fall sein sollte.
Harry schlief schnell ein und Louis lag die halbe Nacht wach. Seine Haut kribbelte, sobald Harry sie verstehentlich berührte, wenn er sich umdrehte und er war so verwirrt darüber, dass er erst in den frühen Morgenstunden Schlaf fand.
DU LIEST GERADE
Way Out
FanfictionLondon - Touristenmagnet und schillernde Metropole. Aber auch Heimat von Hoffnung und Hilflosigkeit. Louis arbeitet als Streetworker und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen, die auf der Straße leben, eine neue Perspektive zu bieten. Harr...