Kapitel 33

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Er nähert sich mir mit kleinen Schritten. In seinem Gesicht steht die Entrüstung geschrieben. Gross und Fett. Unbewusst klammere ich mich an Aylin, die sofort merkt dass etwas nicht mit mir stimmt. Die Blicke von mir und Arton spielen ein Feuerspiel, ein gefährliches Spiel. Mein Herz nimmt rasant an Geschwindigkeit zu. Arton's Auge linkes Auge zuckt und füllt sich innerhalb einer Millisekunde mit Tränen. Er macht vor mir Halt und schaut mir nun direkt in die Augen. Wie Pfeile schiessen seine Blicke in mein Herz.

„Was ist los mit dir?", flüstert er mit erstickender Stimme. „Nichts, was soll denn schon los sein?", murmle ich mit gebrochener Stimme. Mein Hals schmerzt und meine Lippen sind so trocken wie die Sahara. Wie krank sehe ich wohl in seinen Augen aus? Er hatte mich so wundervoll in Erinnerung und nun? Nun sieht er mich genauso, wie alle anderen mich sehen. Hässlich. Einfach nur potthässlich.

„Mirjeta, kennst du diesen jungen Mann?", sie begutachtet Arton. Wie immer sieht er topgestylt aus. Zerrissene , schwarze Jeans, enges schwarzes T-Shirt, welches seine Muskeln zur Geltung bringen, schwarze Lederjacke und schwarze Superstars. Als hätte er sich für meine Beerdigung angezogen. Eine Gänsehaut überfliegt mich und ich werfe den Gedanken schnell weg.

Ich bejahe und schaue Arton fest in die Augen. Man sieht ihm die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Dass er geschockt ist, würde auch ein Blinder spüren.

„Komm Mirjeta, wir gehen."

Ich nicke Arton zu und lasse ihn mit offenem Mund hinter mir stehen. Mein Körper zittert. Ich habe Mühe mein Gleichgewicht zu halten, doch mit der Hilfe von Aylin schaffe ich das.

„Wer war das?", fragt sie mich mit dem Blick gesenkt zum Boden.

„Ein guter Freund...", lüge ich. Er ist mehr als das. Viel mehr.

Wir laufen in den Lift hinein und ich schaue entsetzt auf mein Spiegelbild. Hat den dieses Krankenhaus nie überlegt? Welcher Patient möchte sein Spiegelbild im Krankenhaus sehen? Ich sehe furchtbar aus. Einfach schlimm. So bleich wie eine Wand. Die Augenringe haben wohl einen Vertrag mit meinem Gesicht abgeschlossen und meine einst wunderschönen Haare stehen in alle Richtungen. Meine Augen füllen sich mit Tränen, Aylin bemerkt sie sofort und nimmt mich in den Arm. Genau das brauche ich! Eine Freundin, die mir in dieser Zeit zur Seite steht.

„Ganz ruhig Mirjeta, du schaust wunderschön aus!", ich schluchze meine ganze Verzweiflung raus, lasse meinen Tränen freien Lauf und Aylin tröstet mich.

„Ich weiss, dass dieser Typ mehr war als dein Freund. Ich hab es gemerkt...", flüstert sie in mein Ohr und ich beruhige mich allmählich wieder.

„Es wird alles gut.", sie fährt mir behutsam über den Rücken.

Als wir in unserem Stock ankommen, schlendern wir in das Zimmer. Sie bringt mich in mein Bett und deckt mich behutsam mit einer Decke zu.

„Willst du was trinken?"

Ich schüttle den Kopf und schliesse langsam meine brennende Augen. Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr nicht aufhören könnt zu zittern und zu schluchzen? Diese Verzweiflung die man in sich trägt, diese Leere. Dieses Gefühl, in sich selber zu ertrinken. Man will nur noch schlafen und alles vergessen...

Ich höre wie Aylin die Storen runter lässt und es dunkel im Zimmer wird. Leise macht sie die Tür hinter sich zu und ich falle in einen tiefen Schlaf.

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Herr Hader weckt mich sanft auf.

„Mirjeta, es wird Zeit für die zweite Chemo..."

Ich mache meine Augen langsam auf und schaue aus dem Fenster. Es ist Abend. Wie lange habe ich geschlafen? Die Lampe erhellt das Zimmer in einem angenehmen, orangefarbigen Licht.

„Mach dich bereit Mirjeta..."

Herr Haders Worte fallen mir wieder in den Sinn. Eine Panik erfasst mich und ich fange an los zu heulen.

„Ich will das nicht... Ich will das nicht!", wiederhole ich panisch.

Herr Hader schaut mich betroffen an. Er setzt sich zu mir ans Bett und nimmt meine Hände in seine.

„Mirjeta, glaub mir. Du schaffst das! Gott ist mit dir!"

Das hört sich so an, als wenn ich gleich sterben würde. Gott ist mit mir? Aufgewühlt fasse ich mir an meinen hämmernden Kopf und schaue in Herr Haders glasige Augen.

„Warum reden Sie nicht albanisch mit mir!?"

Doktor Hader schaut mich perplex an. „Weil ich hier arbeite, ich darf das nicht."

Ich bereue meine Frage sofort und schaue beschämt auf meine zitternden Hände, welche er fest hält. Es hat was Beruhigendes. Es beruhigt mich. Als würde mir Gott persönlich Halt geben. Es vergehen gefühlte Minuten, bis ich mich langsam wieder beruhige.

„Mein Sohn war heute hier..."

Auf der Stelle hat er meine vollste Aufmerksamkeit.

„Ich wollte ihn vom Empfang abholen, um gemeinsam Mittag essen zu gehen, aber er war nicht da." Er schaut nachdenklich weg „Die Empfangsleiterin erzählte mir, er sei einer Patientin begegnet und wäre weinend wieder gegangen" Er runzelt die Stirn und schaut mich eindringlich an. Seine Blicke sprechen Bände. Er ahnt, wer das Mädchen war und unmittelbar erfasst mich eine gewisse Angst.

„Er war wohl ziemlich aufgelöst...", beendet er seinen Satz.

Ich schlucke und schaue an ihm vorbei auf die Wand. Mein Herz scheint mir aus der Brust springen zu wollen. Ich weiss worauf er hinaus will.

„Mirjeta, warst das du?"

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt