Dag heulte in sein Kissen.
Es gab keinen Anhaltspunkt. Nicht bei der Polizei. Nicht in irgendeinem Krankenhaus ... oder bei ihrer Familie, wo er es abermals versucht hatte.
Von Juliette fehlte weiterhin jegliche Spur ... so wie der Punkt, weshalb sie nicht auffindbar war.
Lag es wirklich an ihm? War sie tatsächlich wieder einmal geflüchtet, weil er zu viel wollte, als sie in der Lage war zu ... geben?
Es war zugegeben nur ein Haus?
War daran etwas Verwerfliches, wenn sie doch eh Tag und Nacht zusammenhockten? Sie lebten buchstäblich weitestgehend zusammen. Das konnte in der Tat dann nicht ihr Problem gewesen sein.
Oder?
Dag war selbstverständlich beruhigter, dass sie in keinem Krankenhaus schwer verletzt vorzufinden war ... dennoch blieb sie ja verschwunden.
Die Polizei wollte nichts unternehmen.
In Ihren Augen lag keine Straftat vor.
Sie war erwachsen ... und öfters schon von dannen gezogen.
Dag griff nach ihrem Perso. Nein, das passte einfach nicht zusammen. Sie hätte wenigstens ihre Tasche mitgenommen, und Kleidung ... je nachdem.
In Lille hatte er anschließend nochmal selbst angerufen und mit seinen Französisch-Kenntnissen gebettelt, ihm eine Auskunft über Juliette zu geben. Doch ihre dort lebende Familie blieb dabei, dass sie nicht an diesem Ort aufgekreuzt wäre.
Was sollte er jetzt noch tun?
Ihm fiel nichts mehr ein.
Er war am Boden. Wenn ihr hoffentlich nichts zugestoßen war, blieb leider nur die Möglichkeit, das sie vor ihm geflohen war.
Doch wohin ... und wieso?
Das Wieso blinkte in seinem Kopf auf. Wieder und wieder.
Es gab keinen Grund. Alles war in Ordnung gewesen.
Der Sex. Sie hatten Sex gehabt in der Nacht. Hätte sie das getan, wenn sie ...?
Wahrscheinlich schon, ... oder?
Er war mit seinem Latein am Ende.
Warum tat sie ihm das an, wenn sie doch genau wusste, wie sehr ihn das mitnehmen würde?
Nein, das würde sie nicht.
Sie liebte ihn. Sie würde nicht fliehen. Nicht nochmal. Nein, diese Zeiten waren vorbei. Das lag in der Vergangenheit. Juliette war sich ihrer Gefühle sicher ... und sie fühlte sich wohl.
Es gab keinen Tag, wo er zweifelte, dass es nicht so war.
Sie waren glücklich.
Dag setzte sich auf und rieb seine schmerzende Birne. Ihr musste etwas zugestoßen sein. Ihm wurde übel.
An seiner Haustür klingelte es und er fiel fast auf die Schnauze, beim Versuch so schnell wie es nur ging, dort hinzurennen.
Es war mitten in der Nacht. Wer immer da also stand, es musste wichtig sein.
Eilig riss er den Eingang auf und sah auf Alexa. »Was ... was machst du hier?«
Voller Mitgefühl sah sie ihn an. »Ich hab's eben erfahren. Und ich wollte wissen, wie es dir geht.«
»Was ...?«
»Diese Juliette. Sie hat dich ... verlassen.«
Dag schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ... ihr muss etwas zugestoßen sein.«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Wie kommst du darauf?«
»Weil es so ist. Sie würde nicht gehen.«
»Kann ich rein?«
Dag schüttelte den Kopf. »Nein. Eigentlich fände ich es ...«
»Dag, ich weiß ich habe Fehler gemacht, aber ich habe das im Griff. Ich war in Therapie und mir geht es gut. Logischerweise bist du mir nicht egal, und als ich das gehört habe, wollte ich nach dem Rechten sehen.«
Er überlegte, schüttelte dennoch wiederholt den Kopf. »Ich kann jetzt keinen Besuch gebrauchen.«
»Ich bin kein Besuch. Ich merke doch, dass es dir nicht gut geht. Ich ... ich will dir helfen.« Sie legte ihren Arm auf seinen Oberarm, doch Dag ging einen Schritt zurück.
»Alexa, bitte. Ich ... ich kann das jetzt nicht gebrauchen. Ich muss ... ich will wissen, wo meine Freundin ist.«
»Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Du versuchst, zu verdrängen, dass sie keinen Bock mehr auf dich hatte, aber ...«
»Nein.« Jetzt diese Worte, aus Alexas Mund zu hören, ließ ihn sofort mehr daran zweifeln, das Juliette freiwillig abgehauen war. »Wir ziehen gerade zusammen, und ... nein ...«
Wieder legte sich ihre Hand auf seinen Arm. »Dag, ich bin für dich da. Ich lasse dich nicht alleine. Ich ...«
»Du solltest jetzt geh'n.«
»Was?« Sie sah mehr als verwirrt aus. »Aber ... ich bin hier. Ich bin da für dich. Ich ... ich lasse dich nicht alleine. Ich würde dir nie ...« Schnell verfiel sie in alte Muster, als ihr Plan nicht direkt so verlief, wie sie es sich erträumt hatte.
Eigentlich wollte sie noch einen Tag warten, aber ihr Drang ihn zu sehen war stärker. In ihren Gedanken hatte Dag sie sofort reingelassen. Er hätte geheult, sich von ihr trösten lassen ... sie hätten sich länger in die Augen gesehen ... und geküsst.
Dag hätte realisiert, dass sie die Richtige war, weil sie ihn niemals verlassen würde.
Happy End.
Aber nein ... Dag musste ja weiterhin an das Gute glauben, das Juliette ihn nicht verlassen hatte.
Was hatte diese Schlampe nur an sich, das er so an ihr hing?
Alexa atmete tief ein, um sich zu beruhigen. Ihr Plan konnte noch aufgehen. Vielleicht war es doch zu früh, direkt bei ihm auf der Matte zu stehen.
»Okay. Ich gehe. Aber ... wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin immer da für dich Dag. Jederzeit. Egal wann. Ich lasse dich nicht in Stich.« Sie lächelte ihn an, mit der Hoffnung eine Umarmung oder sogar einen Wangenkuss zu erhalten ... doch nichts.
Er lächelte dezent zurück und verabschiedete sich, ehe er die Türe vor ihrer Nase schloss.
Sie schnalzte kurz mit der Zunge, bevor sie die Stufen hinabging.
Ihr Plan würde noch Früchte tragen ... denn Juliette würde er nie wiedersehen.
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Mit dir sieht Berlin aus wie Paris
FanfictionSalzige Meeresluft und ein strahlend blauer Himmel. Was benötigt man mehr? Dag unternimmt mit Freunden einen kleinen Urlaubstrip auf die Malediven. Juliette, die junge Frau, die er dort kennenlernt, war nicht eingeplant, dennoch verbringt er jeden...