„Was gibt's Louis?" fragte Liam, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten. „Ich muss mit dir was wegen Harry besprechen und wollte das nicht vor den Kollegen tun." fing Louis an und seufzte. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte und das schien Liam sofort misstrauisch zu machen. Er hob eine Augenbraue. „Ich kann Harry nicht mehr mit guten Gewissen betreuen." sagte Louis und war sich noch immer nicht ganz sicher, wie weit er Liam einweihen sollte. „Wieso denn? Was ist passiert? Hat er dich bedroht, oder so?" hakte er nach und Louis sprach schnell weiter, bevor Liam noch weitere Verdächtigungen gegen Harry anstellen konnte. „Himmel, nein, da ist alles okay. Es liegt an mir...ich...ich glaube nicht, dass ich ihn so therapieren kann, wie ich es gerne tun würde." - „Aha?" Natürlich verstand Liam kein Wort, doch das war ja auch klar, solange sich Louis so nebulös ausdrückte. „Ich kann's einfach nicht, okay? Deswegen wäre es, glaube ich, am Besten, wenn Nick Harry sobald wie möglich übernehmen könnte. Meinst du, das ginge irgendwie?" Bittend sah Louis seinen Freund und Kollegen an, der sich durch die Haare fuhr und nickte: „Ja, ich denke schon. Wir sollten Harry aber nicht von heute auf Morgen einen anderen Betreuer vor die Nase setzen. Das verwirrt ihn nur und überfordert ihn sicherlich. Außerdem muss sich Nick ja auch noch einleben. Jetzt am Anfang hat er sowieso noch keine festen Aufgaben, dann kannst du ihn ja gleich mit unter deine Fittiche nehmen. Er kann sich dann einarbeiten, und Harry gewöhnt sich an ihn. Ich denke, so bekommen wir einen möglichst fließenden Übergang hin und der Junge wird es kaum mitbekommen, dass Nick nach und nach deine Position übernimmt." Louis nickte, obwohl er daran zweifelte, dass Harry nichts von dem Wechsel bemerken würde. Nicht, nachdem was zwischen ihnen passiert war. Aber einen Versuch war es wert - obwohl Niemand sagen konnte, wie der Punk reagieren würde, sollte er es doch herausfinden.
Doch daran wollte Louis jetzt nicht denken. „Gut, dann kannst du Nick ja gleich mal das Haus zeigen und ihr könnt gemeinsam mit Harry frühstücken, damit sich die Beiden gleich kennenlernen." schlug Liam vor und Louis nickte erneut, ohne etwas zu sagen. Er befürchtete, dass er sonst Liam doch noch von dem Kuss zwischen ihnen erzählen würde, wenn er jetzt den Mund aufmachte und da Liam sowas wie der inoffizielle Leiter dieser Hilfswerksstelle war und er Harrys Platz nicht aufs Spiel setzen wollte, schwieg er lieber.
Als er in den Gemeinschaftsraum zurückkam, waren alle Kollegen bereits gegangen. Entweder hatten sie ihren Dienst auf der Straße oder am Schreibtisch angetreten. Lediglich Grimmy saß noch am Tisch. Als Louis eintrat, hob er den Kopf und grinste ihn an. „Hey, also ich habe gerade mit Liam gesprochen. Du kannst in den nächsten Tagen mit mir zusammen arbeiten, dann kannst du dich hier einleben und lernst Harry kennen. Momentan betreue ich ihn noch, aber du wirst ihn dann demnächst übernehmen." sagte Louis freundlich, aber so bestimmt, dass Nick nicht nachfragen würde, was der Grund für den Wechsel war. Sein neuer Kollege nickte und stand auf. „Das klingt super. Was muss ich denn zu Harry wissen?" fragte er und ging zusammen mit Louis hinaus auf den Flur und die Treppe hoch. „Hm, also er ist 19 Jahre alt, konsumierte Heroin, seit er 16 war und lebt seit 2 Jahren auf der Straße. Er hat die Droge geraucht oder durch die Nase gezogen und soweit ich weiß, einmal gespritzt. Ich hatte ihn schonmal für drei Tage hier auf Entzug, aber den hat er abgebrochen. Ich habe ihn dann eine Woche lang gesucht und schließlich fast bewusstlos aus der Themse gefischt. Er hatte sich mit einem Dealer angelegt und war hineingefallen. Danach hat dann noch einmal den kalten Entzug gemacht und seit etwa sieben Tagen ist er clean und hat das Schlimmste überstanden. Momentan versuche ich, mit ihm die Gesprächstherapie zu machen und ihm einen normalen Alltag zu geben, was nicht so leicht ist...aber es wird besser." Louis verschwieg Grimmy, dass das Problem an den Gefühlen lag, die zwischen ihm und Harry entstanden waren. Das ging den Neuen nichts an. Sie stiegen gemeinsam die Wendeltreppe hoch und betraten die WG. „Hier kommen unsere Neulinge in der ersten Zeit unter, bis sie den Entzug geschafft haben und bleiben so lange hier, bis wir der Meinung sind, dass sie allein so gut klarkommen, um in ein betreutes Wohnen ziehen zu können." erklärte Louis, während sie den Flur entlanggingen. Grimmy nickte: „Ja, das System hatten wir in meiner alten Einrichtung in Manchester auch."
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Way Out
FanfictionLondon - Touristenmagnet und schillernde Metropole. Aber auch Heimat von Hoffnung und Hilflosigkeit. Louis arbeitet als Streetworker und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Jugendlichen, die auf der Straße leben, eine neue Perspektive zu bieten. Harr...