2020
»Das ist so ein Scheiß.« Vincent saß zurückgelehnt auf seinem Stuhl und hatte die langen Beine ausgefahren.
»Ich weiß.« Dag lag auf der Couch. »Aber warten wir mal ab. So lang wird's schon nicht gehen.«
»Nein alles fällt flach. Die Tour. Meine Hochzeit hat nicht stattgefunden ... alles scheiße.«
»Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.«
»'s trotzdem scheiße.« , kommentierte er.
»Ja. Da gebe ich dir auch Recht. Nach meinem Klinikaufenthalt dachte ich auch, dass wir jetzt durchstarten können. Vor allem nach dem 20-Jährigen.« Dag setzte sich ein wenig auf. »Es tut mir leid, wie das alles ...«
»Ist schon okay. Gesundheit geht vor.«
Dag hatte Vincent nichts von seiner letzten Nacht mit Juliette erzählt. Irgendwie schämte er sich dafür, weil er sonst auch all ihr Gesagtes hätte preisgeben müssen.
Dass sie gelogen hatte, daran glaubte er immer noch. Er hatte ihre Tränen gesehen.
Dass sie anschließend abgehauen war, hatte ihm dann den Rest gegeben. Und mit abhauen war nicht ihre Flucht nach der Nacht gemeint.
Am nächsten Tag und nach reiflicher Überlegung wollte Dag es nicht auf sich sitzen lassen. Er wollte die Wahrheit hören. Er wollte verstehen, weshalb sie sich so verhielt. Doch als er bei ihr ankam, war sie weg.
Sie war nicht mehr da.
Von Ina hatte er dann die Nachricht erhalten, dass sie gegangen wäre.
Juliette hatte Berlin verlassen. Wohin sie abgehauen war, wusste niemand.
Acht Monate ... und sie war wie vom Erdboden verschluckt.
Anfänglich hatte er noch versucht, in Paris nach ihr Ausschau zu halten ... doch dann akzeptiert, das sie vor ihm weggelaufen war.
Sie wollte nicht gefunden werden ... geschweige denn in seiner Nähe sein.
Alles, was blieb, war die Erinnerung.
Nicht allein deswegen musste er in psychische Behandlung. Es war schlichtweg ein Tropfen, der sein komplettes Fass zum überlaufen gebracht hatte.
In der Therapie hatte man ihm gesagt, dass er lernen musste, damit umzugehen.
Wie einfach zu sagen, wenn man nicht selbst in so einer Situation je dringesteckt hatte.
Dag fühlte sich wertlos. Ungeliebt.
Dadurch bekam er auch das schlechte Gewissen Alexa gegenüber, weil ihm in der Therapie gesagt wurde, das es öfters solche Fälle gibt, wo einer liebt und der andere nicht.
Er liebte Alexa nicht und war auch nicht erpicht darauf, dass es mehr wurde, dennoch hatte er sich seit Wochen wieder vermehrt mit ihr getroffen. Jedoch nicht mit der Aussicht auf irgendwas. Auf irgendeine Weise wollte er ein wenig zurückgeben. Ihr das Gefühl geben, das sie nicht wertlos war.
Schließlich wusste er, wie es war, auf der anderen Seite zu sein.
Der ... Ungewollte.
Das zwischen ihnen jedoch nichts Romantisches oder Ähnliches ablaufen würde, hatte er offen zugegeben. Er wollte auch nicht, dass sie sich innerlich etwas vormachte. So wie er es die ganze Zeit bei Juliette getan hatte.
Das Leben ging weiter.
Die Erde drehte sich weiter.
Es war egal, ob ihm diese eine Person fehlte ... nichts stoppte.
»Ina und ich hatten jetzt die Überlegung, ob wir alles ... klammheimlich stattfinden lassen sollen.« , sprach Vincent.
»Klammheimlich?«
»Die Hochzeit. Also ... die Feier.« , antwortete er. »Wir können nicht so auffahren wie gewollt, weshalb wir es ja verschoben haben, aber irgendwie ... wird es immer schlimmer mit der Pandemie.«
»Ich dachte, sie will eine Winter-Hochzeit.«
»Ja schon, aber ... die Babysache?! Wir wollten nach der Hochzeit beginnen, und ... je mehr wir das verschieben, desto länger dauert auch das ... machen. Du verstehst?«
»Dann macht doch zuerst Klein Steinchen und ... heiratet später.«
»Nein. Wir wollten, dass schon so in der Reihenfolge haben.«
Dag setzte sich in den Schneidersitz. »Also private Party?«
»Schalldicht. Es darf nichts nach draußen gelangen. Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen.«
»Hmm. Du willst das echt durchzieh'n?«
Vincent zuckte mit den Schultern. »Irgendwie schon. Ich merke, dass Ina Panik hat, ich könnte es mir sonst anders überlegen. Also das mit dem Kind.«
»Wie gesagt, dann pflanz' deinen Samen doch direkt in Mutter Erde.«
»Sie will nicht mit dickem Bauch heiraten.«
»Frauen.« , sagte Dag mit einem Aufstöhnen. »Aus denen werd' ich eh nie schlau.«
»Apropos. Wie sieht es aus?«
»Womit?«
»Frauen? Du ... du datest nicht.«
»Muss ich?«
»Nein, aber ... kein'n Bock? Also ich hoffe, du hast keinen anderen Grund.« Vincent umging das Thema Juliette eigentlich immer.
Das sie weg war und somit keinen Ärger mehr machen konnte, war in seinen Augen positiv.
Das Dag jedoch immer noch irgendwas hinterher trauerte, bemerkte er. Er sah es ihm einfach an, dass er bis zum jetzigen Zeitpunkt öfters gedanklich woanders unterwegs war. Er kämpfte dagegen an ... dennoch vermisste er sie.
»Bring doch irgendeine mit.« , meinte er sagen zu müssen. »Zur Hochzeit.«
»Ich komm allein. Zudem ... habt ihr jetzt einen neuen Termin, oder wieso dieses Hopplahopp?«
»Nein. Nicht ganz. Wie gesagt, muss das ganze Drumherum passen. Aber ich bin der Meinung, du musst nicht alleine da auftauchen.«
»Ich hab' keine Lust zu daten.«
»Und Druck? Ich mein' hast du kein'n?«
»Druck?«
»Ja du weißt schon. Mal das Rohr frei- ...«
»Also falls du mir gerade ein Angebot machen willst, lehne ich dankend ab Vinne. Du bist nicht mein Typ.«
»Witzig.« Vincent fakte ein Lachen. »Ich mein's Ernst. Eine dafür zu finden wird ja wohl nicht schwer sein.«
»Ja, aber will ich nicht.«
»Vermisst du denn nichts?« Vincent wollte das am liebsten zurücknehmen, da er direkt merkte, an wen Dag da ohne große Umstände dachte. Eigentlich wollte er ihm nur einen Schubs geben, damit er eine andere Frau in sein Leben lassen würde ... doch der Lockenkopf entsann sich augenblicklich zurück an Momente mit Juliette.
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Mit dir sieht Berlin aus wie Paris
FanfictionSalzige Meeresluft und ein strahlend blauer Himmel. Was benötigt man mehr? Dag unternimmt mit Freunden einen kleinen Urlaubstrip auf die Malediven. Juliette, die junge Frau, die er dort kennenlernt, war nicht eingeplant, dennoch verbringt er jeden...