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„Boah ich krieg das nicht in meinen Kopf. Der ist einfach zu voll." Harry stöhnte und ließ den Kopf nach vorn auf das vor ihm aufgeschlagene Buch fallen und gab einen frustrierten Laut von sich. Nachdem er seine letzte Klausur bestanden hatte und damit zur Abschlussprüfung zugelassen war, lernte er. Harry hatte sich vorgenommen, mit der besten Note abzuschließen, zu der er fähig sein würde und verbrachte seitdem viele Stunden damit, am Küchentisch über seinen Büchern zu brüten. Dabei hatte er Gesellschaft von Louis, der ihm immer wieder eine Tasse Tee oder ein Wasser vor die Nase stellte und Tom, der ebenfalls in Büchern wälzte. Louis kam sich manchmal vor, als würde er in der Mensa einer Universität oder in einer Bibliothek und nicht in seiner Küche sitzen, denn überall lagen Bücher und beschriebene Seiten Papier herum. Auch Tom war ein wenig im Lernstress, doch er hatte sich mit Harry zusammengetan und sie lernten nun häufig gemeinsam, wenngleich sie auch an verschiedenen Themen arbeiteten. Er wollte nochmal studieren und lernte für die Aufnahmeprüfung. Louis stellte den letzten Teller in den Schrank, klappte dann den Deckel der Spülmaschine zu, die er gerade ausgeräumt hatte und wandte sich den beiden zu: „Braucht ihr noch was?" Synchrones Kopfschütteln war die Antwort, wobei Harry noch immer mit dem Gesicht auf seinem Buch lag, während sich seine Haare über die Seiten ausbreiteten. „Danke Louis. Ich hätte gerne eine externe Festplatte für mein Gehirn, meinst du, du könntest sowas besorgen?" fragte Tom und klappte bestimmt sein Buch zu. „Ich brauch jetzt ne Pause. Ich geh eine Runde spazieren. Wollt ihr mit? Harry, dir würde eine Pause sicherlich auch mal guttun. Wir sitzen immerhin schon seit einigen Stunden hier." Harry hob den Kopf, legte das Kinn auf dem Tisch ab und blinzelte Tom müde an, sagte dann aber:

„Nee ich mach einfach das Fenster auf, dann hab ich auch frische Luft." - „Okay, dann sehen wir uns später und machen weiter." sagte Tom, schlüpfte in seine FlipFlops und steckte den Schlüssel ein, bevor er nach Draußen verschwand. Louis ging ins Schlafzimmer, öffnete das Fenster, kam dann in die Küche zurück und stieß auch dort das Fenster auf, damit ein wenig Durchzug in der Wohnung herrschte.

Vor dem Küchenfenster, das in einen Innenhof zeigte, befand sich eine Feuerleiter, über die man auf das Flachdach gelangen konnte. „Komm mit, ich habe einen schönen Ort, wo du dich ein bisschen entspannen kannst, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen." bot er Harry an, trat neben ihn und strich ihm über den Kopf. „Wo denn?" fragte Harry und sah neugierig zu ihm auf. „Steh auf, dann zeig ich es dir." sagte Louis, streckte die Hand aus und zog Harry auf die Beine. Er kletterte auf das Fensterbrett und hangelte sich hinaus auf die Leiter. „Ähm Louis...bist du sicher? Du weißt doch gar nicht, ob die Leiter sicher ist...außerdem sind wir im dritten Stock. Was, wenn du runterfällst?" sagte er vorsichtig und sah ihn ein wenig besorgt an, als er den Fuß auf die unterste Sprosse setzte. „Die ist stabil. Ich bin letzten Sommer oft hier oben gewesen, um nachzudenken. Außerdem habe ich ja einen angehenden Rettungssanitäter hier bei mir und dann kannst du gleich mal austesten, was du gelernt hast." antwortete Louis und versuchte bei seinem ersten Satz nicht traurig zu klingen, wenn er an die vielen Stunden zurückdachte, die er allein an den lauen Sommerabenden auf dem kleinen Flachdach verbracht hatte.

Auf dem Rücken liegend und in die Sterne blickend, während seine Gedanken einzig und allein um einen Lockenkopf mit grünen Augen gekreist waren.

Dort oben auf dem Dach waren die Geräusche der Straße nur noch als angenehmes Rauschen zu vernehmen und wenn man die Augen schloss, konnte man sich einbilden, man läge am Meer. Sicherlich würde es Harry da oben auch gefallen und bestimmt würde er ein wenig abschalten können, wenn sie erstmal auf dem Dach waren. „Aber das ist doch sicherlich voll gefährlich..." meinte Harry ein wenig unsicher und beugte sich aus dem Fenster, um Louis nachzusehen, der bereits auf halber Höhe die Leiter hochgeklettert war. „Jetzt komm schon, ich dachte du bist mutig, oder etwa nicht?" neckte Louis ihn, zwinkerte und zog sich auf das Dach. Die Sommersonne schien ungehindert auf das Dach und die dunklen Bitumenbahnen, mit denen das Flachdach bedeckt war, waren ziemlich warm. Louis legte sich auf den Rücken und wartete darauf, dass Harry endlich ebenfalls auf das Dach kam, doch der schien immer noch in der Küche zu stehen. Louis krabbelte an den Rand und sah an der Leiter nach unten. Tatsächlich sah er Harry, der zu ihm hinaufsah und grinste: „Okay okay, ich komme ja schon rauf!" rief er, packte die Leiter beherzt und kletterte vorsichtig aufs Dach. „Na siehst du, es war doch gar nicht so schlimm." sagte Louis neckend, nachdem Harry neben ihm saß und den Blick über die Dächer der umliegenden Häuser schweifen ließ.

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