April – August
Es wurde besser, wenn auch langsam.
Obwohl er nach wie vor an Harry denken musste und sich fragte, wie es ihm wohl ging und ob er vielleicht sogar schon ins betreute Wohnen gezogen war, versetzte es Louis nicht ständig einen Stich, wenn sich der Lockenkopf mal wieder in seine Gedanken schlich.
Er war wieder häufiger mit seinen Freunden unterwegs und fuhr sogar zusammen mit Tom und James eine Woche in den Urlaub.
Sie hatten sich ein Zimmer auf Ibiza gebucht und würden endlich wieder ein wenig Sonne tanken können. Der Flieger war früh am Morgen gegangen und sie kamen alle ziemlich verschlafen auf der spanischen Insel an. Die Hitze war unglaublich, obwohl es erst Juli war, doch auf der britischen Insel war es nunmal nicht so warm und die drei tauschten ihre Shirts noch am Flughafen gegen Tank Tops, bevor sie sich auf den Weg in ihre Unterkunft machten.
Das Zimmer war winzig und es passten gerade so drei Betten hinein, doch James, Tom und Louis hatten sowieso nicht vorgehabt, sich sonderlich lange in diesem Raum aufzuhalten. Sie wollten endlich mal wieder raus und auf die Piste. Und das wurde ziemlich schnell in die Tat umgesetzt.
Kaum hatten sie ihr Zimmer bezogen, ihre Jeans gegen Badeshorts und die Turnschuhe gegen Flip Flops ausgetauscht, ging es auch schon hinaus auf die Straßen der Stadt.
Ibiza war das Mekka der Briten und man hörte kaum eine andere Sprache, außer Englisch. Viele Leute waren bereits jetzt ziemlich betrunken und es war noch nicht einmal Mittag. „Lass uns im Supermarkt was holen und dann gehen wir an den Strand." schlug James vor, als sie ihre Unterkunft verlassen hatten und steuerte den kleinen Laden auf der anderen Straßenseite an. „Haben wir denn einen Plan, ob wir heute Abend ausgehen wollen, oder sowas?" erkundigte sich Louis und bekam ein synchrones Kopfschütteln als Antwort. Gut, das bedeutete also, dass man einfach alles auf sich zukommen lassen würde.
Auch gut.
Dreißig Minuten später lagen die Drei an einem Strand in der Sonne, hatten jeweils drei Dosen Bier vor sich stehen und sahen und genossen die Aussicht. Um sie herum tobte die Party und immer wieder stolperte ein Betrunkener an ihnen vorbei.
„Wow, die Mädels hier sind ziemlich scharf, meinst du nicht Louis?" fragte Tom und nickte zu zwei Blondinen hinüber, die Oben ohne am Strand lagen und deren Bikinihöschen auch eher ein Stück Zahnseide zu sein schien. Louis musterte die Beiden und zuckte mit den Schultern: „Zu viel Frau, wenn du mich fragst." - „Achja. Ich vergaß." kiekste Tom und nahm noch einen Schluck Bier. Der Alkohol in Kombination mit der Hitze vertrug sich nicht sonderlich gut und auch Louis spürte jetzt schon, wie ihm das Bier zu Kopf stieg, doch es war ihm egal.
Er hatte sich in den letzten 8 Monaten keinen Spaß erlaubt und hatte das Gefühl endlich mal ausbrechen zu müssen. Da kam ein Vollrausch mit ordentlich Party eigentlich ganz gelegen.
Nach zwei weiteren Dosen Bier, stand Tom auf, straffte die Schultern, ging zu den beiden Mädels hinüber und quatschte sie kurzerhand an. Louis beobachtete ihn einen Moment, in der Hoffnung, er würde abgewiesen und er und James hätten was zu lachen, doch dem war nicht so, und er wandte den Blick schnell wieder ab. „Ich will auch einen Flirt." maulte James und blickte ein wenig neidisch zu Tom hinüber, der sich gerade aufs Badetuch zu den Mädels setzte, die ihn freundlich anlachten. „Dann geh doch rüber und klinke dich ein." schlug Louis vor. Doch James machte nicht die Anstalten, aufzustehen. Also zog Louis ihn auf die Beine und ging mit seinem Freund im Schlepptau zu Tom und den Mädels hinüber.
