Kapitel 1

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„Miri, beeil dich es ist bereits 13:00 Uhr. Die Besammlung ist um 13:20 Uhr!", ruft meine kleine Schwester warnend durch die ganze Wohnung. „Ich komme schon!", antworte ich aufgeregt. Eilig binde ich mir meine langen, braunen Haare zu einem Pferdeschwanz, schnappe mir die Sporttasche vom Bett und renne die Treppen mit Blendjona runter zum Auto, wo Papa uns mit Mama bereits erwartet. Edon sitzt schon im Auto und schaut uns belustigt an. Wir springen hinten im kleinen Audi rein, düsen mit einer Höchstgeschwindigkeit die Strassen entlang und halten fünfzehn Minuten später beim Fussballparkplatz an. Froh, diese Fahrt überlebt zu haben steige ich torkelnd aus dem Auto und sehe gleich meine Fussballmannschaft, die bereits zur Garderobe läuft. Meine Eltern und Geschwister laufen mir nach und unterhalten sich über das bevorstehende Spiel.

"Sie werden heute gewinnen, da bin ich mir sicher!", kündet mein Vater siegessicher an. Schon seit ich die Leidenschaft Fussball zu spielen entdeckt habe, verpassen sie kein einziges Spiel. Ich geniesse die grösste Unterstützung von ihnen, was nicht selbstverständlich ist. „Wir warten bei der Tribüne auf dich!", ruft Mama mir hinterher. Heute ist das wichtigste Spiel der Saison. Wenn wir heute gewinnen, sind wir auf der Rangliste die Ersten. Eine phänomenale Leistung haben wir diese Saison abgeliefert.

„Mirjet!", ruft die blondhaarige Juljana freudig und empfängt mich mit offenen Armen. Wir kennen uns schon seit klein auf. Kennengelernt haben wir uns im Fussballverein. Es ist unser Hobby, unsere Leidenschaft, die wir zusammen teilen und lieben.

„Lauf schneller! Die anderen sind sich bereits am umziehen. Heute beweisen wir es nochmals allen! Hast du schon gehört? Der Trainer vom FCZ schaut zu, das ist unsere Chance!" Meine beste Freundin redet aufgeregt weiter, geht Taktiken durch und in mir sammelt sich währenddessen eine Wärme in der Brust, das ich nicht einordnen kann. Ich schiebe es auf die Nervosität, obwohl es in letzter Zeit immer öfters und schmerzhafter vorkommt, habe ich nicht einmal daran gedacht, zum Arzt zu gehen. Mama denkt, es läge an der Grippe, die ich vor Wochen hatte. Dass es aber immer noch anhält, habe ich ihr verschwiegen.

Wir betreten die Garderobe. „Hier deine Nummer." Lisa, unser Captain, wirft mir das gelb-schwarze Trikot zu. Ich betrachte die Nummer „10". Meine Glückszahl. Nachdem wir uns alle wie wilde Hühner umgezogen haben, betritt unser Trainer die Garderobe. Er hat wie immer ein Lächeln im Gesicht, lässt seinen Blick langsam über die Mannschaft schweifen und zählt dabei die Spielerinnen. Marc ist 25 Jahre alt und meiner Meinung nach der beste Trainer des ganzen Vereins. Er ist streng und erwartet immer die höchste Leistung. Er hat uns soweit gebracht und das verdanken wir alleine ihm. Marc hat uns zusammengeschweisst und gelehrt, was Teamgeist und Zusammenhalt bedeutet.

„Mädels, ihr kennt eure Aufstellung! Ich erwarte nicht 80% von euch, nicht 90% und auch nicht 100% ich erwarte 120% Ihr schafft das! Ihr habt es soweit gebracht, habt Stärke bewiesen, habt euch bei jedem Spiel gesteigert und dieses Spiel ist die Krönung!"

Die Mannschaft johlt. „Ich glaube an euch! Alle Hände in die Mitte! Hopp!", wir bilden einen Kreis und halten die Hände übereinander. „Einer für alle!", fängt Marc an „...und alle für einen!", rufen wir euphorisch zusammen.

Mit voller Motivation joggt das Team zum grossen Fussballfeld. Meine Eltern haben sich mit meiner Schwester auf die Tribüne gesetzt und plaudern mit den Eltern von Juljana. Edon ist wahrscheinlich was Süsses kaufen gegangen. Der hält kein Spiel ohne Nervennahrung aus. Heute haben wir besonders viele Zuschauer. Der Himmel ist leicht bewölkt, was das Spielen angenehmer gestaltet. Wir wärmen uns langsam auf. Ich spüre bei jedem Schuss ein kurzes Ziehen in der Brust. Anfangs ist es noch erträglich, doch es wird bei jedem weiteren Pass schmerzhafter. Ich kann jetzt nicht nachlassen, es ist das letzte Spiel.

„Du kannst das. Stell dich nicht so an", beruhige ich mich.

„Alles in Ordnung?", Marc schaut mich besorgt an. Er hat wohl gemerkt, dass etwas nicht stimmt.

„Ja, alles gut. Ich habe heute einfach noch nichts gegessen."

„Hier, trink Wasser!", er wirft mir die Wasserflasche zu und ich nicke dankend. Vor dem Anpfiff klatsche ich kurz meine Familie ab. Mein Vater küsst mich zum Schluss noch auf die Stirn. „Mach mich stolz, Kleine! Zeig den anderen, was ich dir beigebracht habe!", sagt Papa und ich jogge lachend zurück zum Fussballfeld.

„Das ist mein Mädchen!", ruft Papa und zeigt auf mich. Die Zuschauer lachen und ich erröte. Mal wieder typisch Papa!

Ich stelle mich auf der linken Seite im Sturm auf. Tore schiessen liegt mir. Darin bin ich stark und fühle mich deshalb auch in dieser Stellung am wohlsten.

„Auf geht's Mädels, wir packen das!", ruft Juljana. Der Schiedsrichter stellt den Ball zwischen uns und pfeift an. Ich renne los, spiele den Ball zu, bekomme ihn zurück, kehre um und passe zu Nita. Das Spiel startet energiegeladen. Unsere Gegner dürfen wir nicht unterschätzen, sie haben letztes Jahr den Weltmeistertitel geholt.

Nach fünfzehn Minuten schiessen wir endlich das erste Tor. Die Zuschauer springen auf und jubeln. „Bravooo Juljanaaa!", wir triumphieren.

„Weiter so! Das Spiel ist noch nicht gewonnen!!", ruft Marc ernst. „Los Mädels, weiter!"

Anstoss der Gegenspieler. Ich sprinte vor. Scheisse! Das Ziehen fängt aufs Neue an! Mist! Mit wird schwindelig, ich sehe schwarze Löcher in der Luft. Ich quäle mich weiter zu rennen, den Blick wieder aufs Goal gerichtet. Das Atmen fällt mir schwer. Meine Schritte werden langsamer und holpriger. Mir wird ganz schwarz vor Augen und alles dreht sich.

„Miri, hier!", Juljana passt mir den Ball zu und ehe ich weiter sprinten kann, sacke ich auf den warmen Kunstrasen zusammen. Der Plastikgeruch begleitet mich bis in die Dunkelheit und ich fühle ausser den Schmerzen nichts mehr.

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt