„Hör zu: ich kann hier nicht bleiben. Du brauchst eine gute Betreuung und die kann ich dir nicht geben." Mit großen Augen sah Harry Louis an und machte einen Schritt zurück.
„Was meinst du damit?" fragte er mit zitternder Stimme und er sah mit einem mal so ängstlich aus, dass Louis ihn schnell in den Arm nahm. Als er ihn fest an sich drückte, spürte er, dass Harry am ganzen Körper zitterte. „Wie meinst du das, Lou?" wiederholte er seine Frage und sah ihn dabei nicht an, sondern hatte die Augen auf Louis Pulloverkragen gerichtet.
„Ich muss gehen...ich kann hier nicht bleiben. Liam hat meine Kündigung auf dem Tisch. Deswegen habe ich meine Sachen gepackt. Ich werde woanders anfangen..." - „Du lässt mich allein? Du verlässt mich?" keuchte Harry und hob den Kopf.
„Ich verlasse dich nicht. Ich kann nur nicht mehr dein Betreuer sein. Du kommst doch gut mit Nick klar. Er wird deine Reha weitermachen..." - „Dann war das alles von Anfang an so geplant? Deswegen hast du Nick plötzlich angeschleppt...du wolltest mich von Anfang an abgeben..." Die Verletztheit in Harrys Stimme war so stark, dass es Louis körperliche Schmerzen bereitete, das zu hören. „Ja, das war so geplant, weil ich gespürt habe, dass ich dich zu sehr liebe, um dich zu betreuen." - „Du hast mich angelogen!" schrie Harry, riss sich von Louis los und stolperte von ihm weg gegen eine Tür. „Du hast gesagt, du bist für mich da, du hast gesagt, dass du mich nie verlässt und jetzt gehst du einfach!" Tränen stiegen ihm in die Augen und seine Knie gaben nach, sodass er an der Tür herunterrutschte und zusammengesunken auf dem Boden sitzen blieb, während er Louis ansah und ihm Tränen über die Wangen liefen. „Harry...mir fällt es doch auch nicht leicht, aber ich kann in deiner Gegenwart nicht klar genug denken, um dich richtig zu behandeln..." versuchte Louis sich zu erklären und machte einen Schritt auf Harry zu, der nach Atem rang und sich die Hand auf die Brust drückte. Ihm schien die Luft wegzubleiben und Louis kam noch näher. „Bleib weg! Fass mich nicht an!" schrie Harry ihn an, trat nach ihm und hob abwehrend eine Hand, während er sich die andere noch immer ins T-shirt krallte. „Harry, nur weil ich gehe, heißt das nicht, dass ich dich nicht liebe. Ich liebe dich über alles und deswegen gehe ich, weil ich nur dein Bestes will." - „Halt den Mund! Du lügst mich an und jetzt denkst du, dass ich dir das alles noch glaube?! Ich bin erst 19, aber ich bin nicht bescheuert! Halt den Mund, ich will nichts mehr von dir hören!"
Die Tür ging auf und Nick streckte den Kopf herein. Er sah Harry am Boden davor sitzen, quetschte sich durch den Türspalt und ging neben dem Jungen in die Knie, während Louis eineinhalb Meter daneben stand und sich nicht traute, Harry noch näher zu kommen. „Harry..." Nick hielt Harry an den Schultern fest, der sich haltsuchend an ihn klammerte und weiter schluchzte. Grimmy sah Louis an und nickte mitfühlend. Er wusste sofort, dass die Bombe jetzt geplatzt war. „Harry...es wird alles gut." sagte er und drückte den Jungen an sich, der den Kopf schüttelte. „Nein, Louis lässt mich allein...nichts wird gut." würgte er hervor, zog sich wieder auf die Beine und wankte auf Louis zu. „Lou...bitte...lass mich nicht allein...bitte geh nicht weg...ich kann das ohne dich nicht...bitte." Louis schloss die Augen, selbst den Tränen nahe und holte tief Luft, um sich zu beruhigen, doch es klappte nicht. „Harry, ich liebe dich...es tut mir leid...es tut mir so leid." Rasch trat er auf den Lockenkopf zu, legte beide Hände um sein schönes, verweintes Gesicht und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Er schmeckte salzig und es war ihm egal, dass Grimmy ihnen dabei zusah. „Ich liebe dich...immer." sagte er und ließ Harry dann los, denn er befürchtete, wenn er noch länger so nah bei ihm stehen würde, könnte er sich nochmal anders überlegen.
Er machte ein paar Schritte zurück, während Harry einfach nur dastand.
Wie eine Marionette, der man alle Fäden durchgeschnitten hatte.
Er wandte sich um und ging den Flur entlang. Hinter sich hörte er immer noch das erstickte Schluchzen, doch er brachte es nicht über sich, sich nochmal umzudrehen. Das hier war das Beste für Harry und wenn sie wirklich füreinander bestimmt waren, dann würden sie sich irgendwann nochmal sehen. Mit jedem Schritt, den er auf die Eingangstür zumachte, bekam sein Herz größere Risse und als er sie geöffnet und sich noch einmal umgedreht hatte, sah er Harry, der zusammengesackt in Nicks Armen auf dem Boden lag und einfach nur noch haltlos weinte.
Das Klicken der Tür hörte sich für Louis an, wie das Zerspringen seines Herzens.
DU LIEST GERADE
Way Out
FanfictionLondon - Touristenmagnet und schillernde Metropole. Aber auch Heimat von Hoffnung und Hilflosigkeit. Louis arbeitet als Streetworker und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen, die auf der Straße leben, eine neue Perspektive zu bieten. Harr...