„Hey, wir dachten wir kommen mal zu euch, falls unser Freund euch langweilt. Dann habt ihr mit uns ein wenig mehr Unterhaltung." sagte Louis und sie setzten sich dazu. Die Mädchen kamen, wie sich herausstellte aus den Niederlanden, hießen Paula und Janneke und waren ebenfalls auf Partyurlaub. Allerdings schienen sie ihre Party erst am Abend schmeißen zu wollen, denn außer einem Hugo hatten sie noch nichts getrunken und waren nüchtern. „Wir gehen heute Abend in den Club Del Mar. Kommt doch mit, das wird bestimmt lustig." sagte Janneke und ihr Blick blieb an Tom haften, der ihn erwiderte. Louis wusste jetzt schon, dass die Beiden heute Nacht gemeinsam irgendwo landen würden. Er konnte Tom seinen Geschmack nicht verübeln. Janneke sah toll aus und Louis hätte sie gewiss attraktive gefunden, wenn seine Vorliebe nicht männlich, dunkelhaarig und lockig gewesen wäre. Rasch verscheuchte er Harry aus seinem Kopf – er war hier um Urlaub zu machen und Spaß zu haben. Mit Harry in seinen Gedanken, war das nicht möglich.
Da konnte eigentlich nur eine weitere Dose Bier Abhilfe schaffen.
.-.-.
„Wow, seht ihr scharf aus." platze es aus James heraus, als sie sich wie verabredet am Abend vor dem Club trafen. Paula lächelte geschmeichelt und zupfte an dem mit Pailletten bestickten Kleid herum, das sie trug. Es war weit ausgeschnitten und ziemlich kurz, sodass Louis sich fragte, ob sie sich darin überhaupt bücken konnte. „Danke, ihr aber auch." gab die Holländerin das Kompliment zurück und hakte sich bei James ein. Tom nahm Janneke am Arm und Louis ging allein neben den Vieren her. Es störte ihn nicht, dass er keine Begleitung hatte. Heute Nacht wollte er Spaß haben und das ging auch allein.
Der Club war riesig und proppenvoll. Die Luft stickig und durch den Kunstnebel zuckten Laserstrahlen, die im Takt der lauten Musik an und aus gingen. Sie holten sich Getränke an der Bar und mischten sich unter die Leute. Bereits nach wenigen Minuten hatte Louis seine beiden Freunde verloren, doch da jeder von ihnen einen Schlüssel zu ihrem Zimmer hatte, war es nicht schlimm. Er nippte ab und zu an seinem Drink und bewegte sich zur Musik, deren Beat ihm bis in die Brust wummerte. Im schlechten Licht der Scheinwerfer sah er vor sich plötzlich eine kleine Person, die ihm ins Auge sprang: schmal gebaut, kurze Hose und Hemd, dunkle Locken. Von hinten sah sie aus wie Harry und sein Herz zog sich zusammen, als er daran dachte. Weil Louis schon einiges an Alkohol im Blut hatte und nicht mehr ganz klar denken konnte, tanzte er in die Richtung der Person und als er sie erreicht hatte, tat er etwas, das er bisher nie gemacht hatte. Er tanzte sie an. Seine Berührung schien Anklang zu finden, denn ehe er sich versah, hatten sich Hände auf seine gelegt und der Körper der Person drückte sich gegen ihn. Louis vergrub die Nase in den dunklen Locken und stellte sich vor, es wäre Harry mit dem er hier tanzte. Das ging eine ganze Weile so, bis sich der Lockenkopf umdrehte und Louis feststellen musste, dass es sich um eine Frau handelte. Allerdings sah sie so burschikos aus, dass sie auch als junger Mann hätte durchgehen können. „Hey, danke für deine Aufmerksamkeit, aber ich bin lesbisch!" rief sie ihm durch die Musik zu und er zuckte die Schultern. „Ich bin schwul!" antwortete er, ließ sie aber keinen Moment los. Aus irgendeinem Grund war es ihm ziemlich egal, dass sie nicht auf Männer stand. „Aber du erinnerst mich an Jemanden, deswegen konnte ich mich leider nicht zurückhalten!" gestand Louis und sie zuckte mit den Schultern, legte ihm die Arme um den Hals und zog ihn mit den Worten: „Ach scheiß drauf." zu sich herunter um ihn zu küssen.
Sie waren beide zu betrunken. Es war ihnen egal, dass sie eigentlich nicht auf den andern standen. Louis genoss es mit ihr zu tanzen, denn sie sah Harry in dem schummrigen Licht des Clubs so ähnlich, dass es nicht viel Vorstellungskraft brauchte, um sich einzureden, dass er gerade mit dem Punk tanzte, ihn küsste und in seiner Nähe war.
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Way Out
FanfictionLondon - Touristenmagnet und schillernde Metropole. Aber auch Heimat von Hoffnung und Hilflosigkeit. Louis arbeitet als Streetworker und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen, die auf der Straße leben, eine neue Perspektive zu bieten. Harr...