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Gebannt starrten alle auf den Bildschirm im Pub. Niemand sprach und alles war still, während sie der Reporterin lauschten, die gerade zum gefühlten einhundertsten Mal, die Tat des heutigen Abends wiederholte. Vor etwa 10 Minuten hatte man die Meldung ausgestrahlt, dass der Attentäter überwältigt worden war und das Geiseldrama ein Ende hatte. Seitdem schwankten die Angaben über Tote und Verletzte und Louis war fast krank vor Sorge um Harry. Sobald ein Bild des Tatortes gezeigt worden war, hatte er unter den Anwesenden nach seinem Freund gesucht, doch ihn nie gesehen.

„Hoffentlich ist ihm nichts passiert." sagte er und fuhr sich nervös durch die Haare. „Bestimmt nicht." beruhigte ihn Liam, der neben ihm saß und ebenfalls auf den Bildschirm starrte. Er hatte noch immer das Partyhütchen auf dem Kopf. „Harry ist doch noch ganz neu bei den Rettungsleuten, die würden ihn nicht in eine gefährliche Situation bringen, da bin ich sicher." Liam legte ihm den Arm um die Schultern und Louis atmete tief durch: „Ja, bestimmt hast du recht. Ich schreibe ihm mal, dann wissen wir mehr." sagte er und tippte rasch eine Nachricht:

Lou: „Hey, sitze vor dem Fernseher und verfolge die Nachrichten. Kann dich nirgendwo sehen. Geht es dir gut? Ich mache mir Sorgen. xxLou"

Die SMS wurde zugestellt, doch nicht gelesen, was Louis sofort wieder beunruhigte. „Louis, Harry ist sicherlich noch total beschäftigt und hat sein Handy vielleicht auf lautlos. Lass ihm doch wenigstens ein paar Stunden Zeit um sich zu melden." meinte Zayn, nachdem Louis frustriert aufgestöhnt hatte. „Ja, aber er könnte wenigstens einen Satz schreiben, damit ich weiß, dass er okay ist....ich male mir sonst alles mögliche aus." jammerte Louis und starrte sein Handy an, in der Hoffnung, es würde piepen und eine Nachricht von Harry anzeigen. Doch es passierte nichts. „Ich glaube, der Abend heute ist gelaufen." murmelte Tom mit einem Seitenblick zu Louis und schob sein Bierglas von sich. Auch alle anderen am Tisch schwiegen und starrten vor sich hin, während im Fernsehen hinter der Theke immer noch über die Motive des Täters gesprochen und Bilder der Turnhalle gezeigt wurden vor der Reporter standen und mit betroffener Miene Bericht erstatteten.

„Komm, wir gehen nach Hause. Harry wird sicher dorthin kommen, sobald er Feierabend hat. Es macht doch keinen Sinn jetzt hier herumzusitzen." sagte Tom zu Louis und zog ihn am Ärmel auf die Beine. „Wir holen den Abend einfach nach." meinte Niall aufmunternd und lächelte Louis freundlich an, der nur nickte und wieder auf sein Handy starrte. Hinter seiner Nachricht wurden noch immer nur zwei graue Häkchen angezeigt, was bedeutete, dass er die SMS noch nicht gelesen hatte.

Sie nahmen die Bahn nach Hause und schwiegen. Die Stimmung auf der Straße schien bedrückt zu sein und alle Menschen wirkten ziemlich schockiert darüber, was sich heute in ihrer Stadt abgespielt hatte. Jeder Terrorakt, jeder Amoklauf versetzte London für einige Stunden in eine Art Schockstarre, bis die Stadt sich wieder aufraffte, sich den Staub und das Leid abklopfte und wieder voller Tatendrang war. Louis würde auch gerne positiv darüber denken, aber solange er seinen Freund nicht in Sicherheit wusste, ging das einfach nicht. Sein Handyakku war schon fast leer, weil er sich nicht getraute, den Bildschirm in den Ruhemodus kommen zu lassen. Er wollte die SMS von Harry nicht verpassen und starrte unentwegt auf das Display. „Er schreibt nicht schneller, wenn du ständig darauf schaust." - „Ja ich weiß...ich schicke ihm eine Voicemail." meinte Louis trotzig, hob das Telefon an die Lippen und drückte auf einen Knopf: „Hey Harry, wenn du das hörst, dann melde dich kurz. Ich mache mir große Sorgen. Du musst auch nicht ausführlich schreiben, es reicht, wenn du einen Smiley schickst, damit ich weiß, dass es dir gut geht. Bitte melde dich, ich werde hier sonst noch wahnsinnig vor Sorge. Im Fernsehen haben sie von Toten und Verletzten gesprochen...und ich will nur sichergehen, dass du nicht dazu gehörst. Ich liebe dich."

Doch wieder kam keine Antwort und Louis war beinahe den Tränen nahe, als sie ausstiegen und die Straße entlang zu ihrer Wohnung gingen. Wenn Harry etwas passiert war? Vielleicht war sein Handyakku aber auch nur leer und er konnte sich nicht melden. Ja so war es doch bestimmt und er machte sich sicherlich viel zu viele Gedanken. Das war doch meistens so. Es entwickelte sich immer alles zum Guten. Kurz bevor sie ihre Wohnung erreicht hatten warf er noch einen Blick auf das Display und sein Herz machte einen Hopser, als unter Harrys Namen „schreibt...." angezeigt wurde. Augenblicklich blieb Louis stehen und Tom prallte fast mit ihm zusammen. „Was ist?" - „Er antwortet." sagte Louis atemlos und wartete ungeduldig darauf, dass die Nachricht versendet wurde und bei ihm ankam. Mit einem Ping ploppte eine neue Sprechblase auf und Louis las hastig: „Hallo Louis, Harry wurde verletzt. Er ist im St.Thomas Krankenhaus. Not OP. Bitte komm dorthin, ich warte am Eingang auf dich. Warren. PS: es ist kritisch." Louis strauchelte, packte Tom am Kragen und klammerte sich an ihm fest. Er stand unter Schock und war sich sicher, dass er das alles nur träumte. „Was ist?" fragte Tom und Louis hielt ihm zitternd das Handy hin. Mit großen Augen überflog er die Nachricht und sein Mund klappte auf. „Fuuuck...." hauchte er und sah Louis fassungslos an: „Verletzt...? Kritisch...scheiße, das hört sich so gar nicht gut an..." Einen Augenblick standen sie einander gegenüber, sahen sich fassungslos an, dann schluckte Tom und sagte: „Wir müssen dahin..." er drehte sich einmal um sich selbst, als hoffte er, ein Schild würde aus dem Boden wachsen und ihm den Weg zeigen. „Wir nehmen ein Taxi." sagte er kurz entschlossen und winkte das erste Fahrzeug heran. Louis befand sich wie in Trance, als Tom die Tür aufriss, ihn ins Auto schubste, hinterher sprang und zu dem Fahrer sagte: „Ins St.Thomas bitte. So schnell Sie können. Ich zahle Ihnen auch einen Aufpreis, wenn wir geblitzt werden." Louis war dankbar, dass er nicht alleine war und Tom für ihn die Kontrolle übernehmen konnte, sodass er einfach nur in den Polstern des Taxis sitzen und geradeaus starren konnte, während in seinem Kopf die Worte herumschwirrten, die er gerade gelesen hatte. Seine Sicht verschwamm und Tränen bildeten sich in seinen Augen, liefen ihm heiß über die Wangen und tropften auf sein T-Shirt. Harry war verletzt worden? Wie? Was war passiert? Er hätte ja gehofft, dass er sich vielleicht nur eine Prellung oder sowas zugezogen hatte, aber hätte Warren dann von einer Not OP gesprochen? Sicherlich nicht. Not OPs machte man doch nur wenn...ja, wann eigentlich?

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